Raffinesse im Akkord – Meissener Porzellanmalerei und ihre grafischen Vorlagen

Raffinesse im Akkord – Meissener Porzellanmalerei und ihre grafischen Vorlagen

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 Autor/en:      Claudia Bodinek (Hrsg)

Verlag:           Michael Imhof Verlag

Erschienen:    Petersberg 2018

Seiten:           2 Bände: 128, 640

Buchart:         Leinen mit Schutzumschlag

Preis:             € 135,00

ISBN:             978-3-7319-0472-4

Kommentar:  Michael Buddeberg

 

Besprechung:

Angefacht durch die von den „ostindischen Kompanien“ im 17. Jahrhundert nach Europa gebrachten Luxuswaren aus China und Japan wie Seide, Lackwaren, Porzellan und sogar Möbel, vor allem aber auch durch zeitgenössische Reiseberichte der Jesuitenmissionare entwickelte sich etwa seit der Mitte des 17. Jahrhunderts eine regelrechte Chinabegeisterung. Die Faszination eines ebenso fernen wie geheimnisumwitterten Landes ganz weit im Osten kleidete der Philosoph Leibniz 1697 in die Frage: „Aber wer hätte einst geglaubt, daß es auf dem Erdkreis ein Volk gibt, das uns, die wir doch nach unserer Meinung so ganz und gar zu allen feinen Sitten erzogen sind, gleichwohl in den Regeln eines noch kultivierteren Lebens übertrifft?“ Architekten, Künstler und Designer folgten dem Phänomen und mit der Chinoiserie war eine an chinesischen Vorbildern orientierte Stilrichtung der Kunst geboren, die besonders im 18. Jahrhundert populär war und auf die vermeintlich heile Welt der Chinesen verweisen sollte. Als dann der Alchimist Johann Friedrich Böttger um 1708 die Rezeptur von Porzellan entdeckte und August der Starke auf der Albrechtsburg in Meissen die erste europäische Porzellanmanufaktur errichtete, war das geradezu ideale Medium für die Chinoiserie der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts geschaffen.

Der Name Johann Greogorius Höroldt ist untrennbar mit den ersten Jahrzehnten des Meissener Porzellans verbunden. „Die 1720er Jahre und die Höroldt-Chinoiserien“ ist daher auch ein zentrales Thema des von Claudia Bodinek im Auftrage der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden herausgegebenen zweibändigen Forschungsberichts über die Meissener Porzellanmalerei und ihre grafischen Vorlagen. Der als Miniatur- und Emailmaler ausgebildete Höroldt kam 1720 nach Meissen, arbeitete dort zunächst mit eigenem Mitarbeiterstab als sogenannter Hausmaler auf eigene Rechnung, bevor er 1731 mit seinem auf knapp 40 Maler und Lehrlinge angewachsenen Personal von August dem Starken in die Manufaktur übernommen, als „Hofcommissarius“ ernannt und mit der Gesamtaufsicht über die Manufaktur betraut wurde. Seine Chinoiserien wurden zum unverwechselbaren Kennzeichen des frühen Meissner Porzellans: eine heitere oft groteske Welt, die im chinesischen Gewand ebenso das Paradies wie die Misere des Alltags schilderte. Höroldts Malerei, auch die ab 1725 hinzu genommenen Kauffahrteiszenen und Hafenbilder, blieb stets miniaturhaft klein und fast stets von Ranken, Kartuschen und allerlei rokokoeskem Beiwerk begleitet. Erstaunlicherweise sind grafische Vorlagen für diesen reichen Corpus früher Meissener Porzellanmalerei kaum nachweisbar. Ein im sogenannten Schulz-Codex zusammengefasstes Konvolut von Zeichnungen war wohl weniger als Vorlage denn als Erinnerungsskizze für weitere Ausformungen gedacht, bleibt aber ein nicht gelöstes Rätsel.

Umso reichhaltiger sind die erhaltenen Vorlagen für spätere Dekore, etwa mit zunächst „indianischen“ Blumen, die, bereichert mit Schmetterlingen, Raupen und anderen Insekten mehr und mehr den europäischen Vorbildern angenähert werden, mit mythischen und real existierenden exotischen und einheimischen Tieren und schließlich, beginnend mit dem umfangreichen Werk von Stichen nach Antoine Watteau und seinen Zeitgenossen und Nachfolgern wie Francois Boucher und Nicolas Lancret, den galanten Szenen, die so gut in das Zeitalter des Rokoko passen. Den Meissener Porzellanmalern stand natürlich in erster Linie der firmeneigene und seit den Anfängen der Manufaktur gepflegte Vorlagenbestand zur Verfügung, der noch heute trotz zahlreicher Revisionen und Abgänge ca. 22.500 Einzelblätter und 200 gebundene Konvolute umfasst. Ein Beitrag befasst sich mit diesem, lange als reines Arbeits- und Gebrauchsmaterial angesehenen Bestand, der erst seit jüngerer Zeit als ein aufzubewahrendes Kulturgut angesehen und bewahrt wird. Unübersehbare Gebrauchsspuren, Falten, Risse und Fehlstellen machen deutlich, dass die Benutzung der Blätter als grafische Vorlage äußerst verschleißintensiv war. Das erklärt auch, dass eine weitere mögliche Vorlagenquelle, das 1720 gegründete Dresdner Kupferstichkabinett, mangels der Unvereinbarkeit des Gebrauchs der Blätter als Malvorlage einerseits und deren Bedeutung als Kunstsammlung andererseits, von der Manufaktur kaum genutzt werden konnte. Zwei Beiträge sind diesem Kupferstichkabinett gewidmet, das auf die 1560 gegründete, kurfürstliche Kunstkammer zurückgeht und damit die älteste grafische Sammlung im deutschsprachigen Raum ist.

Raffinesse im Akkord – Band 2

Den eher schmalen Textband mit 128 Seiten begleitet ein mächtiger, 640 Seiten starker „Katalog“-Band, der, alphabetisch nach Künstlern geordnet, mit mehr als 1.300 Illustrationen nicht weniger als 475 grafische Vorlagen vom 16. bis zum 18. Jahrhundert den nach ihnen bemalten Porzellanobjekten des 18. Jahrhunderts, oft in mehreren, voneinander abweichenden Fassungen gegenüberstellt. Neben den bereits erwähnten Sujets finden sich Ansichten von Landschaften und Architektur, Jagdszenen von Johann Elias Ridinger, Pferdebilder und Reitergefechte von Georg Philipp Rugendas, Mythologisches von Angelika Kauffmann und vieles andere mehr. Das ist nicht nur ein sehenswertes Kompendium zum Bildprogramm der Meissener Porzellanmanufaktur im 18. Jahrhundert sondern auch eine Schule des Sehens. Die Gegenüberstellung von Vorlage und deren Umsetzung auf Porzellan ermöglichst einen ganz neuen Blick auf das weisse, bunt bemalte Gold. Man findet Übereinstimmungen und Abweichungen, Kombinationen von verschiedenen Vorlagen, kleine Details, die der Porzellanmaler hinzufügte oder wegließ aber auch Variationen, die den Charakter der Vorlage ändern; mit jedem der hunderte von möglichen Vergleichen erschließt sich die Welt der Meissener Porzellanmalerei in bisher kaum gekannter Tiefe und Verständnis. Bedauern mag man allein, daß Höroldt´sche Chinoiserien mangels entsprechender Vorlagen so gut wie nicht vertreten sind.

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