Iran – Frühe Kulturen zwischen Wasser und Wüste

Iran – Frühe Kulturen zwischen Wasser und Wüste

Autor/en:        Barbara Helwing

Verlag:           Hirmer Verlag

Erschienen:    München 2017

Seiten:            296

Buchart:         Hardcover

Preis:              € 49,90 (vergriffen)

ISBN:            978-3-7774-2809-3

Kommentar:  Michael Buddeberg, August 2017

 

Besprechung:

Der Iran-Tourismus boomt. Obwohl die iranische Politik noch immer mit der Atombombe zündelt und die Mullahs nach wie vor das Sagen haben, ist der Iran aus einem jahrzehntelangen Dornröschenschlaf erwacht und steht ganz oben auf der Must-Go-Liste der Weltenbummler, kein Wunder, ist der Iran, das alte Persien, doch eines der kulturhistorisch interessantesten Länder der Welt. Die Moscheen und Paläste von Schah Abbas in Isfahan, die Rosengärten von Schiras oder die Ruinen der altpersischen Residenzstadt Persepolis sind nur einige der attraktiven Ziele, die bei keiner Kulturreise in den Iran fehlen. Nur wenigen bekannt und schon gar nicht im Programm der Reiseveranstalter ist der Ort Bisutun, ein Dorf im Westen des Landes, unweit der Stadt Kermanschah. Auf einem dort aufragenden Felsmassiv befindet sich, schwer zugänglich in 66 Meter Höhe ein Felsrelief, das immerhin seit dem Jahre 2006 zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört. Der Achämenidenkönig Daraios (522-486 v.Chr.) ließ dort seine Siege in zahlreichen Schlachten, insbesondere über seinen Hauptgegner Gaumata und damit seinen Anspruch auf den Thron des Reiches in Stein meißeln. Das Felsrelief ist nicht nur ein bedeutendes historisches Zeugnis der Achämenidenzeit (560-330 v. Chr.), sondern darüber hinaus von exzeptioneller wissenschaftlicher Bedeutung, war es doch wegen seiner dreisprachigen Inschriften auf Altpersisch, Neubabylonisch und Elamisch der maßgebende Schlüssel für die Entzifferung der assyrischen und elamischen Keilschrift und damit von vergleichbarer Bedeutung wie der Stein von Rosetta für die Entzifferung der ägyptischen Hieroglyphen. Die Bisutun-Inschrift ist damit sozusagen das Portal, das den Zugang zur vor-achämenidischen Zeit überhaupt erst eröffnet hat.

Das Monument von Bisutun bildet das Schlusskapitel des Kataloges einer Ausstellung der Bundeskunsthalle (bis August 2017) über das Persien der vor-achämenidischen Zeit. Über 400 Exponate aus dem Nationalmuseum des Iran in Teheran und achtzehn Essays erschließen den Zeitraum von der ersten Sesshaftwerdung des Menschen auf persischem Boden im siebten vorchristlichen Jahrtausend bis zum ersten persischen Großreich, dem von Kyros II in der Mitte des sechsten Jahrhunderts v.Chr. gegründeten Achämenidenreich, das sich in seiner größten Ausdehnung vom Bosporus bis an den Hindukusch erstreckte. Die Entwicklung von der frühen Stein- über die Bronze- und Eisenzeit bis zur Hochkultur der Elamer war wesentlich von der geographischen Lage und den klimatischen Gegebenheiten Persiens geprägt. Vom ewigen Schnee auf den Gipfeln des Elbrus- und des Zagrosgebirges bis in die Gluthitze der Wüste Lut, ist Persien ein Land der Kontraste im Trockengürtel der alten Welt. Wasser spielte stets eine entscheidende Rolle und der sorgsame Umgang der Menschen mit dieser lebenswichtigen Ressource prägte die kulturelle Entwicklung. In fruchtbaren Gebirgstälern und Oasen entstanden Dörfer, später Städte und schließlich Staaten, deren Namen aus den Kontakten mit Babylonien und den Griechen überliefert sind. Von der frühen Besiedlung durch Jäger, Sammler, Bauern und Hirten sind Werkzeuge, Figurinen von Menschen und Tieren sowie erste Keramik überliefert. Im vierten und dritten Jahrtausend spricht man von der protoelamischen Zivilisation, in der sich Städte und erste Staaten bildeten und deren künstlerische Kreativität mono- und polychrom bemalte Keramik, Skulpturen aus Alabaster und aus Chlorit, einer Art Speckstein, geschnittene Gefäße mit reicher ornamentaler Verzierung hervorbrachte. Spielbretter in Form eines Greifvogels und eines Skorpionmannes sind herausragende Beispiele dieser Zeit. Von der Mitte des dritten bis zur Mitte des ersten Jahrtausends sind es die unter dem Begriff „Elam“ und „Elamer“ zusammengefassten Völker, die in der Region des südlichen Zagros-Gebirges mit der Hauptstadt Susa eine frühe Hochkultur bildeten. Monumentale Felsreliefs und bedeutende Metallarbeiten aus Silber stehen für die engen Verbindungen zwischen den Zivilisationen der Elamer und der Perser. Das Achämenidenreich entstand nicht plötzlich aus dem Nichts sondern war das logische Ergebnis einer langen wechselseitigen Befruchtung auf dem Boden Elams.

Dieses Hauptanliegen von Ausstellung und Katalog, die Entstehung des ersten persischen Großreiches auf der Grundlage der seit Jahrtausenden sich entwickelnden Kultur der Region kann und soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich um eine Präsentation archäologischer Entdeckungen handelt, um Schätze, die der Boden zufällig oder aufgrund gezielter Grabungen hergegeben hat. Höhepunkte sind die bereits erwähnten Specksteinobjekte aus Gräbern bei Dschiroft im tiefen Südosten Persiens, verziert mit geschnitzten Flachreliefs, die lebhafte Szenen mit wilden, in Kämpfe verstrickten Tieren zeigen. Noch spektakulärer ist die wohl urartäische Nekropole von Marlik, unweit der südlichen Gestade des Kaspisches Meeres, aus der Schmuck und Goldbecher mit großartigem figürlichen Dekor in Repoussétechnik geborgen wurden. Und erst 2007 wurden zufällig bei Bauarbeiten unweit des Dorfes Dschubadschi im Südwesten des Zagros-Gebirges die Gräber von zwei neuelamischen Prinzessinen entdeckt. In den Gräbern, vor allem aber in den kunstvoll gearbeiteten Bronzesärgen wurden wunderbare Grabbeigaben gefunden, Kultgeschirr aus Gold, Silber, Bronze, Eisen Stein und Elfenbein, vor allem aber kostbarer persönlicher Schmuck, dessen teilweise vorhandene Inschriften königliche Herkunft vermuten lassen. Aufwendig verzierte Armreifen mit Löwenköpfen aus Elfenbein und goldene Schmuckscheiben mit Einlagen aus edlen Steinen sind Höhepunkte aus der vorachämenidischer Zeit, Zeugnisse einer frühen Hochkultur auf persischem Boden..

 

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