The World of the Fatimids

The World of the Fatimids

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 Autor/en:        Assadullah Souren Melikian-Chirvani

Verlag:           Hirmer Verlag

Erschienen:    München 2018

Seiten:            376

Buchart:         Hardcover

Preis:              € 58,00

ISBN:             978-3-7774-3037-9

Kommentar:  Michael Buddeberg

 

Besprechung:

 Der Blick des Westens auf den Islam, auf die islamischen Länder vom Norden Afrikas bis nach Indonesien und vom Subkontinent bis nach Zentralasien, der Blick auf die islamische Kultur und insbesondere die islamische Kunst ist oft pauschal und wenig differenziert. So wie es falsch wäre, die Kunst Italiens, Frankreichs, Deutschlands oder anderer Länder Europas unter dem Begriff „christliche Kunst“ zusammenzufassen, ist es falsch und irreführend Kunstäußerungen unter der Herrschaft des Islam über einen Kamm zu scheren; zu weit gespannt sind der geographische und der historische Rahmen und gänzlich verschieden die Wurzeln und Traditionen aus denen Handwerker und Künstler ihre Werke schufen. Die ob ihrer Seltenheit nur wenig bekannte, in ihrer Ästhetik aber einzigartige Kunst der Fatimiden ist hierfür ein treffendes Beispiel.

Im Jahre 267H/909AD eroberte der schiitische Führer Abdallah al-Mahidi das maghrebinische Ifriquiya (das heutige Tunesien). Er folgte der ismailitischen Doktrin der Schia, die sich für Nachkommen von Ali und Fatima, der Tochter des Propheten, halten. 969 eroberten die Fatimiden Ägypten und verlegten vier Jahre später ihre Hauptstadt nach Kairo, einer Neugründung am Nil, nahe der alten Stadt Fustat. Auf dem Höhepunkt ihrer Macht im 11. Jahrhundert kontrollierten die Fatimiden den Maghreb, Sizilien und Teile des islamischen Spanien, Mekka und Medina, den Jemen und einen Teil Palästinas und Syriens. Handel, Kultur und Wissenschaft erlebten eine Blüte bis gegen Ende des Jahrhunderts, ausgelöst durch  das Vordringen der Seldschuken und der Kreuzfahrer, vor allem aber durch eine Dürreperiode mit nachfolgendem Staatsbankrott, der Niedergang der Dynastie begann. Die Zahlungsunfähigkeit des Kalifen führte zur Zerstörung der Paläste und der totalen Plünderung des Kalifenschatzes durch seine Soldaten, eine Katastrophe für den Herrscher und zugleich eine Chance für die Kunstgeschichte da Geschichtsschreiber genaue Beschreibungen des geplünderten und heute in Museen und Sammlungen des Westens verstreuten Schatzes hinterließen.

Der Katalog einer Ausstellung zum 60jährigen Jubiläum seiner Hoheit Aga Khan als dem 49. Imam der rund 20 Millionen Ismailiten in dem von ihm errichteten und nach ihm benannten Museum in Toronto ist eine umfassende Darstellung der Welt der Fatimiden. In 14 reich illustrierten Essays werden die Geschichte dieser Dynastie und die Spuren, die sie in Kairo, in Ägypten und in den angrenzenden islamischen und christlichen Regionen hinterlassen hat, untersucht. Literatur, Kalligraphie und Geisteswissenschaften sind die Themen, vor allem aber die materielle Kultur des Fatimidenreiches. Die Architektur, präsentiert durch mächtige Stadttore des alten Kairo, vor allem aber durch die von den Fatimiden begründeten Moscheen al-Azhar und al-Hakim vermittelt einen Eindruck einer machtbewussten und zugleich religiös geprägten Bauwerkskultur, auch wenn nach den Änderungen und Renovierungen eines nunmehr ein Jahrtausend währenden Gebrauchs der Tore und Moscheen von der ursprünglichen Substanz und ornamentalen Ausstattung nur noch Fragmente erhalten sind. Von den Palästen der Kalifen ist außer Spuren von Fundamenten nichts geblieben. Mit heraldischen und höfischen Szenen beschnitzte Balken und Fragmente von dekorierten Wandvertäfelungen aus Marmor werden als rare Zeugen einer in der islamischen Welt einzigartigen Palastarchitektur gedeutet. Der zentrale Beitrag ist dem unfassbaren Reichtum und schwelgerischen Luxus am fatimidischen Hofe gewidmet, wie er  vor allem aus historischen Beschreibungen bekannt ist. Archäologische Funde, gar solche mit bekanntem Fundzusammenhang, sind so gut wie nicht vorhanden und so sind die in westlichen Kirchenschätzen und königlichen Sammlungen erhaltenen Objekte seltene Zeugnisse einer nur aus zeitgenössischen Beschreibungen bekannten luxuriösen Hofkultur. Hier sind es vor allem Bergkristallgefäße, Kannen für Wein oder Wasser mit kunstvoll geschliffenem Dekor zu erwähnen, manche versehen mit den Namen von fatimidischen Kalifen oder Staatsbeamten und später von europäischen Goldschmieden kunstvoll gefasst mit Gold und Vermeil. Ein weiterer Höhepunkt fatimidischen Kunsthandwerks ist die Lüsterkeramik, keine Erfindung der Fatimiden zwar, doch mit der satt goldenen Farbgebung zur Perfektion gebracht und mit Motiven und Darstellungen aus dem täglichen Leben, mit Straßenszenen oder Hahnenkämpfen ebenso wie mit königlicher Symbolik, geflügelten Löwen und Jagdszenen, von narrativer Kraft und Vielfalt. Auch Textilien und kostbare Kleidung hatten einen hohen Stellenwert innerhalb des fatimidischen Hofzeremoniells, wovon die eleganten aber nur fragmentarisch erhaltenen Tiraz-Stoffe Zeugnis ablegen. Filigran gewebte und gewirkte Kufi-Inschriften mit Segenssprüchen für den Propheten und den Kalifen sind wunderbare Beispiele eines verfeinerten Geschmacks aber auch der pharaonisch-koptischen Wurzeln der fatamidischen Kunst und Kultur.

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