Peacock in the Desert – The Royal Arts of Jodhpur, India

Peacock in the Desert – The Royal Arts of Jodhpur, India

Autor/en:        Karni Jasol, Angma D. Jhala (Hrsg)

Verlag:           Museum of Fine Arts Houston und Yale University Press

Erschienen:    Houston, New Haven und London 2018

Seiten:            296

Buchart:         Halbleinen

Preis:             GBP 65,00

ISBN:            978-0-300-23296-7

Kommentar:  Michael Buddeberg

 

Besprechung:

Nicht Bill Gates, auch nicht John D. Rockefeller gebührt der Titel des reichsten Mannes aller Zeiten, sondern Mansa Musa (1280-1337), dem legendären König von Timbuktu, dessen Vermögen an Gold unermesslich gewesen sein soll. Auch der indische Großmogul Akbar (1542-1605), Herrscher über ein Reich, das zu jener Zeit etwa ein Viertel des Weltbruttoprodukts erwirtschaftete, gehört nach einer vom „Time“-Magazin publizierten Studie zu den 10 reichsten Menschen, die jemals auf Erden gelebt haben. Die Berichte portugiesischer Händler über den verschwenderischen Luxus an Textilien, edlen Steinen, Waffen und Gerät aus Gold und Silber am Hofe der Großmoguln begründeten einen Mythos von orientalischer Prachtentfaltung und Reichtum, der bis heute fortbesteht. Akbars Nachfolger Janhangir und Shah Jahan verstanden es, den Mythos zu wahren bis Aurangzeb den Niedergang einleitete und das Mogulreich 1739 zur leichten Beute des persischen Eroberers Nadir Shah wurde. Sein Raub der Schätze der Großmoguln, der mehrere Karawanen benötigte, gilt seither als die größte Plünderung der Weltgeschichte. Es waren dann die Fürsten der Nachfolgestaaten im nordwestlichen Indien, die Maharadschas der „princely states“, die den Mythos vom unermesslichen Reichtum fortführten, die es verstanden, sich mit den neuen Machthabern in Britisch-Indien zu arrangieren und die an ihren Höfen orientalische Pracht und Luxus bis ins 20 Jahrhundert zelebrierten. Die Paläste der Rajputen in Jaipur, Hyderabad oder Jodhpur und ihre Schatzkammern wurden so die Fixpunkte von Träumen aus 1001 Nacht.

Nun können zum allerersten Male in der westlichen Welt die Realitäten eines solchen Traumes in einer Ausstellung und in einem dazu erschienenen Katalogbuch bewundert werden. GajSingh II, der Maharadscha von Marwar-Jodhpur hat etwa 300 Kostbarkeiten auf Reisen geschickt und sie werden, ergänzt um Exponate aus dem Besitz ihrer Majestät Elisabeth II und aus der Sammlung al-Sabah in Kuwait im Museum of Fine Arts in Houston (bis August 2018), im Seattle Art Museum (bis Januar 2019) und im Royal Ontario Museum in Toronto (bis September 2019) ausgestellt. Der Blick auf die Rituale, Zeremonien, Insignien und Objekte eines indischen Königreiches wird dabei keineswegs getrübt durch den Umstand, dass dieses Königreich seit der Mitte des 20. Jahrhunderts nicht mehr existiert und Teil des indischen Bundesstaates Rajasthan geworden ist, und dass mit der Abschaffung des Adelsstandes der Titel Maharadscha nur noch die Ehrenbezeichnung eines Privatiers ist. GajSingh II, geboren 1948, wurde nach dem tragischen Tod seiner Eltern bei einem Flugzeugabsturz schon 1952 als Vierjähriger zum Maharadscha berufen, an englischen Colleges ausgebildet und hat schon als junger Mann die Verantwortung für die Tradition seiner fürstlichen Herkunft akzeptiert. Er hat den Mehrangarh-Museums-Trust gegründet, der in der gewaltigen Festungsanlage Mehrangarh, hoch über der Stadt Jodhpur ein international beachtetes Museum zur Geschichte des Königreichs Marwar-Jodhpur betreibt, er hat Teile seines privaten Umaid-Bhawan-Palastes für ein Familien-Museum und vor allem für eines des schönsten Hotels dieser Welt zur Verfügung gestellt und ist darüber hinaus in vielfacher Weise als Mäzen für die Tradition und Kultur eines rajputisch-indischen Königreichs aktiv geworden. GajSingh II, der 38ste Maharadscha von Marwar hat als privater Bürger einer Demokratie und ohne die Macht seiner Vorfahren die Familientradition einer aus einer alten hinduistischen Militäraristokratie hervorgegangenen Dynastie ins 21. Jahrhundert geführt.

Ausstellung und Katalog, kuratiert und herausgegeben vom Direktor des Mehrangarh Museum Trust, Karni Jasol, und der Nichte des Maharadscha, Angla Jhala, erfassen den historischen Zeitraum vom 16. bis zum 20. Jahrhundert. Miniaturen, Zeichnungen, Aquarelle und Gouachen gewähren Einblick in höfisches Zeremoniell und königliche Vergnügungen. Waffen und Schmuck bleiben auch im 18. und 19. Jahrhundert dem Mogulstil weitgehend treu während sich in Textilien, Mobiliar, Kleidung und Gebrauchsgegenständen lokale Besonderheiten aber auch der zunehmende Einfluss der britischen Kolonialherrschaft erkennen lassen. Spätestens zu Beginn des 20. Jahrhunderts entdecken die Maharadschas das „shopping“ in London oder Paris und europäischer Luxus und Lebensstil beginnt das traditionelle Kunsthandwerk zu verdrängen. Der von 1923 bis 1943 von Maharadscha Umaid Singhnach Plänen des britischen Architekten Henry Vaughan Lanchester erbaute Umaid-Bhavam-Palast und seine von dem polnischen  Künstler Stefan Norblin im Stil des Art Deco entworfene Inneneinrichtung ist dafür das beste Beispiel. Mit einer überbauten Grundfläche von 14.000 qm ist dieses Bauwerk einer der größten und eindrucksvollsten Paläste Rajasthans, ein Denkmal einer nun vergangenen Epoche. Der Rolls-Royce mit einer Sonderkarosserie aus poliertem Aluminium von 1927 und das Leichtflugzeug Sentinel der Stinson Aircraft Company., mit dem der Großvater von Maharadscha GajSingh II zum Pionier der indischen Luftfahrt wurde, sind einzigartige Dokumente einer Zeitenwende auf dem Subkontinent.

Essays namhafter Autoren über die Geschichte der Dynastie von Rathore und ihres Königreichs, über die Architektur und Landschaft am Rande der Wüste Thar, über das kriegerische Erbe der Dynastie und ihre Waffen, über die Bedeutung von Handel, königlicher Patronage und die dominierende Rolle der Frauen am Hofe, über die Maltradition von Jodhpur und schließlich die detaillierte technische und kunsthistorische Verortung eines dem späten Mogulstil zuzurechnenden Zeltes aus dem Mehrangarh Museums aus der Feder von Peter Andrews machen den Katalog zu einem herausragenden Dokument des Indien der Maharadschas.

Print Friendly, PDF & Email