Sieben Schätze – Eine Wunderkammer des japanischen Cloisonné

Sieben Schätze – Eine Wunderkammer des japanischen Cloisonné

 

Autor/en:        Stephan von der Schulenburg, Matthias Wagner K (Hrsg)

Verlag:           Wienand Verlag

Erschienen:    Köln 2019

Seiten:            272

Buchart:         Hardcover

Preis:              € 45,00

ISBN:             978-3-86832-516-4

 

Kommentar:  Michael Buddeberg

 

Irgendwann war einfach die Zeit reif und das Cloisonné, jene kunsthandwerkliche Technik, die so genial die Dauerhaftigkeit von Metall mit der Leuchtkraft von farbigem Glas verbindet, entwickelte sich an verschiedenen Orten und unabhängig voneinander zur Kunstform. Während europäisches Cloisonné im späten Mittelalter in Limoges eine Blütezeit erlebte, war es nahezu zeitgleich auch in China angekommen. Vor allem unter dem Ming-Kaiser Wanli (1573-1620) entstanden bezaubernd farbharmonische Arbeiten, die von den Prunkstücken aus den kaiserlichen Werkstätten von Qianlong (1736-1795) nur noch in Perfektion und Originalität überboten wurden. Erstaunlich nur, dass diese Technik in Japan, das einen guten Teil seiner Kultur und Kunst dem großen Nachbarn China verdankt, in all den Jahrhunderten nicht Fuß fassen konnte. Bis in die späte Edo-Zeit sind Cloisonné-Arbeiten in Japan nur in geringer Zahl und Qualität nachweisbar.

Dass das Cloisonné in Japan dann doch noch eine erstaunliche, wenn auch späte Karriere erlebte, ist eine spannende Geschichte, die eng mit der dramatischen Entwicklung Japans in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verbunden ist. Mit dem Erscheinen übermächtiger schwarzer amerikanischer Kanonenboote in der Bucht von Edo am 4. Juli 1853 endete die mehr als zweihundertjährige Isolation Japans. Die Tage des Tokugawa-Shogunats und der Samurai waren gezählt und unter der Herrschaft des Kaisers Meiji begann ab 1867 eine fast revolutionäre wirtschaftliche und politische Modernisierung Japans, das von einem ländlichen Feudalstaat zur Industriemacht aufstieg. Das ging nicht von heute auf morgen und nicht ohne eine parallele Japanbegeisterung des Westens, für den das ferne Inselreich und seine fast unbekannte und raffinierte Hochkultur und Kunst zu einer Art Modetrend wurde. Was Japan damals vor allem zu bieten hatte war sein hoch entwickeltes Handwerk und so begann für dieses eine neue Blütezeit.. Das Verbot des Schwerttragens tat das Seine dazu, und eine ganze Zunft von Metallhandwerkern musste sich neu orientieren. Die Präsenz auf der Weltausstellung 1873 in Wien hatte für Japan nationale Bedeutung und der Westen staunte nicht nur über edle Lackarbeiten, farbenprächtige Kimonos, lebendige Farbholzschnitte und kostbares Porzellan, sondern auch über äußert kunstfertige Cloisonnéarbeiten. Für Japan war diese Weltausstellung ein sensationeller Erfolg und nicht von ungefähr ging der erste Preis dieser Leistungsschau der Nationen an die erst 1871 gegründete Nagoya Cloisonné Company. Die Japan-Mode im Westens gebar eine enorme Nachfrage, japanisches Kunstgewerbe wurde zum Exportschlager und das ohne historische Vorbilder für den westlichen Geschmack entworfene Cloisonné half ganz wesentlich bei der Finanzierung der immensen Kosten für die Modernisierung und Industrialisierung des Landes.

Das Museum Angewandte Kunst in Frankfurt erhielt im Jahre 2016 eine anonyme Schenkung von rund vierhundert hochwertigen japanischen Cloisonné-Arbeiten, die bis zum 22. September 2019 in der Ausstellung „Sieben Schätze – Eine Wunderkammer des japanischen Cloisonné“ zu sehen sind. In dem begleitenden Katalog werden 170 der schönsten und wichtigsten Arbeiten dieser bedeutenden Studiensammlung, die in Europa nur noch von der des Victoria & Albert Museum übertroffen wird, detailliert in Wort und Bild vorgestellt. Der Anhang dokumentiert die Meister dieser Handwerkskunst, ihre Werkstätten, Marken und Signaturen und illustriert den Herstellungsprozess mit historischen Fotografien aus der Werkstatt und Residenz des Cloisonné-Meisters und „Kaiserlichen Kunsthandwerkers“ Namikawa Yasuyuki (1845-1927), des wohl erfolgreichsten und bestverdienenden Cloisonné-Meisters aller Zeiten.

Das im Katalog vorgestellte japanische Cloisonné erfasst einen Zeitraum von den Anfängen im 16. bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts. Der Schwerpunkt liegt aber ganz deutlich in der Zeit von 1880 bis in die ersten Jahre des 20. Jahrhunderts als diese Handwerkskunst durch die internationale Nachfrage ebenso wie durch staatliche Förderung und erstaunliche Innovationen ihren technischen und künstlerischen Höhepunkt und atemberaubenden Erfolg als japanische Exportware erlebte. Das prägt diese Objekte, deren Herkunft aus Japan oft erst auf den zweiten Blick erkennbar ist. Die gewiss bewusste Übernahme westlicher Ästhetik des späten 19. Jahrhunderts lässt Formen und Dekore oft eigenartig hybrid erscheinen und gleichermaßen dem europäischen Historismus und auch dem frühen Jugendstil wie der spezifisch japanischen Darstellung von Pflanzen und Blumen zuordnen. Zu dieser eigentümlichen Kunstform hat neben japanischen Meistern wohl auch der deutsche Chemiker Gottfried Wagener entscheidend beigetragen, der seit 1884 an der Kunst- und Gewerbeschule Tokio tätig war und wichtige Beiträge für die Cloisonné-Technik geleistet hat.

Neben dem Reigen künstlerisch und technisch herausragender japanischer Cloisonné-Arbeiten, von denen hier als Beispiel für viele nur diejenigen erwähnt sein sollen, bei welchen in dem sogenannten Plique-à-jour-Verfahren der als Träger für die Glasmasse dienende Metallkorpus nachträglich durch Säure wieder entfernt wird, um die Transparenz des bunten Glases sichtbar zu machen, ist der Katalog vor allem wegen der spannenden Geschichte des japanischen Cloisonné zu empfehlen. Sie ist beispielhaft für die erfolgreichen Bemühungen der japanischen Verwaltung der Meiji-Zeit durch eine Förderung und Wiederbelebung des Kunsthandwerks wirtschaftlichen Erfolg als Voraussetzung für die Modernisierung des Landes zu generieren. In den Bereichen Keramik und Textilien wurde in der Meiji-Ära ein ähnlicher Weg beschritten.

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