Ceramics of Iran – Islamic Pottery from The Sarikhani Collection

Ceramics of Iran – Islamic Pottery from The Sarikhani Collection

 

Autor:            Oliver Watson

Verlag:           Yale University Press

Erschienen:    New Haven und London 2020

Seiten:            528

Buchart:         Leinen mit Schutzumschlag

Preis:              GBP 50,00

ISBN:             978-0-300-25428-0

Kommentar:  Michael Buddeberg

 

Mit wenig mehr als zwei Koffern habe die Familie vor einigen Jahrzehnten den Iran verlassen, erzählt die Tochter des Sammlers Ali Sarikhani. Außerordentlicher Erfolg als Wirtschaftsprüfer und Investor in seinem Londoner Exil und als vielseitiger Unternehmer im britischen Dienstleistungssektor ermöglichten dem kunstsinnigen und dem Land seiner Väter verbundenen Ali Sarikhani nicht nur die Gründung der in London ansässigen Iran Heritage Foundation sondern innerhalb nur weniger Jahre den Aufbau einer repräsentativen Sammlung iranischer Kunst auf höchstem Niveau. Ein Teil dieser Sammlung, die auch Metallarbeiten, Miniaturen, Textilien und Teppiche umfasst, ist mit dem grandiosen Buch „Ceramics of Iran – Islamic Pottery from the Sarikhani Collection“ erstmalig publiziert.

Man mag sich fragen, ob eine erst im 21. Jahrhundert begonnene Sammlung iranischer Keramik für dieses so vielfältige Gebiet überhaupt repräsentativ sein kann. Doch die Provenienz des Kerns dieser Keramiksammlung lässt jeden Zweifel rasch verstummen. 86 Objekte – und sie sind fast alle publiziert und gehören zu den besten ihrer Art – stammen ursprünglich aus den Sammlungen der Familie des letzten Schah von Persien, Mohammed Reza Pahlavi. Sie wurden von dem bekannten jüdisch-iranischen Kunsthändler Mehdi Maboubian in den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts  für den Bruder des Schah, Prinz Abd al-Reza Pahlavi, erworben und waren dann in Paris zu Hause bevor sie an den deutsch-amerikanischen Television- und Industrie-Mogul und Philantropen John W. Kluge – zeitweilig nach Forbes der reichste Amerikaner – verkauft und Bestandteil der berühmten Morven-Collection wurden.

Und – last not least – kein geringerer als Oliver Watson, einer der weltweit führenden Wissenschaftler auf dem Gebiet islamischer Keramik und Autor dutzender Beiträge zu diesem Thema wurde gewonnen, das Buch über diese Sammlung zu schreiben. Das Ergebnis ist ein auf den neuesten wissenschaftlichen Kenntnissen beruhendes Standardwerk über eine der wichtigsten keramischen Traditionen dieser Welt, erklärt und illustriert mit Objekten von hinreißender Qualität und Schönheit.

Auch im Iran liegen die Anfänge keramischer Produktion wie in fast allen Regionen dieser Welt Jahrtausende zurück. Eine entscheidende technologische Entwicklung, die Oberflächenveredelung des porösen Grundstoffs mit einer fast glasartigen, geschlossenen und vielfältige Dekortechniken ermöglichenden Schicht, die Erfindung der Glasur, erfolgte fast zeitgleich mit der Ausbreitung des Islam und erreichte iranisches Territorium spätestens im 10. Jahrhundert. Mit den erstmals in den 30er Jahren  des 20. Jahrhunderts in Nishapur im östlichen Iran ausgegrabenen Keramiken des 10. Jahrhunderts mit kalligraphischem Dekor setzen Sammlung und Autor einen ersten Schwerpunkt und feiern zugleich einen kaum wieder erreichten Höhepunkt dieser Kunstform in der sich Schrift und Gefäß in Harmonie und Rhythmus zu einer neuen ästhetischen Dimension vereinen. „Ihre Schönheit ist von höchster intellektueller Kraft; sie verkörpern die Essenz des Islam“ schrieb 1947 der Kunsthistoriker Arthur Lane über diese, den iranischen Samaniden zugerechneten Objekte. Neuere Forschungen und Erkenntnisse aus der russischen Archäologie und Literatur sehen indessen den Schwerpunkt dieses „Nishapur-Dekors“ mehr und mehr in Samarkand und seit jüngster Zeit gar in Taschkent, also in einer Region, die, jedenfalls nach heutiger Diktion, nur schwerlich noch dem Iran zuzurechnen ist. „Transoxanien“, also das Land jenseits des Oxus, die Region zwischen den Strömen des Amudarja und Syrdarja mit den alten Metropolen Samarkand und Buchara lautet demnach auch die korrigierte Herkunftsbezeichung dieser „slipware“. Einen nächsten und hauptsächlich im 12. und 13. Jahrhundert zu datierenden Schwerpunkt beansprucht dann die „fritware“, die auf Kashan konzentrierte Fortentwicklung des keramischen Grundstoffs durch Zugabe quarzreicher Substanzen, die mit geändertem Brennverhalten neue Dekortechniken ermöglichte. Kashan wurde so für lange Zeit zum Zentrum des Keramikhandwerks und der polychrome, oft volkstümliche, figurative und dekorative Dekor schuf einen deutlichen Kontrast zu den klaren epigraphischen Waren aus Nishapur oder Transoxanien. Vor allem war es der metallisch glänzende Lüsterdekor – hier sind auch die Fliesen zu erwähnen, ein weiterer Schwerpunkt des Buches mit Dutzenden signifikanter Beispiele – der den Ruf Kashans begründete. Deutlich später, im 17. Jahrhundert und unter dem Einfluss des aus China auch den Nahen Osten erreichenden Exportporzellans dominieren Teller, Platten und Gefäße in Blau-Weiß, Kopien chinesischer Dekore, doch meist mit klar erkennbarer orientalisch-islamischer Anmutung.

Iranische Keramik, oder besser, die islamische Keramik des Mittleren Ostens ist nicht nur ein außerordentlich vielseitiges sondern vor allem ein ungemein lebendiges Thema. Und Oliver Watsons Buch ist eine spannende Momentaufnahme des aktuellen Stands von Wissenschaft und Forschung, die sich aber notgedrungen auf die gut erschlossenen archäologischen Stätten wie Nishapur und Kashan und seit jüngerer Zeit auch auf Samarkand und Taschkent konzentrieren. Über das, was in anderen Zentren jener Welt produziert wurde, etwa in Hamadan, Täbris oder Kirman, um nur einige zu nennen, weiß man oft nur wenig oder nichts. Hier warten viele archäologische Funde noch auf ihre wissenschaftliche Untersuchung und Publikation während unzählige keramische Scherben weiter unentdeckt im Boden schlummern. Gottlob ist dieses Material, und sei es auch nur in zerbrochener Form, extrem dauerhaft und weder der Verrottung oder dem Recycling unterworfen wie etwa Glas, Metall, Textilien, Holz oder Papier. Und so sind es vor allem die keramischen Spuren, die immer wieder neue Geschichten von längst vergangenen Gesellschaften und ihrem Handel und Wandel erzählen.

Print Friendly, PDF & Email