Objects in Frames – Displaying Foreign Collectibles in Early Modern China and Europe

Objects in Frames – Displaying Foreign Collectibles in Early Modern China and Europe

Autor/en:        Anna Grasskamp

Verlag:           Dietrich Reimer Verlag

Erschienen:    Berlin 2019

Seiten:            246

Buchart:         Hardcover

Preis:              € 39,00

ISBN:             978-3-496-01624-3

Kommentar:  Michael Buddeberg

 

„Wunder kann man sammeln“ lautet die Devise des Münchner Kunsthistorikers, Ethnologen und Händlers Georg Laue, der seit 1997 Objekte von musealer Qualität präsentiert, wie sie in den Kunst- und Wunderkammern der Renaissance und des Barock zu bestaunen waren. Neben allerlei Curiosa, Artificialia und Mirabilia und neben wissenschaftlichen Instrumenten war auf seinem Messestand auf der TEFAF 2020 eine chinesische Porzellankanne aus transitionaler Zeit zu sehen. Hergestellt um 1635 bis 1650 für den damals florierenden Export nach Europa in der Porzellanmetropole Jingdezehn zur Zeit der letzten Mingkaiser Chongzhen (1628-1644) oder Shunzi (1644-1661) gelangte sie bald darauf auf dem Seeweg in die Niederlande und wurde wohl um 1650 in Antwerpen mit einer feuervergoldeten Silbermontierung  versehen. Mit dem am Henkel kunstvoll fixierten Deckel mit Daumenrast präsentiert sich die Kanne als eine Pretiose ostasiatischer Herkunft, damals ein geheimnisvolles Exoticum, dessen stoffliche Zusammensetzung nebst Herstellungsprozess noch unbekannt war.

Auch in China wurden exotische oder kostbare Objekte gerne mit Rahmen versehen oder auf kostbare Podeste gestellt. Das Sammeln von Antiquitäten und deren anspruchsvolle Präsentation wurde spätestens in den Gelehrtenstudios der Song Zeit zur Modeerscheinung, die auch in späteren Dynastien beibehalten wurde. Objekte aus dem fernen Europa gelangten jedoch selten in das Reich der Mitte. Schon die Seidenstrasse war, was den Warenhandel anlangt, mehr eine Einbahnstraße, auf der chinesische Seide und Porzellan den Westen erreichten, während für das Warenagebot der westlichen Barbaren in China kaum Nachfrage vorhanden war. Auch die Entdeckung des Seeweges und der spätestens seit dem 16. Jahrhundert von den Portugiesen und nachfolgend von den Niederländern betriebene und florierende Seehandel änderte nur wenig an dieser Situation. Mit einer Ausnahme: Feinmechanische Wunderwerke wie Uhren und allerlei durch Feder- und Räderwerk betriebenes Spielzeug wurden zum beliebten Sammelobjekt höchster Kreise und vor allem des Kaiserhofes. Und als gelehrte Jesuiten neben ihren Kenntnissen auch hochkomplizierte wissenschaftliche Instrumente nach China brachten, war die kaiserliche Neugier geweckt. Der hochgelehrte Qing-Kaiser Kangxi (r. 1662-1722), Förderer von Kunst und Wissenschaft, machte den belgischen Jesuiten Ferdinand Verbiest schon bald nach Regierungsantritt zum Leiter des Astronomischen Amtes und sein ganzer Stolz war ein Observatorium mit einer beträchtlichen Sammlung astronomischer Instrumente aus dem Westen wie Himmelsgloben, Sextanten oder Armillarsphären. Ihrer Bedeutung entsprechend und ihrem wissenschaftlichen und materiellen Wert aber ihrer Exotik Rechnung tragend waren sie auf kostbare, im kaiserlichen Stil reich mit Löwen, Drachen und weiteren kaiserlichen Symbolen geschmückte Podeste montiert und, wo es die wissenschaftliche Zweckbestimmung zuließ, mit allerlei Beiwerk verziert.

Diesem, im Westen wie im fernen Osten gepflogenen Brauch, exotische und kostbare Objekte in Rahmen zu setzen war eine schon 2013 an der Universität Leiden vorgelegte Dissertation von Anna Grasskamp mit dem Titel „Cultivated Curiosities: A Comparative Study of Chinese Artifacts in European Kunstkammern and European Objects in Chinese Elite Collections“ gewidmet, die nun in erweiterter und illustrierter Form vom Dietrich Reimer Verlag publiziert wurde. An den Kunstkammerobjekten europäischer Herrscher, Fürsten und Gelehrter, vor allem den mit Silber- und Vermailmontierungen veredelten chinesischen Porzellanen und den auf aufwendigen Postamenten platzierten astronomischen Instrumenten des chinesischen Kaisers Kanxi untersucht die Autorin die gemeinsamen Wurzeln dieser Leidenschaft, das Kostbare oder Exotische durch Beiwerk und Verzierung heraus- und hervorzuheben. In beiden, geographisch so entgegengesetzten Kulturen ist die Rahmung des Fremden mit einheimischer kunsthandwerklichen Fertigkeit eine Art der Aneignung, eine Europäisierung der bewunderten weißen und durchscheinenden chinesischen Porzellanschalen und eine Sinisierung der geheimnisvollen europäischen Instrumente, die eine neue Sicht auf den Kosmos ermöglichen. Die Rezeption des Fremden, die Aneignung des kulturell Anderen aber auch die Steigerung von Wert und Bedeutung in materieller und immaterieller Hinsicht sind gemeinsame Motivationen in West und Ost. Und doch sind auch Unterschiede festzustellen. Während das Observatorium des Kangxi in allererster Linie eine Manifestation kaiserlicher Macht darstellt sind die europäischen Kunst- und Wunderkammern die Vorläufer der Museen. Schon im 17. und 18. Jahrhundert öffnen sich europäische Sammlungen allmählich einer, wenn auch limitierten Öffentlichkeit, während der chinesische Kaiserpalast bis weit ins 19. Jahrhundert eine verbotene Stadt blieb.

Ein weiteres Thema der Arbeit von Anna Grasskamp ist die Aneignung der Natur, wie sie in Europa und China durch die künstlerische Präsention von Korallenfragmenten stattgefunden hat. Auch hier handelte es sich um einen seltenen Schatz aus fremden Ländern, meist verbunden mit Legenden über Herkunft, Bedeutung und Entstehung. In China ebenso wie in Europa wurden in aufwändige Rahmungen gefasste Korallenzweige zum Wunderkammerobjekt erster Wahl. Beispiele des 16. Jahrhunderts aus beiden Kulturbereichen belegen die Hervorhebung oder Steigerung des ökonomischen, sozialen und ästhetischen Wertes durch die kreative kunsthandwerkliche Rahmung.

Anna Grasskamps Arbeit ist ein wichtiger und interessanter Beitrag zu einem in der Kunstgeschichte bisher kaum behandelten Thema.

 

Print Friendly, PDF & Email