Tibetische Kunst der Alain-Bordier-Stiftung

Autor/en: Ulrich und Heidi von Schroeder
Verlag: Visual Dharma Publications Ltd.
Erschienen: Hong Kong 2009
Seiten: 50
Ausgabe: Klappenbroschur
Preis: wird noch mitgeteilt
ISBN: 978-962-7049-11-1 (auch in englisch und französisch)
Kommentar: Michael Buddeberg, Mai 2010

Besprechung:
Das Schweizer Städtchen Gruyères oder auch Greyerz ist vor allem durch eine würzige Käsesorte bekannt – zu Unrecht, denn Gruyères hat weit mehr als diese kulinarische Spezialität zu bieten. Da ist einmal die traumhafte Lage an einem See in den Freiburger Vorbergen, das mittelalterliche Stadtbild mit einem von intakten Festungsmauern umgebenen Schloss und ein Trio sehenswerter Museen. Im Schloss aus dem 13. Jahrhundert werden 8 Jahrhunderte Architektur, Geschichte und Kultur der Region gezeigt und im nahe gelegenen Festungsbau St. Germain hat der Schweizer Künstler H.R. Giger ein Zentrum für phantastische Kunst eingerichtet. Dort ist nicht nur Gigers mystisch magisches Universum seiner so genannten biomechanischen Kunst – bekannt etwa durch die skurril-grausigen Figuren zu dem Hollywood-Film „Alien“ – zu sehen, sondern auch wechselnde Ausstellungen phantastischer zeitgenössischer Künstlerkollegen. Als drittes Museum hat sich seit April 2009 in einer Kapelle nebst Pfarrhaus die Alain-Bordier-Stiftung etabliert – das erste ausschließlich tibetischer Kunst und Kultur gewidmete Museum Europas. Der Stifter und Museumsgründer, der Genfer Immobilienkaufmann Alain Bordier hat in 25 Jahren eine aus nahezu 300 Objekten bestehende Sammlung zusammengetragen, darunter über hundert Statuen aus Metall, Holz und Lehm, einige Dutzend Thangkas, Manuskripte, textile Applikationsarbeiten und eine repräsentative Auswahl tibetischer Ritualgegenstände. In der Kapelle St. Joseph, deren ursprüngliche Widmung durch die neugotische Ausstattung und bunte Glasfenster mit christlichen Heiligen noch immer deutlich sichtbar ist, bildet die dort präsentierte tibetische Kunst von hoher künstlerischer und spiritueller Qualität einen gewollten, spannungsgeladenen Kontrapunkt. Von den geplanten Publikationen der Alain Bordier Stiftung liegt bisher nur der in drei Sprachen erschienene Einführungsband über die tibetische Kunst vor, dem eine erweiterte Monographie über buddhistische Skulpturen der Stiftung folgen wird. Autoren des schmalen aber inhaltsreichen Bandes sind das Ehepaar Ulrich und Heidi von Schroeder, und die insgesamt 18 auf jeweils eine Druckseite beschränkten Essays verdanken ihre konzentrierte Information zu den jeweiligen Themen der herausragenden Kennerschaft dieses Autorenteams. Von Buddha Shakyamuni und seiner Lebensgeschichte, der Verbreitung des Buddhismus in Tibet bis zur Erklärung der vielfältigen Erscheinungsformen des Buddha, der Bodhisattvas, der Mahasiddhas und des reichen Pantheon sanfter und zorniger, weiblicher und männlicher Gottheiten werden die wichtigsten Themen des tibetischen Buddhismus angesprochen und regen zu weiterer Vertiefung an. Der Schwerpunkt der Beiträge aber liegt – und hier zeigt sich die unübertroffene Nähe Ulrich von Schroeders zum Fundus tibetischer Skulptur und Malerei – auf der tibetischen Kunst in den Erscheinungsformen Skulptur und Malerei, der Darstellung ihrer Entwicklung, der Integration der unterschiedlichsten Einflüsse aus Indien, Kaschmir, Nepal, Zentralasien und China zu eigenständigen tibetischen Stilen und vor allem auf den kunsthandwerklichen Techniken. Die Essays über das Giessen von Metallskulpturen in der verlorenen Form, ein unendlich komplizierter Vorgang, der Monate dauern kann, oder über die Technik der Thangka-Malerei, durch die Bilder entstehen, die tausendfaches Auf- und wieder Zusammenrollen nahezu unbeschadet überstehen, sind hier besonders zu erwähnen. Illustriert ist der Band mit 18 Tafeln von Thangkas, Skulpturen und Ritualgegenständen der Sammlung, deren hohe künstlerische Qualität für den Rang der gesamten Kollektion steht. In seinem sehr persönlichen Vorwort beschreibt der dem Kagyupa-Orden nahe stehende Sammler und Stifter, wie ihn seine Wege über Indien und Kaschmir schließlich nach Alchi führten, wo ihm die Schönheit der Wandmalereien den entscheidenden Impuls für das Sammeln tibetischer Kunst gab. Alain Bordiers ausgeprägter Sinn für Schönheit und eine ihm in die Wiege gelegte Leidenschaft zum Sammeln haben eine bedeutende und sehenswerte Kollektion entstehen lassen. Auch der Ort ihrer Präsentation in St. Joseph in Gruyères ist durch Alain Bordiers Sinn für Schönheit und Harmonie aber auch durch die ökumenische Idee einer spirituellen Nähe von Christentum und Buddhismus, geprägt. Unter den christlichen Darstellungen in den Fenstern der Kapelle findet sich auch das Abbild des heiligen Franz von Assisi, des Schutzheiligen der Tiere. So wie dieser mit den Vögeln sprach, so betrachtete auch sein Zeitgenosse im fernen Tibet – der Yogi Milarepa – alle Tiere und Wesen der Schöpfung mit Liebe und Mitgefühl. Das Tibet-Museum in Gruyères ist ein Ort, wo christliche und buddhistische Ideen und Werte einen Dialog führen.

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