Early Chinese Jades in the Harvard Museums

Early Chinese Jades in the Harvard Museums

Autor/en:        Jenny F. So

Verlag:           Harvard Art Museums und Yale University Press

Erschienen:    Cambridge, New Haven und London  2019

Seiten:            360

Buchart:         Hardcover

Preis:              GBP 45,00

ISBN:             978-0-300-23702-3

 

Kommentar:  Michael Buddeberg

So mancher der siegreichen Athleten der olympischen Sommerspiele von 2008 in Beijing mag sich gewundert haben, dass seine Medaille nur zum Teil aus dem edlen Metall, sei es nun Gold, Silber oder Bronze, bestand, während ein nicht unwesentlicher Teil aus farbigem Stein, Gelb für Gold, Grün für Silber und Schwarz für Bronze, gefertigt war. Sollte das eine Sparmaßnahme des chinesischen Veranstalters gewesen sein? Weit gefehlt: Der farbige Stein ist Jade, ein Material, das in China auf eine mehr als siebentausend-jährige, nie unterbrochene Geschichte zurückblickt, das mit vielfacher Bedeutung beladen ist und das wegen seiner spirituellen, heil- und wundersamen Kräfte geschätzt und verehrt wird. Zumindest sein ideeller Wert übertrifft den des Goldes in China bei weitem. Die mit Jade aufgewerteten olympischen Medaillen von Beijing sind ein schöner Beleg dafür, dass Jade auch im modernen China nichts von seinem Nimbus verloren hat.

Die Entstehung dieses Nimbus, die vielfältigen spirituellen, sozialen, politischen, kulturellen, religiösen, philosophischen, künstlerischen und auch technischen Aspekte dieses aus chinesischer Sicht mythischen Materials sind Gegenstand einer Publikation über frühe chinesische Jade, über Jadeobjekte von der Zeit des Neolithikum bis zur Zeitenwende. Verfasst und herausgegeben ist dieses Grundlagenwerk von Jenny F. So, viele Jahre Kuratorin für das alte China an dem zur Smithsonian Institution gehörenden Zwillingsmuseum Freer und Sackler in Washington. Die Referenzobjekte für diese Frühgeschichte chinesischer Jade stammen allerdings nicht aus deren reichen Beständen chinesischer Kunst, sondern aus dem Harvard Art Museum in Cambridge, das mit der Sammlung des amerikanischen Rechtsanwalts und Kunstsammlers Grenville L. Winthrop (1864-1943) die wohl außerhalb Chinas bedeutendste Kollektion früher chinesischer Jade besitzt. Das Buch ist damit eine wunderbare Ergänzung des schon 1975 erschienenen Bestandskataloges der Winthrop´schen Jadesammlung von Max Loehr, eines Kataloges, der mit sorgfältigen Beschreibungen der fast siebenhundert Jadeobjekte zum wichtigen Quellenwerk wurde  – und natürlich längst vergriffen, gesucht, selten und teuer ist. Jenny So ging es bei ihrer langjährigen Arbeit an ihrem Buch nicht um ein update des Loehr´schen Kataloges, sondern um eine ganzheitliche Zusammenfassung der geschichtlichen Entwicklung einer der ältesten und dauerhaftesten chinesischen Kunstformen, wie sie erst durch die sensationellen archäologischen Entdeckungen der vergangenen Jahrzehnte und durch das auf ihnen beruhende wissenschaftliche chinesische Schrifttum möglich wurde.

Anhand von 102 ausgesuchten Jadeobjekten der Sammlung Winthorp wird in fünf Kapiteln in chronologischer Ordnung die vielfältige Rolle der Jade in der chinesischen Kultur, Politik, Philosophie und Religion von ihrem ersten Erscheinen im 5. Jahrtausend v. Chr. bis zur Zeitenwende untersucht. Die Zeitabschnitte sind gegliedert in das prähistorische China (4000 bis 2000 v. Chr.), die Entwicklung in der Bronzezeit (2000 – 1200), die frühen historischen Perioden (1200 – 800), Jade in Zeiten der Krise (800 – 300) und schließlich Jade im frühen kaiserlichen China (300 bis zur Zeitenwende). Die neolithischen Beispiele beeindrucken durch die Monumentalität des Einfachen; ihre Bedeutung bleibt oft rätselhaft. Mit dem neu entdeckten Material Bronze änderte sich die soziale, kulturelle und technologische Struktur Chinas; Bronze wurde zum Katalysator neuer Entwicklungen, Technologien und künstlerischer Stile. Die Konkurrenz mit dem neuen Material war für die Jade aber durchaus kein Nachteil sondern Aufbruch zu neuen Höhepunkten in Ausdruck und Materialbearbeitung. In der Zeit der späten Shang- und den frühen Jahrhunderten der Zhou-Dynastie beeindrucken die ersten vollplastischen Tier- und Menschenbildnisse. Während der östlichen Zhou-Dynastie, die Autorin nennt sie eine Zeit der Krise, gewinnen Jade-Objekte vor allem als Grabbeigaben an Bedeutung; die vermeintlich lebenspendende, ja sogar Unsterblichkeit verleihende Kraft von Jade macht sie zum variantenreichen Accessoire eines fast übersteigerten Begräbniskultes. Feinste Ornamentik, die Verbindung mit Gold und präzise Durchbruchsarbeiten zeugen von höchster technologischer Beherrschung des Materials. Die ersten Jahrhunderte des kaiserlichen China dürfen schließlich mit ihren prachtvollen Bi-Scheiben aber auch mit ersten profanen Gefäßen aus Jade als Höhepunkt einer Entwicklung und Aufbruch in ein neues Zeitalter auch der Jadekunst angesehen werden.

Diesem Parforceritt durch fünf Jahrtausende chinesischer Jadekultur sind Kapitel vorausgeschickt, die sich mit der chemischen und physikalischen Zusammensetzung der Jade, mit ihren Eigenschaften, den unterschiedlichen Vorkommen und Farbvarianten und deren jeweiliger Härte befassen ebenso wie mit den Handelswegen und den Techniken der Bearbeitung. Aus all dem wird deutlich, dass es sich bei der chinesischen Jadekultur um eine Tradition handelt, die vom Neolithikum bis heute das politische und soziale Leben Chinas prägte, ein Symbol für Kraft, Schönheit und Unsterblichkeit und in der chinesischen Lebenswirklichkeit so verwurzelt, dass eine olympische Medaille ohne Jade einfach nicht ins chinesische Weltbild passt.

 

 

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