Vanishing Beauty – Asian Jewelry and Ritual Objects from the Barbara and David Kipper Collection

Vanishing Beauty – Asian Jewelry and Ritual Objects from the Barbara and David Kipper Collection

Autor/en:        Madhuvanti Ghose (Hrsg)

Verlag:           The Art Institute of Chicago und Yale University Press

Erschienen:    Chicago, New Haven und London 2016

Seiten:            276

Buchart:         Leinen mit Schutzumschlag

Preis:              GBP 45,00

ISBN:            978-0-300-21484-0

Kommentar:  Michael Buddeberg, September 2017

Besprechung:

Die Sprengung der monumentalen Buddhastatuen im Tal von Bamiyan im März 2001 durch die Taliban hat weltweit Entsetzen ausgelöst ebenso wie der fortgesetzte Kulturvandalismus des IS, der in der brutalen Zerstörung von antiken Statuen im Museum von Mossul oder des Triumphbogens von Palmyra im Oktober 2015 traurige Höhepunkte erreichte. Weit weniger Beachtung findet der durch die Globalisierung langsam aber unaufhaltsam ablaufende Prozess der Kulturerosion, der Verlust an überkommenen Fähigkeiten und Techniken, von Qualität und Handwerkskunst, der letztlich schwerer wiegt als spektakuläre Einzelakte eines politischen oder religiösen Extremismus. Das Verschwinden lokaler Architekturtraditionen, die Vereinheitlichung der Bekleidung auf Kosten traditioneller Trachten ebenso wie die Verdrängung landesüblicher Spezialitäten durch Fastfood und internationale Restaurantketten sind sicht- und fühlbare Zeichen dieser schleichenden Kulturerosion. Vielleicht das beste Beispiel für diesen sich über Jahrzehnte oder länger erstreckenden Prozess ist ethnischer Schmuck, einst ein wichtiger Faktor für Kulturdiversität und heute allenfalls noch an entlegenen Plätzen dieser Welt anzutreffen.

Die Bewahrung und Erhaltung traditioneller Schmuckobjekte aus zahlreichen Regionen des asiatischen Kontinents ist die Motivation für eine großartige Kollektion ethnischen Schmucks, die von der Sammlerin dem Chicago Art Institute überlassen und dort im Jahre 2016 mit einer Ausstellung und einem begleitenden Katalog gewürdigt wurde. Es begann, wie  Barbara Levy Kipper in ihrem einleitenden Beitrag schreibt, 1968 in London, wo die junge Fotografin zu einer Land Rover Expedition nach Afghanistan aufbrach. Was zunächst nicht mehr war als der zeittypische „Hippie Trail“ in ein Land, von dem sie gar nicht so recht wusste, wo es lag, wurde zur lebenslangen Leidenschaft und zum Anlass vieler Reisen in Asien, auf denen sie, begleitet von ihrem Mann David einen großen Teil der Objekte erwerben konnte.

Der Katalog ist in fünf geographische Regionen Asiens gegliedert. Jede der Regionen wird von einem Essay begleitet, der, meist reich illustriert mit historischen Aufnahmen, den Gebrauch und die Funktion von Schmuck, dessen Materialien und Techniken, die verschiedenen Typen und deren Symbolismus, vor allem aber die regionalen und stammestypischen Besonderheiten behandelt und Hinweise auf Beispiele aus der Sammlung von Barbara Kipper enthält. Maria Zagitova schreibt über Schmuck aus Zentralasien. Hier dominiert neben aufwändigen städtischen Objekten aus Buchara vor allem der Turkmenenschmuck der Stämme der Tekke, Jomud und Ersari. Volkstümlicher Schmuck aus Südasien, das ist hier vor allem der indische Subkontinent unter Einschluss von Afghanistan, Pakistan und Myanmar, wird von Usha Balakrishnan vorgestellt. Hier beeindruckt die Vielfalt der Schmuckformen der indischen Bundesstaaten von Gujarat bis Tamil Nadu ebenso wie die vielfache Verwendung von purem Gold. Anne Richter konzentriert sich bei ihrer Betrachtung von Schmuck aus dem indonesischen Archipel vor allem auf Timor, Borneo und Sulawesi, während Li Qianbin den aufwändigen Silberschmuck der chinesischen Minderheiten im Süden des Landes, der Miao, Li und Yao, behandelt.

Der wesentliche Teil der Sammlung von Barbara Kipper und damit auch der deutliche Schwerpunkt des Kataloges ist den Ländern des Himalaya gewidmet, allen voran Tibet, aber auch Nepal und Bhutan sowie der Mongolei und Burjatien im russischen Sibirien, beides Länder, die aufgrund ihrer Religion und damit auch in ihrem Schmuckschaffen, dem tibetischen Kulturkreis zuzurechnen sind. Nirgendwo ist die Verbindung von Schmuck und Religion, das Tragen von Schmuck und die Religionsausübung so miteinander verwoben wie in Tibet. Und so ist es kein Wunder, dass sich Barbara Kipper auf das tibetische Schmuckobjekt konzentriert hat, bei dem Schmuckbedürfnis und die Verehrung höherer Mächte die auffälligste Verbindung eingegangen sind. Etwa 60 dieser tragbaren Amulett- oder Reliquienbehälter, von den Tibetern ga´u genannt, werden in ihren ungemein vielfältigen Erscheinungsformen vorgestellt. Größe und Form der ga´u variieren von kleinen von Frauen an einer Halskette getragenen und mit filigraner Verzierung und Türkisen versehenen Behältnissen bis zu großen, schreinartigen Kästen, die sich Pilger während der in der Form von Prostrationen ausgeführten Pilgerreise mit einem Gurt auf den Rücken binden. Wir finden sie aus Gold, Silber, Kupfer oder Eisen, ja sogar aus Elfenbein, Porzellan, Holz oder Ton. Allen gemeinsam ist, dass sie bestimmt sind, in ihrem Inneren kleine Götterfiguren, Schriftrollen mit Mantras, Reliquien verstorbener Lamas, Reiskörner oder andere Produkte der Natur, stets aber geweihte Gegenstände aufzunehmen, Böses zu bannen, Hilfe zu gewähren und Leid zu vermeiden. Die Einzigartigkeit dieser ga´u-Sammlung besteht vor allem darin, dass sie ein Zeitspanne vom 12. bis zum 20 Jahrhundert umfasst und Kostbarkeiten wie mit Gold und Silber damaszierte Eisenbehälter des 15. Jahrhunderts, feinste Schnitzarbeiten aus Sandelholz aus dem 16. Jahrhundert und viele andere Unikate enthält. Ein weiterer Bereich, in dem sich Schmuckbedürfnis und Gebrauchszweck treffen sind Börsen, Nadelbehälter oder die so genannten Feuerschlägertäschchen, die Utensilien enthalten, mit denen sich ein Feuer entfachen lässt, schließlich auch Gebetsmühlen, Musikinstrumente und Butterlampen bis hin zu reinen Ritualobjekten, Orakelkronen und Tempelausstattung. Goldene Ohrringe und kostbare, mit Gold und edlen Steinen inkrustierte Kopfbedeckungen schließlich dienten tibetischen Beamten zur Sichtbarmachung von Rang und Stellung. Dieses Kaleidoskop tibetischen Schmucks, wie es kaum je zuvor präsentiert wurde, wird von dem begleitenden Essay von Jane Casey  ergänzt, erklärt und kommentiert.

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