The Tower of Trongsa – Religion and Power in Bhutan

Autor/en: Christian Schicklgruber
Verlag: Snoeck Publishers und Benteli-Verlag (siehe unten)
Erschienen: Gent 2009
Seiten: 176
Ausgabe: Klappenbroschur
Preis: € 32.–
ISBN: 978-90-5349-711-1
Kommentar: Michael Buddeberg, März 2010

Besprechung:
Die mächtigen Klosterburgen, die Dzongs, sind gewiss die schönsten und eindrucksvollsten Zeugnisse der materiellen Kultur Bhutans. Bei der Wahl ihrer Standorte waren stets in gleicher Weise strategische, geomantische wie religiöse Überlegungen ausschlaggebend. So stehen sie auf hohen Klippen oder dort, wo zwei Flüsse zusammenströmen und nicht nur eine gut zu verteidigende Halbinsel sondern auch ein Kraftzentrum bilden, auf Bergrippen und natürlichen Kanzeln, immer aber dort, wo sich schon seit unvordenklicher Zeit Götter oder Dämonen aufgrund der Exponiertheit oder Schönheit des Platzes niedergelassen haben. Diese stets außergewöhnliche Lage und die unvergleichliche Architektur der Dzongs, jene Mischung aus wehrhaft hohem, sich nach oben verjüngendem Mauerwerk und dem grazilen Holzfachwerk der Fensterbänder, überragt von einem sich aus dem Zentrum erhebenden Turm mit goldenem Dach setzen Akzente in die grandiose Landschaft des südlichen Himalaya, die für unvergessliche Eindrücke sorgen. Wenn auch die Dzongs seit dem 19. Jahrhundert ihre militärische Funktion verloren haben, so sind sie doch noch immer die kulturellen, spirituellen und wirtschaftlichen Mittelpunkte der etwa 20 Verwaltungsbezirke des Landes, sind in der Regel Sitz eines Klosters, Verwaltungszentrum, Stätte der buddhistischen Tanz- und Mysterienspiele, lebendige und belebte Zentren bhutanischer Gegenwart. Die meisten gehen auf den Staatsgründer Shabdrung Ngawang Namgyel zurück, der im 17. Jahrhundert das in zahlreiche sich bekriegende Fürstentümer zersplitterte Land einte und das Netz dieser Klosterburgen schuf. An einem dieser exponierten Plätze in der Mitte des Landes, wo der Legende nach schon der Magier und Dämonenbezwinger Padmasambhava meditiert haben soll und sich seit Jahrhunderten ein Tempel befand, wurde 1643 der Grundstein für den Trongsa Dzong gelegt, eine der mächtigsten und vielleicht die schönste dieser Klosterburgen, die für die Geschichte dieses Landes eine ganz besondere Bedeutung erlangen sollte. Nur wenige Jahre später wurde am steilen Hang, hoch über dem Trongsa Dzong eine Verteidigungsanlage errichtet. Sie besteht aus einem fünf Stockwerke hohen runden Turm, der durch Flügelbauten mit zwei weiteren talwärts ausgerichteten Turmbauten verbunden ist und, noch weiter talwärts, findet er mit zwei weiteren frei stehenden Türmen seinen harmonischen Abschluss. Seit langem seiner militärischen Funktion beraubt war der Taa Dzong, ganz der buddhistischen Lehre von der Vergänglichkeit aller Lebensformen entsprechend, dem Verfall preisgegeben und wurde zuletzt nur noch von zwei Eremiten als Klause genutzt. Doch da die Vergänglichkeit nur Teil des Kreislaufes ist, zu dem auch die Wiedergeburt gehört, ist nun die Wiedererrichtung des Taa Dzong zu feiern, der das vorliegende Buch über den „Turm von Trongsa“ gewidmet ist. Mit finanzieller und ideeller Hilfe Österreichs wurde mit dem „Tower of Trongsa“ ein einzigartiges Projekt verwirklicht, durch das zugleich ein Ort der Andacht und Verehrung für buddhistische Besucher und ein Museum für das reiche historische und religiöse Erbe des Trongsa Dzong geschaffen wurde. Kein leichtes Unterfangen wie man lesen kann. Alle Holzteile der Anlage waren verrottet und ein Teil des zentralen Turmes stürzte trotz seiner 3 Meter dicken Mauern in sich zusammen. Zudem musste auf die beiden Eremiten Rücksicht genommen werden, die betend und meditierend den südlichen Flügel bewohnen. Landesübliche Materialien und Baumethoden wurden behutsam mit moderner Museumsarchitektur und einem Minimum an Technik kombiniert, um sowohl dem Bedürfnis einheimischer buddhistischer Pilger wie den Ansprüchen westlicher Besucher zu genügen. Ziel war dabei weniger, den Buddhisten verehrungswürdige Statuen und Bilder als museale Kunst zu präsentieren, als vielmehr westlichen Besuchern die Augen für eine Sichtweise zu öffnen, in der Schönheit und Kunstfertigkeit nur Mittel sind, um das Göttliche zu empfinden. Entstanden sind elf Galerien, die in einer natürlichen Abfolge vom Eingang mit den Wächtergottheiten, den Königen der vier Himmelsrichtungen, bis zu den Manifestationen der wahren Buddhanatur in der letzten Galerie geleiten. Der Tibetologe Christian Schicklgruber vom Wiener Völkerkundemuseum unternimmt mit seiner Beschreibung der Galerien, die den wesentlichen Teil des Buches ausmacht, gleichsam eine ausgedehnte Führung durch den Taa Dzong und mit ihr einen Gang durch die Geschichte von Bhutan. Nach dem Tode von Shabdrung Ngawang Namgyel (1594-1651) begannen Auseinandersetzungen um seine Nachfolge zwischen den Fürstenfamilien und hohen monastischen Würdenträgern, die bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts reichten. Erst dann trat mit Jigme Namgyel (1825-1881), einem entfernten Nachkommen des Shabdrung, erneut ein erfolgreicher Kriegsherr, geschickter Diplomat und hochreligiöser Mann an, um Bhutan in eine bessere Zukunft zu führen. Er starb viel zu früh mit 56 Jahren nach einem unglücklichen Sturz von einem Yak, hatte jedoch bereits den Boden für die Monarchie bereitet. Sein Sohn Ugyen Wangchuk wurde 1907 mit der traditionellen Rabenkrone, dem Symbol für den Schutzgott Mahakala, zum ersten König von Bhutan gekrönt. Bis zu Jigme Khesar Namgyel Wangchuk, seit Dezember 2006 ist er der 5. König von Bhutan, der einer von seinem Vater eingeführten parlamentarischen Demokratie vorsteht, waren alle Regenten der Wangchuk-Dynastie kluge Herrscher und geschickte Diplomaten, die ihrem kleinen buddhistischen Königreich weit über seine Grenzen hinaus Achtung und Ansehen verschafften. Ihnen ist es auch zu verdanken, dass Bhutan versucht, mit einem behutsamen Tourismus und vorsichtigen Reformen Anschluss an die globalisierte Welt zu finden. Das Museumsprojekt des Tower of Trongsa ist hier in wichtiger Schritt, ermöglicht es doch interessierten Besuchern des Landes einen Weg in die spirituelle Welt des Buddhismus von Bhutan zu finden. Zwei in den Rundgang integrierte, seit jeher im Taa Dzong befindliche Tempel, die dem legendären tibetischen Helden Gesar von Ling und Maitreya, dem Buddha der Zukunft, gewidmet sind, tun das ihre dazu.

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