Rugs & Art – Tribal Bird Rugs and Others

Rugs & Art – Tribal Bird Rugs and Others

Autor/en:        Abel Trybiarz

Verlag:           Hali Publications Ltd.

Erschienen:    Buenos Aires, London 2017

Seiten:            304

Buchart:         Leinen mit Schutzumschlag

ISBN:            978-1-18981-13577

Kommentar:  Michael Buddeberg

 

Besprechung:

Als David Black und Clive Loveless 1979 zum ersten Mal in der Geschichte des Orientteppichs in ihrer Londoner Galerie Nomaden- und Bauernteppiche aus der im südlichen Persien gelegenen Provinz Fars ausstellten, gaben sie dem begleitenden Katalog den Namen „Woven Gardens.“ Sie weben Gärten, war der Kommentar der Autoren, und die Teppiche sind voll von bunten Blumen. Die Leidenschaft der Bauern und Nomaden aus Fars für Farbe prägt die bunten und brokat-glitzernden Gewänder der Frauen, den Schmuck der Kamele, die gewebten Taschen und die geknüpften Teppiche – kein Wunder, denn das Land, in dem sie leben und durch das sie auf der Suche nach Weide für ihre Tiere wandern, ist trocken und kahl, eine Welt nackter Felsen, heißem Sand und vor Hitze flirrendem Dunst. Gärten voller Blumen – das ist das Paradies von dem sie träumen.

Nur drei Jahre später, 1982, erwarb der brasilianische Architekt und Künstler Abel Trybiarz in Istanbul seinen ersten Teppich und erkrankte spontan an der „maladie de tapis“, jener unheilbaren, oft einer Sucht gleichkommenden Krankheit, Teppiche zu sammeln. Abel Trybiarz verrät leider nichts über diesen ersten Teppich, doch sein nun bei Hali Publications erschienenes Buch über seine Sammlung macht klar, was ihn vor allem faszinierte: es sind die in den „woven gardens“ der südpersischen Bauern und Nomaden dargestellten Tiere, Kamele, Pferde, Gazellen oder Ziegen, vor allem aber Vögel, denen er den größten Teil seiner Sammlung gewidmet hat. Etwa zwei Drittel der in dem Buch vorgestellten 150 Teppiche der Sammlung sind von gefiederten Tieren bevölkert, der Autor bezeichnet sie pauschal als „chicken“, mal mehr oder weniger versteckt im Blumenmeer des Feldmusters, wohlgeordnet in den Bordüren oder gleichsam als Schwarm im unendlichen Report. Diese Konzentration auf ein Motiv mag nun sehr sammlerspezifisch und ausschließlich musterorientiert erscheinen, ist jedoch tatsächlich ein grandioser und bisher in dieser besonderen Auswahl nicht gesehener Überblick über die Vielfalt und vor allem Form- und Farbharmonie südpersischer Bauern- und Nomadenteppiche. Mehr noch als die „Woven Gardens“ von Black und Loveless oder das grundlegende Buch von James Opie über die südpersischen Stammesteppiche (1981) vermittelt das Buch von Abel Trybiarz das großartige Zusammenspiel von bester, glanzreicher Wolle, wie sie die Schafe von den Hochweiden um das Zagrosgebirge liefern, mit den glühenden satten Farben natürlicher Färbedrogen und bestätigt damit die These, dass der Flor eines geknüpften Teppichs das denkbar beste Medium für Farbe überhaupt ist. Wesentlichen Anteil an diesem Eindruck haben natürlich die Bilder. Das gilt weniger für die überwiegend ganzseitig, vor schwarzem oder weißem Hintergrund, recht farbgetreu, doch häufig etwas unscharf wiedergegebenen Gesamtansichten der Teppiche als vielmehr den zahlreichen Detail- und Makroaufnahmen, vor allem aber den sorgfältig komponierten Bildern von einem oder mehreren locker durch- und übereinander hingeworfenen Teppichen, wenn das von den Flächen, Falten und Knicken in ganz unterschiedlichen Winkeln abstrahlende Licht die Farben und Farbnuancen zu vervielfältigen scheint. Mancher mag dies als bloße Effekthascherei abtun, doch mit diesen Darstellungen gelingt es, den Teppich, einem haptischen Empfinden ähnlich, als einen dreidimensionalen Gegenstand, der er ja ist, wahrzunehmen. Autor, Fotografen und  Gestalter des Buches haben mit dieser Präsentation eine ästhetisch und didaktisch beeindruckende Leistung erbracht.

Die Einteilung der 127 Vogelteppiche aus dem südlichen Iran in verschiedene Grundtypen, nämlich klassisches Medaillon-Design, unendlicher Rapport, Teppiche mit Menschen und Tieren und schließlich solche mit Boteh-Muster scheint mehr dem Wunsch nach einer Ordnung  in verschiedene Kapitel zu folgen als wirklich deutlichen Abgrenzungskriterien. Die sich in immer wieder neuen Variationen wiederholenden Design-Ähnlichkeiten der Nomaden-Teppiche aus dem südwestlichen Iran, an denen man sich nicht satt sehen kann, sind aber jenseits jeder Klassifizierung ein ästhetisches Vergnügen. Durchaus problematisch erscheint indessen die Zuschreibung der Teppiche an die Stammesverbände (Konföderationen) der Khamseh und der Qashqai und ihrer Untergruppen arabischer, türkischer und iranischer Herkunft, zumal hier Zuschreibungsmerkmale wie Besonderheiten des Design und insbesondere strukturelle Unterschiede nicht genannt werden. Wer sich mit diesen Konföderationen näher befasst wird feststellen, dass sich just in dem Zeitraum, aus dem das Gros der Teppiche stammt, also von der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis zum Beginn des 20 Jahrhunderts, aus politischen und ökonomischen Ursachen wesentliche Änderungen dieser Stammesverbände vollzogen haben. Nur gelegentlich trägt der Autor dieser mangels zuverlässiger Forschungsleistungen schwierigen Zuschreibungsfrage mit Fragezeichen Rechnung. Das Glanzstück der Sammlung, ein ganz in der nomadischen Tradition gestalteter Bildteppich mit einem König, seinem Gefolge und einer kaum glaublichen Vielzahl bunter Tiere und Vögel, mit zahlreichen Detail- und Makrofotos auf vierzehn Seiten dargestellt, lässt dann aber etwaige Mängel oder Zweifel rasch vergessen. Die kleine abschließende Auswahl kaukasischer Teppiche mit den Herkunftsbezeichnungen Schirwan, Baku, Gendje, Kuba, Lesghi und Shikli bringt willkommene Abwechslung und wird – wenn man genau hinschaut – auch hier von der Vorliebe des Autors und Sammlers für das Vogel- und Tiermotiv bestimmt.

Abel Trybiarz wäre nicht Bildhauer, Maler und Graphiker und zudem begeisterter Teppichsammler, wenn er nicht all diese Leidenschaften nach Art eines Multi-Media-Künstlers miteinander verbinden und sein Buch mit Beispielen seiner Kunst ergänzen würde. Wir sehen Installationen, Gemälde, Zeichnungen und Skulpturen, in denen Teppiche, Männer- und Frauenakte und immer wieder wohlgeformte Frauenbeine für Kompositionen sorgen, über deren ästhetische und künstlerische Qualität man geteilter Meinung sein kann. Immerhin dominiert auch hier der attraktiv drapierte Teppich und das Spiel von Farbe, Licht und Schatten. Dass Trybiarz sein Buch mit dem berühmten Foto aus dem Behandlungszimmer von Sigmund Freud mit dem über die Couch drapierten Qashqai-Shekarlu-Teppich beschließt, mag jeder Leser nach seinem eigenen Gusto deuten.

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