Jingdezhen to the World – The Lurie Collection of Chinese Export Porcelain from the Late Ming Dynasty

Jingdezhen to the World – The Lurie Collection of Chinese Export Porcelain from the Late Ming Dynasty

 

Autor/en:       Teresa Canepa

Verlag:           Ad Ilissum – Paul Holberton Publishing

Erschienen:    London, 2019

Seiten:            384

Buchart:         Leinen mit Schutzumschlag

Preis:              GBP 90,00

ISBN:             978-1-912168-09-5

Kommentar:  Michael Buddeberg

 

Es muss ein grandioses Spektakel gewesen sein! Jingdezhen, gelegen in der südchinesischen Provinz Jiangxi und am mächtigen Jangtse, schon seit der Song- und auch der Yuan-Dynastie ein Zentrum für Keramik, Handel und Logistik, entwickelte sich während der Ming-Dynastie zum unangefochtenem Hauptort der chinesischen Porzellanherstellung. Jingedezhen war vom ausgehenden Ende des 16. bis in die Mitte des 17 Jahrhunderts, die erste wirkliche Industriestadt auf diesem Globus. Bis zu dreihundert Brennöfen für die Herstellung von Porzellan – so schätzen Wissenschaftler – gab es in Jingdezhen, und man darf sich hier nicht den Elektroofen eines keramischen Betriebes unserer Tage vorstellen, sondern es waren technologisch hoch entwickelte Brennöfen, in denen in einem einzigen Brennvorgang tausende von Teilen kontrolliert und bei hoher Temperatur gebrannt wurden. Ein gutes Dutzend dieser natürlich mit Holz befeuerten Öfen haben Archäologen bis jetzt in Jingdezhen ausgegraben und sie bestätigen den Eindruck, den ein chinesischer Beamter und Schriftsteller im Jahre 1576 von Jingdezhen niedergeschrieben hatte. Beim Dröhnen tausender von Schlag- und Mahlwerken, die Kaolin und Penuntse zerkleinerten und vermengten, dem Fauchen der Feuer in den Öfen, die den Nachthimmel erleuchteten, sei an Schlaf nicht zu denken gewesen und Wang Shimao bezeichnete Jingdezhen als eine Stadt, die von ständigem Blitz und Donner erfüllt war.

Die Sammlung, die das amerikanische Ehepaar Lurie in Jahrzehnten mit großer Sorgfalt und Kennerschaft zusammengetragen hat, ist eine der bedeutendsten und umfassendsten privaten Sammlungen chinesischen Export-Porzellans aus der Zeit der späten Ming-Dynastie. Etwa 130 herausragende Beispiele werden in dem opulenten Band mit reichem Bild- und Vergleichsmaterial, mit präzisen Beschreibungen, begründeten Datierungen und sogar Zuschreibungen zu bestimmten, privaten Brennöfen jener Zeit vorgestellt. Die Schönheit und Qualität der Porzellane, allesamt mit dem für diese Zeit so typischen, unter der Glasur in Kobaltblau aufgetragenen Blaudekor ist einzigartig und viele der Teile sind von größter Seltenheit oder gar von historischer Bedeutung. So etwa das weltweit einzige bekannte Exemplar eines von einem spanischen Adelsgeschlecht in Auftrag gegebenen Wappentellers. Vom Sammler auf der Londoner Portobello-Road entdeckt gab das Stück zunächst Rätsel auf und erst nach einer mühevollen und schließlich glückhaften Recherche war es klar, dass dieser Teller wohl von Garcia Hurtado de Mendoza, dem achten Vizekönig von Peru und seiner Ehefrau Teresa de Castro y de la Cueva in Auftrag gegeben worden war. Teller und Schalen, Krüge und Vasen, dekoriert im sogenannten „Kraak“-Design mit glückverheißenden Tieren und Symbolen, mit daoistischen, buddhistischen oder konfuzianischen Motiven und – vor allem gegen das Ende der Mingzeit, als sich der transitionale Spätstil mehr und mehr durchsetzte – mit narrativen Szenen aus Novellen, Geschichten und populären Dramen erschließen anschaulich und in höchster Qualität den gesamten Formen- und Dekorschatz chinesischen Export-Porzellan der späten Ming-Dynastie und damit eine der kreativsten und innovativsten Zeiten chinesischer Porzellanherstellung.

Die einleitenden und begleitenden Essays und Beschreibungen verorten die Porzellane der Sammlung Lurie im historischen Kontext, erzählen die Geschichte Chinas in der späten Ming-Dynastie und die erstaunliche Entwicklung von Jingdezhen und seiner Porzellanindustrie. Als Kaiser Wanli (1573-1620) den Ming-Thron bestieg war die chinesische Welt noch in Ordnung. Es herrschte Frieden und die kaiserliche Porzellanmanufaktur in Jingdezhen war mit den Aufträgen des Hofes gut ausgelastet. Allein 1577 wurden 175.000 Teile kaiserliches Porzellan für Wanli und seinen Hof bestellt. Doch die Zeiten änderten sich, innere Unruhen nahmen zu, der militärische Druck von außen, von den Manchu vor allem, aber auch aus Japan, wurde stärker, finanzielle Probleme wurden gravierend und 1608 führte ein Korruptionsskandal zur Schließung der kaiserlichen Manufaktur. Zur gleichen Zeit erlebte Europa mit der Renaissance eine der dynamischsten Epochen seiner Geschichte ebenso wie den Beginn eines ausgedehnten Ostasienhandels durch wagemutige portugiesische und später niederländische Kapitäne und Handelsherren. Chinesisches Porzellan wurde zum international begehrten Handelsgut. Arbeitslos gewordene kaiserliche Handwerker wechselten an private Brennöfen, die wie Pilze aus dem Boden schossen und waren plötzlich befreit von den Zwängen gleichförmiger und traditioneller kaiserlicher Produktion. Die Krise wurde so zum Nährboden für Kreativität, Innovation und Anpassung an den Bedarf der  Käufer aus Übersee. Erstmals in der Geschichte des chinesischen Porzellans wurde in Jingdezhen Porzellan mit Blau-Weiss-Dekor nicht für den Kaiserhof sondern nunmehr in großen Mengen fast ausschließlich für den Export hergestellt: Kraak-Porzellan. Unter Tianqi (1621-1627) und Chongzhen (1628-1644), den beiden letzten Kaisern der Ming-Dynastie etablierten sich Herstellung und Export von Kraak- und schließlich Transitional-Porzellan auf hohem Niveau, um schließlich im Chaos der untergehenden Ming-Dynastie – und mit ihnen der ganze China-Handel – für lange Zeit ganz zu versiegen. Erst Jahrzehnte später gingen unter Kangxi (1662-1720) die kaiserlichen Öfen wieder in Betrieb und es begann mit neuen Formen, Dekoren und Auftraggebern ein neues Kapitel des chinesischen Porzellans.

Mit den zahlreichen abgebildeten Vergleichsstücken aus internationalen privaten und öffentlichen Sammlungen, vor allem aber mit datierbarem Porzellan, das aus untergegangenen Schiffen geborgen wurde und mit den Scherben von Ming-Porzellan, die an den Sandstränden Kaliforniens oder an der Ostküste Südafrikas, im Roten Meer, an den Küsten der Philippinen, in Malaysia, Madagaskar und schließlich unter den meterdicken Lößschichten in der Region Jingdezhen gefunden und analysiert wurden, präsentiert sich das Buch über die Sammlung Lurie nicht nur aus ausnehmend schöne sondern auch als eine hochaktuelle wissenschaftliche Dokumentation von chinesischem Export-Porzellan in der Zeit von ca. 1580 bis 1644.

 

 

 

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