Autor/en: Alit Djajasoebrata
Verlag: LM Publishers
Erschienen: Volendam 2018
Seiten: 192
Buchart: Hardcover
Preis: € 34,50
ISBN: 978-94-6022-447-8
Kommentar: Michael Buddeberg
Dort, wo im niederländischen Rotterdam die Maas als Teil des verzweigten Rheindeltas allmählich in den Rotterdamer Welthafen übergeht, bezog 1851 der Royal Yacht Club in der Willemskade ein elegantes Domizil. Die weltoffenen Rotterdamer statteten ihren Club so reich mit Schiffsmodellen und nautischen Instrumenten aus, dass bereits 1873 in den Räumen des Yacht Clubs das Prince Hendrik Maritime Museum eröffnet werden konnte. Schon zehn Jahre später wurde daraus das ethnographische Museum, der Vorläufer des heute noch in demselben Gebäude residierenden Wereldmuseums. Neben ethnographischen Objekten aus der ganzen Welt besitzt das Museum eine bedeutende Sammlung indonesischer Textilien zu deren bekanntesten Vertretern die Batiken aus Java gehören. Der Grundbestand dieser javanischen Batik geht auf eine schon 1884 vollzogene Schenkung des Wissenschaftlers, Mäzens, und Sammlers Dr. Elie Rijckevorsel (1845-1928) zurück, der zahlreiche ausgedehnte Reisen in das koloniale holländisch-Südostindien unternommen hatte. Weitere Erwerbungen und Geschenke im frühen 20.Jahrhundert haben die Batiksammlung des Wereldmuseums Rotterdam zu einer der wegen ihrer vielen frühen Exemplare weltweit bedeutendsten ihrer Art gemacht.
Indonesische Batik – und das sind fast ausschließlich die auf der Insel Java in einem komplizierten und viele einzelne Arbeitsgänge erfordernden Reserveverfahren mit flüssigem Wachs auf Baumwolle, Leinen oder Seide applizierten Muster – wird seit dem Jahre 2009 von der UNESCO als ein immaterielles Kulturerbe der Menschheit geführt. Diese Textilien, so die Begründung, sind mit ihrem reichen Symbolismus Ausdruck der Lebensphilosophie der indonesischen Menschen. Und in der Tat sind gebatikte Stoffe für Bekleidung – hier ist neben vielen anderen vor allem der aus einer einfachen Stoffbahn bestehende Wickelrock, der Sarong, zu erwähnen – und für Dekorationen aller Art noch vor Theater, Puppenspiel und Tanz Javas wichtigstes und bekanntestes Kulturgut. Batik mit ihrem grenzenlosen Schatz an Mustern von streng geometrisch über floral und surreal bis gegenständlich begleitet die Menschen von der Geburt über alle wichtigen Lebensstationen, bei der Hochzeit vor allem und bis zum Tod. In der unendlichen Mustervielfalt spiegeln sich nicht nur die traditionellen Kulturen Javas, das alte hinduistische Königreich Sunda im Westen von Java, das muslimische Sultanat Mataram im Osten der Insel und die für ihre Batikkunst bekannten Hochburgen der Batikkunst wie Cirebon an der Nordküste und die zentraljavanischen Städte Jogyakarta und Surakarta, sondern auch wichtige Minderheiten wie Inder, die mit Ikat und Stoffdruck neue Techniken brachten, Chinesen, deren mit Bedeutung aufgeladene Muster wie Schmetterling, Wolken und Fledermaus Eingang in die Batik fanden und nicht zuletzt die Holländer, die mit ihrer lange Zeit den Handel dominierenden VOC europäische Motive einbrachten.
„Blumen aus dem Universum“ ist damit ein schöner und durchaus treffender Titel für ein Buch über javanische Batik. Ein wahrer Glücksfall ist die Autorin, die in den Niederlanden Soziologie und Anthropologie studierte und nicht nur mehr als 35 Jahre als Kuratorin die Sammlung javanischer Batik des Rotterdamer Wereldmuseums betreut hat, sondern als Kind eines holländischen Vaters und einer Mutter aus einer traditionellen sundanesischen Familie inmitten dieser textilen Traditionen aufgewachsen ist. Alit Djajasoebrata stammt aus dem Hochland von Parahyangan im Südosten des vormaligen Königreichs Sunda. Diese sundanesische Herkunft, der Stolz auf die besonders reiche und symbolbeladene textile Tradition Sundas zieht sich durch das ganze Buch. Bis heute sind die Beziehungen zwischen den Menschen aus Westjava und aus dem Osten der Insel, zwischen Sundanesen und Javanern schwierig und man muss der Autorin nachsehen, dass sie den Schwerpunkt auf die Batik ihrer Heimat legt und dass sie bei aller gegenseitigen Beeinflussung und Nähe der indigenen Stämme Javas die archaischen Wurzeln der textilen Kultur Javas in Sunda vermutet. Hier ist vor allem das Kapitel über die zahlreichen Mythen und Legenden hervorzuheben, Schöpfungsgeschichten, die den Beginn der Menschwerdung und die Gabe des Webens durch die Götter gleichsetzen. Es sind Geschichten, die von der Mutter an die Tochter weitergegeben wurden und die die Autorin als Kind von wandernden Barden gehört und verinnerlicht hat.
Das Buch ist sehr reich nicht nur mit den frühen und sehr seltenen Batiken des Wereldmuseums illustriert, oft mit kennzeichnenden Detailvergrößerungen, mit Bildserien über Rohstoffe, Arbeitsgeräte und den komplizierten Herstellungsprozess, sondern auch mit einem wertvollen Schatz historischer Photographien über den Gebrauch und das Tragen der Batiken und ihrer Muster. Entsprechend ihrer symbolhaften Bedeutung war ihr Gebrauch nicht, wie das heute mehr und mehr praktiziert wird, beliebig, sondern je nach Muster, Material und Aussage der Oberschicht, dem Adel oder der herrschenden Klasse vorbehalten oder auch nur für bestimmte Anlässe, etwa für Hochzeiten bestimmt. Der Leser findet daher Bilder von Honoratioren, Bilder von königlichen und Sultansfamilien, von Prinzen und Prinzessinnen, von festlichen Anlässen und traditionellen Ritualen. Darüber hinaus öffnet die Autorin auch noch ihr Familienalbum und macht ihr Buch damit einmal mehr zu einem sehr persönlichen und authentischen Bericht. Über seinen wertvollen Informationsgehalt hinaus ist das Buch über die Textilien Javas ein außergewöhnliches Dokument professioneller Sorgfalt und Liebe zum Thema.