The Arts of Kashmir

Autor/en: Pratapaditya Pal
Verlag: Asia Society – 5 Continents Editions
Erschienen: New York – Mailand 2007
Seiten: 224
Ausgabe: broschiert
Preis: US-$ 55.–
ISBN: 978-88-7439-408-1
Kommentar: Michael Buddeberg, Mai 2008

Besprechung:
Was fällt Ihnen ein, wenn Sie „Kaschmir“ hören? Ist das nicht irgendwo im Himalaya, und, ach ja, die schöne weiche Wolle, Kaschmirschal und Kaschmirpulli, und, wenn Sie den Finger am Puls des Zeitgeschehens haben, da gibt es doch diesen Kaschmirkonflikt, jenen schwelenden, brandgefährlichen Streit zwischen den Atommächten Indien und Pakistan, dessen Ursache, wie heute so oft, religiöse Wurzeln hat. Aber Kaschmir und Kunst? Nein, nie gehört! Kaschmir, eine wegen ihrer paradiesischen Schönheit berühmte Gebirgslandschaft im östlichen Himalaya und Karakorum war zunächst von Hindufürsten, dann von muslimischen Herrschern regiert, wurde von Akbar seinem Mogulreich eingegliedert, war Teil Afghanistans, gehörte den Sikhs und war schließlich britisches Protektorat. Trotz dieser wechselnden Machtverhältnisse war religiöse Toleranz über all die Zeit eine gute kaschmirische Tradition, und erst mit der Teilung Indiens wurde die Region zur unversöhnlichen Demarkationsfläche zwischen zwei Religionen und zum Zankapfel zwischen Pakistan und Indien. Die kulturelle Bedeutung Kaschmirs als Treffpunkt intellektueller und künstlerischer Strömungen und Einflüsse über fast zwei Jahrtausende, seine Rolle in der religiös-spirituellen Entwicklung von Süd- und Zentralasien und die dynamische künstlerische Kreativität kaschmirischer Maler, Bildhauer und Kunsthandwerker geriet durch den nun schon ein halbes Jahrhundert währenden Konflikt fast in Vergessenheit. Höchste Zeit also, an die ästhetischen, künstlerischen und intellektuellen Traditionen Kaschmirs zu erinnern. Einer von Pratapaditya Pal kuratierten Ausstellung der Asia Society in New York (und vom 28.06. bis 21.09.2008 im Cincinnati Museum) und dem dazu erschienenen Katalogbuch gelingt das in hervorragender Weise. Weit über einhundert exquisite Kunstwerke, Skulpturen vor allem, aber auch Malerei, Miniaturen und Kalligraphie, Kunsthandwerk aus Holz und Metall, Schmuck, Möbel und natürlich Textilien, Teppiche und Schals, aus privaten und öffentlichen Sammlungen Europas, Indiens und den USA, garniert mit Fotos arkadischer Landschaften und architektonischer Relikte einer bewegten Vergangenheit, vermitteln ein Bild kaschmirischer Kunst und Kultur. Neun Essays erklären und vertiefen den Beitrag Kaschmirs zu Kunst und Kultur, der weit über die Himalayaregion hinausreicht. Der Schwerpunkt von Ausstellung und Katalog liegt bei den religiösen Skulpturen des alten Kaschmir. Es sind Arbeiten aus der Zeit kurz nach der Zeitenwende bis etwa 1200, also aus dem Zeitraum als Kaschmir unter der Herrschaft hinduistisch-brahmanischer Dynastien zu einem Zentrum buddhistischer Lehren, buddhistischen Kunsthandwerks und zur wichtigsten Quelle der Ausbreitung des Buddhismus nach Tibet, Zentralasien und China wurde. Vorgestellt werden durchweg Spitzenobjekte, etwa aus den berühmten Sammlungen Rockefeller und Pritzker, Arbeiten aus Terrakotta, Elfenbein und Stein, vor allem aber aus Bronze. Sie zeigen die Einflüsse, die in Kaschmir wirksam wurden, Gandhara ist hier zu nennen und natürlich Indien, aber auch die Kraft des aus diesen Vorläufern entwickelten, eigenen Stils, der dann die Kunst von Gilgit, Swat, Ladakh und Westtibet so entscheidend prägen sollte. Im Gegensatz zu diesen wundervollen plastischen Bildwerken, die sich überwiegend in Tibet erhalten haben, ist Malerei aus der Frühzeit dieser Epoche längst vergangen. Die ältesten Zeugnisse sind hier einige illuminierte Manuskripten aus dem 11. Jahrhundert, die großartigen Wandmalereien im ladakhischen Tabo und Alchi stammen aus dem 12/13 Jht, einer Zeit als sich in Kaschmir allmählich die Lehre Mohammeds durchzusetzen begann. Die Malerei im Sumtsek von Alchi gilt als ein Höhepunkt kaschmirischer Malerei und als wesentlicher Einfluss und Anstoss bei der Entwicklung eines eigenen tibetischen Stils. Unter den Kaisern der mongolisch-indischen Mogul-Dynastie erlebte Kaschmir dann eine weitere Blütezeit. Schon den Gründer der Dynastie, Babur, verlangte es nach der Eroberung dieses ihm wie ein verheißenes Paradies erscheinenden Tales, das dann unter den großen Mogul-Kaisern Akbar, Jahangir und Sha Jahan ein Jahrhundert von Frieden, Wohlstand und Kreativität erleben sollte. Die berühmten, islamischen Paradiesvorstellungen nachempfundenen kaiserlichen Gärten sind noch heute herausragende Sehenswürdigkeiten in Kaschmir und, wie die Paläste und Moscheen, Zeugnisse dieser großen Zeit Kaschmirs. Es war wohl auch diese Zeit der großen, Luxus und Schönheit liebenden Mogul-Kaiser, als sich in Kaschmir die Textilkunst zu vorher unbekannten Höhen aufschwang und mit dem Kaschmirschal einen Markenartikel schuf, der bis heute Bestand hat. Dabei sind die Grundlagen dieses Ruhms, die paschmina genannte Wolle einer domestizierten Ziege oder das noch feinere shahtoosh der tibetischen Wildantilope Tschiru in Kaschmir gar nicht heimisch, sondern seit jeher nur Handelsware. Der Essay von Frank Ames, dem großen Kenner kaschmirischer Textilien, über Teppiche aus pashmina, die wohl alle in Indien geknüpft wurden und über Kaschmir-Schals und deren Einfluss auf die europäische Mode im 18. und 19. Jahrhundert beschließt die Essays über Kunst und Kunsthandwerk von Kaschmir.

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