Bolihua – Chinesische Hinterglasmalerei aus der Sammlung Mei-Lin

Autor/en:        Rupprecht Mayer

Verlag:           Hirmer Verlag

Erschienen:    München 2017

Seiten:            252

Buchart:         Hardcover

Preis:              € 45,00

ISBN:            978-3-7774-2833-8

Kommentar:  Michael Buddeberg

 

Besprechung:

 

Obwohl schon aus der Antike bekannt, wurden Verfahren zur erschwinglichen Herstellung von Flachglas erst im 17. Jahrhundert entwickelt. Von dessen allgemeiner Verwendung als Fensterglas bis zum Gebrauch als Malgrund war es dann nur noch ein kleiner Schritt. Das Zeitalter von Barock und Rokoko ist daher auch eine Zeit der Blüte der Hinterglasmalerei mit Augsburg als einem den Zentren. Da sich wegen der Zerbrechlichkeit des Malgrundes nur wenige Beispiele dieser qualitätsvollen Kunst erhalten haben. geriet das Hinterglasbild als ein Kapitel der Kunstgeschichte in Vergessenheit. Heute ist das Hinterglasbild nur noch als religiöse Volkskunst des 19. und frühen 20. Jahrhunderts aus alpenländischen Regionen bekannt und wegen der naiv-dekorativen Darstellungen eine beliebte Antiquität.

 

Während China in wichtigen Technologien den Europäern oft um Jahrhunderte voraus war, man denke nur an Porzellan, Papier, Schwarzpulver oder den Buchdruck, ist Flachglas den Chinesen wohl erst durch die Handelskontakte mit Europa bekannt geworden. Ort dieser Begegnung war Kanton am Perlfluss, das von der Mitte des 16. Jahrhunderts für etwa einhundert Jahre der einzige Hafen Chinas war, in dem Ausländer Handel mit China treiben dürften. Auch hier war der Weg vom Fensterglas zum Hinterglasbild nur ein kleiner Schritt. Das in Kanton blühende Handwerk der chinesischen Exportmalerei entdeckte mit Glas einen Malgrund, der von der Rückseite bemalt, den Farben eine besondere Leuchtkraft und der Darstellung eine von der Ölmalerei nicht bekannte Tiefe und Ausdruckskraft verleiht. Da das Bild durch den Bildträger hindurch betrachtet wird, ist auch der Aufbau des Bildes anders als von der Ölmalerei gewohnt: Der Maler hat mit dem Detail zu beginnen und malt den Hintergrund zuletzt und das alles auch noch spiegelverkehrt.

 

Die frühen Beispiele der an der chinesischen Exportmalerei orientierten chinesischen Hinterglasbilder sind in Europa, wie aus der Untersuchung von Rosalien van der Poel über Chinesische Export-Malerei („Made for Trade, Made in China“, Leiden 2016) bekannt ist, nur sehr vereinzelt in wenigen öffentlichen Sammlungen vertreten. Auch in China ist die Hinterglasmalerei infolge der Wirren, Kriege und Revolutionen der letzten hundert Jahre aus dem Bewusstsein des kunstinteressierten chinesischen Publikums verschwunden. Umso überraschender und zugleich eine internationale Premiere ist das Buch über die in China für den chinesischen Markt in der Zeit des späten und frühen 20. Jahrhunderts entstandenen Hinterglasbilder. Die 137 durchweg ganzseitig, meist mit ihren Holzrahmen wiedergegebenen Bilder stammen aus einer süddeutschen Privatsammlung mit Namen „Mei-Lin“, über deren Anlass, Aufbau und Umfang man gerne Näheres erfahren hätte, ebenso wie über Orte, Künstler und Entstehungszeit der Bilder, die aber wohl ebenso im Dunkel liegen wie beim Korpus der europäischen Hinterglasmalerei.

 

Es ist eine liebenswerte, eine heile Welt, die uns die chinesischen Hinterglasmaler vor Augen führen, so das Resümee des Geleitwortes von Lothar Ledderose, dem Doyen der deutschen Ostasienkunde. Schöne anmutige Frauen, glückliche Kinder, harmonische häusliche Szenen, dramatische oder liebliche Landschaften und eine  reiche Tier- und Pflanzenwelt bieten sich dem Betrachter dar. Motive, die das Glück symbolisieren, auch Wohlstand, Gesundheit oder ein langes Leben, lassen vermuten, dass diese Bildwerke häufig als Geschenk übergeben und bewahrt wurden. Am interessantesten aber sind ohne Zweifel Bilder von Gestalten aus der chinesischen Mythologie oder aus der Sagen- und Märchenwelt, Bilder von Szenen und Episoden aus der chinesischen Literatur und Lyrik oder aus der Peking-Oper, die einem gebildeten chinesischen Publikum natürlich geläufig sind. Sie werden – wie auch alle anderen Bildinhalte – durch die ausführlichen Erklärungen des Autors – Rupprecht Mayer ist Sinologe, hat chinesische Kunstgeschichte studiert und lebt als Schriftsteller und Übersetzer in Burghausen – wort- und kenntnisreich erklärt und damit lebendig. Das Spannungsverhältnis zwischen der durch ihre plakativ-leuchtende Farbigkeit oft naiv erscheinende Ästhetik der Hinterglasmalerei und der vielschichtigen Ikonographie und exotisch anmutenden Metaphorik eröffnet einen faszinierenden Einblick in eine besondere Spielart chinesischer Kunst. Ihre gläserne Zerbrechlichkeit, so Lothar Ledderose, macht diese delikaten Bilder umso liebenswerter.

Print Friendly, PDF & Email