Bhutan

Autor/en: Wilhelm Klein, Günter Pfannmüller
Verlag: Frederking & Thaler
Erschienen: München 2006
Seiten: 192
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: € 75.–
ISBN: 3-89405-646-0
Kommentar: Michael Buddeberg, Dezember 2006

Besprechung:
In einem wunderschönen und fruchtbaren Land, in dessen Dschungeln Tiger und Elefanten in friedlicher Eintracht leben und dessen eisbedeckte Berge sich bis weit über die Wolken erheben, lebt ein junger König mit seinen vier schönen Frauen. Er ist Herrscher über ein glückliches Volk, das seinen König verehrt und liebt, das in schönen, bunt bemalten Häusern lebt, das fruchtbare Land bebaut und keine Sorgen kennt. Das klingt wie der Beginn eines Märchens aus vergangener Zeit, und doch gibt es dieses Land. Der König ist Jigme Singye Wangchuk und sein Land ist Bhutan, das Reich des Donnerdrachens, ein buddhistisches Königreich im südöstlichen Himalaya zwischen Indien und Tibet. Bhutan gehört gewiß zu den erstaunlichsten Ländern dieser Erde. Die landschaftliche Schönheit dieses Berglandes, das von der indischen Tiefebene bis an den Hauptkamm des Himalaya reicht, der Reichtum von Flora und Fauna und die intakte, Jahrhunderte zurückreichende, religiöse und kulturelle Tradition sind einzigartig. Bhutan blieben die Verheerungen des Kolonialismus ebenso erspart wie soziale Revolutionen. Gewiss gab es Kriege, Auseinandersetzungen und Kämpfe um die Macht. Aber das liegt lange zurück. Seit die Fürsten von Tongsa im Jahre 1907die Dynastie der Wangchuk begründeten herrscht Frieden im Lande und der Ausspruch des gegenwärtigen, vierten Königs Jigme Sangye, „Anstatt unsere Anstrengungen auf das Bruttosozialprodukt zu konzentrieren, wollen wir nach Bruttosozialglück streben“ besagt, dass in diesem Lande geistige und menschliche Werte, eine Art spiritueller Wohlstand, höher geschätzt werden als das Streben nach Besitz und Fortschritt. Das klingt alles recht schön aber doch ein wenig rückständig. Ist es aber nicht, denn die moderne Welt und ihre fortschrittliche Technik, kurz die Globalisierung, haben natürlich auch Bhutan erreicht. Der Versuch, dennoch den eigenen Traditionen und Werten treu zu bleiben und dabei behutsam die Vorzüge der Moderne für sich nutzbar zu machen, hat eine Art Märchenland, ein Stück Paradies entstehen lassen. Wie aber kann ein Buch diesem Land gerecht werden? Die Autoren, vor allem der Fotograf Günter Pfannmüller haben einen ungewöhnlichen Weg gewählt. Mit allerhöchster Genehmigung des Königs von Bhutan haben sie auf ihrer Reise durch Bhutan ein komplettes 8 x 4 x 4 Meter großes zerlegbares Fotostudio dabei gehabt, um überall im Lande unter optimalen und gleich bleibenden Studiobedingungen Portraitaufnahmen von Menschen aus Bhutan machen zu können. Wer nun weiß, dass es in Bhutan nur sehr wenige Strassen gibt und dass viele Ziele nur mittels langer Fußmärsche erreichbar sind, kann ermessen, was es bedeutet, diese Ausrüstung auf steilen Bergdschungelpfaden bis zu den in großer Höhe lebenden Brokpas, den Yak- und Schafhirten Bhutans zu tragen. Das Ergebnis aber ist großartig. Entstanden sind wunderbare Portraits dieser stolzen, selbstbewussten Nomaden, Männer, Frauen und Kinder, aber auch Portraits von Mönchen und Tempeltänzern, von Bauern und Handwerkern, von modernen jungen Menschen in der Hauptstadt Thimpu, von Regierungsbeamten und von Mitgliedern des Königshauses. Alle Gesichter in diesem Band spiegeln das Selbstbewusstsein und die Würde aber auch die selbstverständliche Schönheit von Menschen wider, die ihren festen Platz in einer traditionellen Gesellschaft haben. Aus dem Königshaus sehen wir den fünfjährigen Ugyen Jigme, das Nesthäkchen der königlichen Familie, drei der vier Schwestern, die Jigme Singye 1979 geheiratet hat und den 1980 geborenen Jigme Khesar Namgyal Wangchuk, im ganzen Land stets nur als Kronprinz bekannt. Er wird im Jahre 2008 nach dem Wunsch seines Vaters die Königswürde übernehmen und der fünfte König von Bhutan sein. Es ist so etwas wie das „Bruttosozialglück“, das Günter Pfannmüller in diesen drei Dutzend Portraits eingefangen hat und das dem Leser über die Menschen Bhutans einen Zugang zu diesem Land verschafft. Ergänzt wird das durch wunderbar gesehene, stimmungsvolle Fotos von Landschaften, von den Dzongs, den meist aus dem 17. Jahrhundert stammenden Kloster- und Verwaltungsburgen, mit Aufnahmen vom Leben der Mönche, Bauern und Nomaden, von Heiligen Plätzen und von Tempelfesten, die mit ihren rituellen Tänzen den Höhepunkt im Jahreslauf Bhutans bilden. Ergänzt werden die Bilder aber auch durch die Texte von Wilhelm Klein, die sachlich über Geschichte, Wirtschaft, Geographie, Klima und Lebensbedingungen Bhutans informieren, die aber auch vermitteln, wie die ungebrochenen religiösen und kulturellen Traditionen bis heute den Alltag seiner Bewohner bestimmen und warum die spirituellen Werte von Mitgefühl und Nächstenliebe auch in einer Gesellschaft des 21. Jahrhunderts gelebt werden können. Ein faszinierender Blick auf eine verborgene Welt im Wandel, auf ein Land, das in vielfacher Hinsicht Beispiel für die ganze Welt sein könnte.

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