Islamic Art – Past, Present, Future

Islamic Art – Past, Present, Future

 

Autor/en:        Jonathan Bloom, Sheila Blair (Hrsg.)

Verlag:           Yale University Press

Erschienen:    New Haven und London 2019

Seiten:            344

Buchart:         Hardcover mit Schutzumschlag

Preis:              GBP 50,00

ISBN:             978-0-300-243475

 

Kommentar:  Michael Buddeberg

 

„Good is beautiful and loves beauty“  ist ein im Zusammenhang mit der Erklärung oder Definition islamischer Kunst oder islamischer Ästhetik immer wieder zitierter Ausspruch des Propheten Mohammed. Der mittelalterliche muslimische Schriftgelehrte Ibn Al-Qayyin (1292-1350) wird mit seinem Kommentar dieses Hadith noch genauer: „Gott ist nur zu erkennen durch Schönheit, die nichts ihresgleichen hat und zu verehren mit den Mitteln der von Ihm geliebten Schönheit von Worten, Taten und Verhalten.“ In der Kunst und Architektur traditioneller islamischer Gesellschaft war künstlerische Kreativität stets ein Akt der Verehrung Gottes, das Bemühen um eine Schöpfung, die aus Material und Form und einer Synthese aus Schönheit und Funktionalität in erster Linie den Zweck verfolgt, die Natur Gottes zu erkennen und die Nähe zu Ihm herzustellen. Das westliche Verständnis traditioneller islamischer Kunst und Architektur entsprach dem – wenn auch mit geringerem Religionsbezug – weitgehend; jedenfalls wurden islamische Architektur und islamische Kunst, sei es nun Kalligraphie, Metallarbeiten, Keramik oder Miniaturen ihrer spezifischen Schönheit wegen geschätzt und gesammelt.

Auch das seit 2005 im zweijährigen Turnus veranstaltete „Hamad bin Khalifa Symposium“ zur islamischen Kunst – eine Kooperation des Golfstaates Katar mit der Virginia Commonwealth University – hatte unabhängig vom jeweiligen Schwerpunktthema (Wasser, Farbe, Schrift) stets die Schönheit islamischer Kunst im Fokus. So trug das 2011 in Doha durchgeführte Symposium, das ausgewählte Objekte des im November 2009 neu eröffneten Museums für Islamische Kunst in Doha zum Gegenstand hatte, und der 2013 dazu erschienene Symposiumsband bezeichnenderweise den Titel „God is Beautiful and Loves Beauty – The Object in Islamic Art and Culture.“ Mit dem soeben erschienenen Symposiumsband „Islamic Art – Past, Present, Future“, der aus dem gleichnamigen Symposium vom November 2017 hervorgegangen ist, wird nun erstmals schwerpunktmäßig die moderne und zeitgenössische Kunst behandelt und der seit Jahrhunderten geltende Zusammenhang zwischen Kunst, Schönheit und Gottesbeweis in Frage gestellt. Zwölf international bekannte Wissenschaftler, Künstler, Sammler und Kuratoren versuchen Antworten auf Fragen zu finden wie: „Muss es sich um Kunst aus dem Mittleren Osten handeln?“ oder „Ist eine religiöse Komponente erforderlich?“ oder „Muss der Künstler Moslem sein?“ und schließlich „Ist die Verwendung des Begriffs islamisch in Verbindung mit moderner und zeitgenössischer Kunst überhaupt noch releveant?“

Es besteht in Fachkreisen weitgehender Konsens, dass qualitätvolle und genuine islamische Kunst im traditionellen Sinne im 19. Jahrhundert unter dem Einfluss des Westens faktisch nicht mehr hergestellt wurde bzw. zum rein Dekorativen verkommen war. Mit dem einsetzenden Prozess der Globalisierung der Kunst, der sich vor allem in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vehement beschleunigt hat, drängten seit dem Ende des 20.Jahrhunderts Künstler aus islamischen Ländern, oft in der Diaspora lebend, auf den internationalen Kunstmarkt, woselbst der stets nach Neuem suchende Kunsthandel und in seinem Gefolge Auktionatoren für einen Boom der „Modern and Contemporary Islamic Art“ sorgten. Große internationale Museen aber auch auf Ethnologie ausgerichtete Häuser begannen mit dem Sammeln dieser Kunst, ohne sich groß mit der Frage zu befassen, ob bzw. was an dieser Kunst islamisch ist. Die Beiträge von Linda Komaroff für das Los Angeles County Museum of Art und von Venetia Porter für das British Museum beleuchten die Beweggründe, auch diese Kunst in ihren Sammlungen zu berücksichtigen sowie die Kriterien bei der Wahl der Werke. Die jordanische Prinzessin Wijdam Fawas Al Hashemi, eine international renommierte Kunsthistorikerin, Diplomatin sowie Gründungsmitglied und Kuratorin der jordanischen Nationalgalerie vertritt in ihrem Essay sehr engagiert die Meinung, dass es schlicht falsch sei, diese Kunst noch als „islamisch“ zu bezeichnen. Entwurf und Praxis der Globalisierung der Kunst hätten die physischen, mentalen und kulturellen Grenzen zwischen Ländern, Traditionen, Überzeugungen und Menschen so weit aufgebrochen, dass sich das Attribut „islamisch“ nicht mehr rechtfertigen ließe. Auch die große Zahl und Vielfalt neuer Medien wie Installationen oder Videokunst und viele andere mehr, trügen dazu bei, sich von überkommenen Begriffen zu lösen. Ästhetik und Schönheit spielten in moderner und zeitgenössischer Kunst ebensowenig eine Rolle wie die religiöse Pflicht, durch perfekte künstlerische Arbeit, Gott zu ehren. Eine Ausnahme von dieser sehr radikalen aber konsequenten Auffassung mag für diejenigen Werke gelten, die die arabische Schrift zum Gegenstand haben und (noch) in der Tradition der Kalligraphie stehen. Ein Beispiel sind hier die von der marokkanischen Fotografin Lalla Essaydi selbst vorgestellten, großformatigen Ganzkörperportraits, bei welchen die dekorative Funktion arabischer Schriftzeichen aber auch die Dekoration der Haut mit Henna zur Bildwirkung beitragen. Essaydis jüngste Kreationen, bei der orientalische Ornamentik mit Munition nachgestellt wird, zeigen aber auch hier die Ablösung von traditionellen Bildmitteln.

Neben diesen ungemein spannenden und kontrovers diskutierten Fragen nach dem „islamischen“ in der modernen und zeitgenössischen Kunst, gibt es nicht weniger interessante Beiträge des Fotokünstlers Hassan Hajjaj, der indischen, in New York lebenden Miniaturmalerin Shahzia Sikander und der iranischen Fotojournalistin Newsha Tavakolian. Mohammad al-Asad stellt fest, dass die zeitgenössische Architektur in islamischen Ländern vor allem durch westliche Stararchitekten und durch den Wettlauf um die modernsten Technologien geprägt wird. Nada Shabout beschäftigt sich mit der Frage, warum zeitgenössische iranische Künstler fast ausnahmslos in der Diaspora arbeiten, Nacim Pak-Shiraz sieht in Revolution, Zensur und Importverbot einen Kreativitätsschub für den iranischen Film und Stefano Carboni berichtet über das in künstlerischer Hinsicht zu Unrecht meist vernachlässigte Südostasien. Die für die katarischen Museen zuständige Sheikha Al Mayassa, die Schwester des amtierenden Emirs von Katar, betont schließlich in ihrem einführenden Essay die führende Rolle Katars in der Pflege und Präsentation islamischer Kunst und Kultur, wie sie durch das Hamad bin Khalifa Symposium eindrücklich bestätigt wird.

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