Face to Faith – Mount Kailash – Tibet

Autor/en:        Samuel Zuder

Verlag:           Hatje Cantz Verlag

Erschienen:    Berlin 2017

Seiten:            192

Buchart:         Hardcover

Preis:              € 58,00

ISBN:            978-3-7757-4150-7

Kommentar:  Michael Buddeberg, September 2017

 

Besprechung:

 

Der für Buddhisten, Bön, Hindus und Jainas heilige Berg Kailash erhebt sich 6714 Meter hoch aus der Transhimalaya-Kette in der Region Ngari im kaum besiedelten Westen der tibetischen Hochebene. Es ist eines der unzugänglichsten Gebiete der Welt und für die Pilgerreise zum Kang Rinpoche, wie ihn die Tibeter nennen, dem „Schneejuwel“, gilt das Konfuzius-Zitat „der Weg ist das Ziel“. Von Lhasa sind es fast 1300 Kilometer auf einer oft nur im Schritttempo befahrbaren Piste mit hohen Pässen und Flussdurchquerungen. Doch das war einmal, denn inzwischen ist die Strecke als China National Highway G219 durchgehend asphaltiert und, mehr noch, von dem 2010 eröffneten chinesischen Militär- und Zivilflughafen Ngari-Günsa sind es nur noch 200 Kilometer bis zum kleinen Ort Darchen am Fuße des Kailash. Dort beginnt die eigentliche „Kora“, die 53 Kilometer lange Umwandlung des Kailash, und da das chinesische Projekt einer die Kora begleitenden und befahrbaren Piste nach internationalen Protesten aufgegeben wurde, gilt das Konfuzius-Zitat, wenn auch in eingeschränktem Umfang noch immer.

 

Tibeter, so sagt man, schaffen die „Kora“ an einem Tag. Tibetische Familien benötigen zwei Tage. Hier machen sich dann oft drei oder gar vier Generationen einer Großfamilie, meist begleitet von einer kleinen Karawane von Tragtieren, Yaks versteht sich, auf den beschwerlichen Weg. Touristen aus dem Westen benötigen in der Regel drei Tage und für sie ist der steile Anstieg zum höchsten Punkt der Umwandlung, dem Pass Dolma La mit 5700 Metern, die größte Herausforderung. Strenggläubige Buddhisten, die die Runde mit Niederwerfungen unternehmen und so den Weg mit ihrer Körperlänge abmessen, sind schon mal drei Wochen unterwegs. Es ist aber nicht die sportliche Leistung, die hier zählt, sondern das Karma, das sich der Pilger verdient und zwar umso mehr, je größer die selbstauferlegten Strapazen sind und je öfter er die Kora unternimmt. 108 Umrundungen, so glauben die Buddhisten, eröffnen den unmittelbaren Zugang zur Erleuchtung.

 

Der Schweizer Fotograf Samuel Zuder hat mit einer traditionellen, analog arbeitenden Großformatkamera die machtvollen, vegetationslosen Landschaften, die den Pilger auf der Kora begleiten, in beeindruckenden Einstellungen festgehalten. Die in den fast überdimensional wirkenden Talschaften und Felsformationen wie verloren erscheinenden Pilgergruppen lassen die Ohnmacht der Menschen gegenüber der Macht der Natur ebenso verspüren wie die einzigartige Spiritualität dieses besonderen Ortes. Diese Bilder aber sind nur die Kulisse für mehr als vier Dutzend sorgfältiger Aufnahmen von tibetischen Pilgern auf ihrem Weg um den Kailash. Einfühlsame Portraits, eine Mutter mit ihren Kindern, ein Gruppe Frauen am fünfzehnten Tag ihrer mit Prostrationen (Niederwerfungen) vollzogenen Kora, der 44 Jahre alte Jamyang aus Tshochen auf seiner 44sten Kora, Yak-Führer mit ihren Tieren, Nomadenpaare auf der wichtigsten Pilgerreise ihres Lebens – man weiß nicht, was man mehr bewundern, studieren und immer wieder von Neuem betrachten soll, die Vielfalt tibetischer Trachten aus allen Teilen des Landes, den Stolz und die Fröhlichkeit in den Gesichtern der Pilger, welche sich – fast – am Ziel ihrer Wünsche wähnen, der Schmuck und die Amulette, die sie mit sich tragen, die Unbeschwertheit der Kinder, für die auch der steile Anstieg zum Dolma La nur Vergnügen bereitet und vieles andere mehr. Jedes Bild ist sorgfältig komponiert, technisch perfekt und hat eine Aussage, die gesucht, erkannt und verinnerlicht werden möchte. Das funktioniert nicht auf Anhieb sondern braucht Zeit und hier hat sich Zuder etwas einfallen lassen, das den Leser oder Betrachter dazu zwingt, sich intensiver als sonst üblich, mit den Bildern zu beschäftigen: Die Bildunterschriften erscheinen als in einer Art unlesbarer Geheimschrift wiedergegeben. Sie zu entziffern bedarf einigen Aufwandes, der letztlich wieder die Aufmerksamkeit beflügelt und der Rezeption der Bilder zu Gute kommt. Von dem Geheimnis der Entzifferung dieser Geheimschrift sei hier nur so viel verraten, dass mit ihm auch in dem Buch über den heiligen Berg Kailash das Konfuzius-Zitat „der Weg ist das Ziel“ eine praktische Anwendung findet.

 

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