Weise Collection – Botschafter aus dem Orient

Weise Collection – Botschafter aus dem Orient

 

Autor/en:        Silke und Roland Weise

Verlag:           Eigenverlag

Erschienen:    Traunstein 2019

Seiten:            92

Buchart:         Hardcover

Preis:              € 35,00

ISBN:             keine

 

Kommentar:  Michael Buddeberg

 

Die Kunst- und Wunderkammern, die sich Herrscher, Fürsten und Gelehrte in der Zeit der Spätrenaissance und des Barock einrichteten sind der vielleicht kennzeichnendste und liebenswerteste Ausdruck des damaligen Zeitgeistes. Die Dunkelheit des Mittelalters war der Morgendämmerung der Neuzeit gewichen, man erinnerte sich der Errungenschaften der Antike, und das Zeitalter der Entdeckungen weitete den Horizont Europas in bislang unbekannte Teile der Welt. Mit höchster Meisterschaft von Goldschmieden verzierte Pokale aus Kokosnuss, aus tropischen Muscheln oder Straußeneiern, Narwalzähne, die für das legendäre Einhorn standen, Schnitz- und Drechselkunstwerke aus Elfenbein, Korallenbäume und andere Kuriositäten, Wunderwerke der Natur und der menschlichen Kunstfertigkeit versammelten sich in der Wunderkammern jener Zeit, um dem Betrachter über Staunen, Entdecken und Verstehen neue Erkenntnisse zu vermitteln.

 Eine Sammlung von Textilien und Teppichen ganz im Geiste jener Kunst- und Wunderkammern der Spätrenaissance und des Barock ist (war) in der Zeit vom 15. September bis zum 6. Oktober 2019 im neuen Kulturforum Klosterkirche Traunstein zu sehen und ist darüber hinaus in einem in kleiner Auflage (300 Exemplare) im Eigenverlag der Sammler herausgegebenen Katalog zu bewundern. Die Sammler, Silke und Roland Weise, versprechen auf dem Titelblatt des Kataloges „2000 Jahre Textilkunst“ und dieses Versprechen wird voll und ganz eingelöst. Eine skythische Wirkarbeit aus dem Altai mit einer farblich ungemein ausgewogenen Darstellung von Rentieren oder Elchen, radiocarbondatiert in das erste Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung und ein mit 1898 datierter und mit Widmung versehener Khan-Teppich der Bachtiaren mit einem farbenprächtigen Lebensbaummotiv geben den Rahmen, der mit exzellenten Beispielen von Teppichen, Flachgeweben, Webarbeiten und Stickereien von der Westküste Nordafrikas bis nach China ausgefüllt ist; es ist ein kaum je in dieser Vielfalt gesehenes Kaleidoskop der Textilkunst. Eine über einhundert Jahre alte Schmuckdecke der Ait Ouaizguite, flachgewebt mit geknüpften Partien im Originalzustand steht für Marokko, bevor mit einem bis dato unbekannten Fragment eines ägyptischen Schlaufenteppichs des 4. bis 6. Jahrhunderts ein erster der vielen Höhepunkte gesetzt wird. Anatolien ist aus dem 19. Jahrhundert mit repräsentativen Teppichbeispielen aus Melas, Konya und Kirsehir vertreten, vor allem aber mit einem kleinen Karapinar des 16. Jahrhunderts und einem „Double-Keyhole-Teppich“ aus dem 17. Jahrhundert, dessen Bordürengestaltung besonders eindrucksvoll ist. Ein perfekter Lotto, um 1500, und ein Ushak-Fragment mit dem seltenen Cintamani-Feldmuster sind seltene Raritäten und verblassen doch fast neben zwei geheimnisvollen, in Tibet gefundenen Teppichfragmenten des 14./15. Jahrhunderts und einem ähnlich ehrwürdigen Fragment eines anatolischen Tierteppichs (beide radiocarbondatiert). Eine Bursa-Seide, um 1600, ruhte Jahrhunderte in der Mustersammlung einer Lyoner Seidenmanufaktur und präsentiert sich doppelbahnig in silber- und goldglänzendem Originalzustand. Auch aus dem Kaukasus und Aserbeidschan dominieren neben einigen „best-of-its-type“-Exemplaren des 19. Jahrhunderts ungewöhnliche und einzigartige Beispiele sowie eine Seidenstickerei des 17. Jahrhunderts, die einst in der Sammlung „Orient Stars“ zu bewundern war. Persien ist neben perfekten „Brücken“ bester Provenienz mit feinst gearbeiteten, goldbroschierten Seidengeweben der Qadjaren- und der Safawidenzeit vertreten und natürlich mit exquisitem Taschenmaterial (davon die meisten bereits 2010 in dem Traunsteiner Katalog „Zweck und Zier“ publiziert). Turkmenistan prunkt mit einer Salor-Torba, die nichts ihresgleichen hat, mit einem frühen Vogel-Asmalyk der Tekke, ausgefallenen frühen Hauptteppichen und drei vollständigen Zeltbändern. Der Sammler hat verraten, dass diese 15 publizierten Turkmenen nur die “Spitze des Eisbergs“ sind, was auch für die exquisiten Belutschen, bevorzugt mit dem seltenen Vogelmuster gilt. Aus Indien sind textile Kostbarkeiten zu sehen, darunter ein Mogul Gebetsteppich in Stepptechnik und das Fragment eines Teppichs mit Holbein-Muster, der einer Expertenmeinung zufolge im 15. Jahrhundert in Deccan geknüpft wurde. Wunderschöne Susanis und leuchtende Samtikat-Paneele, das Fragment eines wohl kaiserlichen Palast-Teppichs aus der Zeit der Ming-Dynastie, eines des besterhaltenen Exemplare einer chinesischen Goldstickerei mit Phönixen und Wolkenbändern aus der Liao- oder Jin-Dynastie und schließlich der Drachenteppich aus der Zeit des Kaisers Kangxi, der aus dem Besitz des deutschen Diplomaten H.A.Lorentz stammt, führen nach Zentralasien und China.

Es ist hier nicht der Platz, alle der ca. 80 im Katalog in exzellenter Druck- und Farbqualität veröffentlichten Kostbarkeiten zu erwähnen, die von Silke und Roland Weise in vier Jahrzehnten gesammelt und die nun zwar knapp, doch mit Angaben zur Provenienz, mit vielen Literaturhinweisen und oft auch mit persönlichen Anmerkungen und kleinen Teppichgeschichten beschrieben werden. Und – erstaunlich genug bei solch textiler Qualität und Prominenz – viele der Stücke sind weltweit erstmalig in diesem Katalog publiziert. So kommt man aus dem Staunen nicht heraus, entdeckt Seltenes oder nie zuvor Gesehenes und gewinnt neue Erkenntnisse, ganz so, wie es vor hunderten von Jahren den ausgesuchten Besuchern fürstlicher Wunderkammern erging.

Der Katalog kann für € 35,00 zzgl. Versandkosten per Email – rs.weise@hemc.de – bestellt werden. Eine Empfehlung: Bestellen Sie den Taschenkatalog „Zweck und Zier“ (€ 15,00) gleich mit.

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