Architecture of the Islamic West – North Africa and the Iberian Peninsula 700-1800

Architecture of the Islamic West – North Africa and the Iberian Peninsula 700-1800

 

Autor/en:        Jonathan M. Bloom

Verlag:           Yale University Press

Erschienen:    New Haven und London 2020

Seiten:            320

Buchart:         Leinen mit Schutzumschlag

Preis:              engl. Pfund 50,00

ISBN:             978-0-300-21870-1

Kommentar:  Michael Buddeberg

 

Vor 45 Jahren – Jonathan Blum hatte als Werkstudent der Smithsonian Stiftung erstmals afrikanischen Boden betreten – formte sich bei ihm die Idee zu einem Buch über die Architektur des islamischen Westens. Fast ein halbes Jahrhundert ist seither vergangen, Jonathan Bloom und seine Frau und Kollegin Sheila Blair lehrten Islamische und Asiatische Kunst am Boston College und sie organisierten von 2005 bis 2017 das von Qatar und der Virgina Commonwealth University veranstaltete Hamad bin Khalifa Symposium für Islamische Kunst, das mit seinen mittlerweile sechs stattlichen Symposiumsbänden  unverzichtbare Standards zur Islamischen Kunst und Kultur gesetzt hat.

Jonathan Blooms Buch über die Architektur des Islamischen Westens gehört zu den seltenen Publikationen, die, wenn man sie erst in Händen hält, bewusst machen, wie sehr sie bisher gefehlt haben. Moscheen, Medresen und Mausoleen, Festungen und Paläste, die Bauten in islamischen Ländern, ihre architektonischen Besonderheiten und ihr äußerer und innerer Dekor sind zwar in Monographien und allgemeinen Abhandlungen vielfach behandelt, jedoch wird der Westen, der Maghreb genannte Teil Nordafrikas und die islamischen Eroberungen der Iberischen Halbinsel Al Andalus, meist nur kursorisch behandelt. Natürlich sind die Weltkulturerbestätten wie die Moschee in Cordoba oder der Alhambra-Palast in Granada allenthalben präsent, doch von den reichen, vielfältigen und oft sehr eigenständigen Architekturtraditionen der westislamischen Länder ist fast nie die Rede. So ist Jonathan Blooms Buch das erste, das dieses Thema komplett und zusammenfassend behandelt.

In neun Kapiteln wird unter weitgehender Berücksichtigung einer chronologischen Ordnung und der Abfolge von Dynastien ein Zeitraum von ca. 700 bis 1800 erfasst. Im muslimischen Iberien endet die Geschichte der islamischen Architektur schon 1492 mit der Rückeroberung des Emirats von Granada durch Isabella von Kastilien und der Vertreibung des letzten islamischen Herrschers Boabdil aus Europa, während im Maghreb erst die spanische und französische Kolonialisierung einer mehr als tausendjährigen Architekturtradition ein Ende setzt. Jonathan Blooms erstes Kapitel führt den Leser mit dem sich wie ein Feuersturm nach Westen und Nordafrika ausbreitenden Islam schon im Jahre 711 über die Meerenge von Gibraltar nach Spanien wo Abd ar-Rahman I die Umayyaden-Dynastie errichtet und mit dem Bau der Großen Moschee in Cordoba beginnt. Mit dem genialen Kunstgriff, mit dem seine Baumeister die verschiedensten, oft aus römischen Ruinen stammenden, unterschiedlichen und für die geplante Gebetshalle in ihrer Höhe nicht ausreichenden Säulen durch aufgesetzte weitere Elemente und Bögen und mit dem Wechsel zwischen weißem Stein und roten Ziegeln  zu einem Raumwunder komponieren, in dem Höhe, Volumen und Rhythmus zu einer ästhetischen Einheit werden, entsteht ein in der Welt bis heute einzigartiges architektonisches Kunstwerk. Nur wenig später, im 9. Jahrhundert, glänzt die arabische Dynastie der Aghlabiden in ihrer Residenz Kairouan in der Provinz Ifriqiya, dem heutigen Tunesien, mit ersten Moscheebauten. Kapitel zwei stellt dann neben Erweiterungen der Moschee in Cordoba ein Gesamtkunstwerk vor, das in der islamischen Welt seinesgleichen sucht. Abd ar-Rahman III beruft sich zum Kalifen der Umayyaden und beginnt als Ausdruck von Macht, Legitimation und Kontrolle über den lukrativen Afrikahandel mit dem Bau der Palaststadt Madinat al-Zarah, deren Glanz und Schönheit sich seit Beginn der bis heute fortdauernden Ausgrabungsarbeiten immer mehr offenbaren. Das elfte Jahrhundert (Kapitel 3) ist sowohl in Al Andalus wie auch im Maghreb durch Machtverfall geprägt. Doch auch die kleinen Königreiche der Taifas auf der iberischen Halbinsel und Berber-Dynastien in Nordafrika hinterlassen bedeutende Bauwerke, wie etwa die mit einer kleinen Kuppel teilweise überwölbte Qabbat al-Bahw-Moschee in Tunis. Die zeitgleich nach der Eroberung Siziliens durch die Normannen errichtete Capella Palatina ist zwar für das Thema eine Randerscheinung, vereint jedoch an Architektur und Ausstattung das Beste und Schönste aus den in Palermo jener Zeit aufeinandertreffenden Kulturkreisen. Das vierte Kapitel ist den Almoraviden und den Almohaden gewidmet, die in Marrakesch, Fez und Rabat mit Moscheen und Stadtoren und in Sevilla mit der heute noch als Wahrzeichen der Stadt fungierenden „Giralda“, dem mächtigen Minaret, sehr zeittypische Bauten schufen. Für den Nasriden dominiert dann im fünften Kapitel der beispiellose Palastbau der Alhambra, eines der großartigsten Monumente islamischer Architektur, dem mit dem Corral de Carbon, einer Karawanserei aus dem frühen 14. Jahrhundert, ebenfalls in Granada, ein seltenes Beispiel aus der Profanarchitektur gegenübergestellt wird. Die Nasriden als letzte Dynastie in Al Andalus stehen auch für den Beginn der Mudejar-Architektur, die für die kommenden Jahrhunderte vom friedlichen und produktiven Nebeneinander von Moslems, Juden und Christen zeugt. Im Kapitel sechs stehen Moscheen und Medresen mit meist schlichtem Äußeren und reicher Dekoration im Inneren im Mittelpunkt, wie sie die Erben der Almohaden in Nordafrika und ihre Nachfolger, die Mariniden und die Hafisiden hinterlassen haben. In den im siebten Kapitel behandelten Bauwerken kleiner regionaler Gruppen des Maghreb spiegelt sich dann vor allem der zunehmende Einfluss Europas und des Osmanischen Reiches, während sich in Marokko (Kapitel 8) die Sharifan-Dynastien aus dem südlichen Teil dieses Landes den fremden Einflüssen noch widersetzen. Das letzte Kapitel zeigt Wirkung und Fortwirkung islamischer Architektur in der kunsthistorischen Literatur und nicht zuletzt in den von europäischen Architekten gebauten „Super“-Moscheen in Casablanca und Algier.

Diese knappe und nur wenige Highlights herauspickende Inhaltsübersicht zeigt, wie eng Geschichte und Architektur im islamischen Westen verknüpft sind. Jonathan Blum weiß dies in souveräner Beherrschung der Materie, locker, flüssig und ganz und gar nicht wissenschaftlich überfrachtet darzustellen. Sein sehr persönlich gehaltenes Vorwort behandelt den für einen Christen oft nicht einfachen und manches Mal unmöglichen Zugang zu den Objekten und die vielfache Hilfe, die er von Kollegen, aus der Literatur und nicht zuletzt aus dem Internet erfahren hat. Reiches Bildmaterial aus alter und neuer Zeit, Karten und Pläne ergänzen seine präzisen und anschaulichen Beschreibungen; Architekturgeschichte, wie sie besser nicht sein kann.

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