Maiolica in Renaissance Venice – Ceramics and Luxury at the Crossroads

Maiolica in Renaissance Venice – Ceramics and Luxury at the Crossroads

Autor/en:         Karine Tsoumis

Verlag:            Hirmer Verlag

Erschienen:     München 2021

Seiten:             192

Buchart:          Hardcover

Preis:               € 45,00

ISBN:             978-3-7774-3577-0

Kommentar:    Michael Buddeberg

 

Der Kirchenschatz von San Marco in Venedig verwahrt einen Krug aus Qingbai-Porzellan, der noch im späten 13. Jahrhundert oder wenig später im chinesischen Dehua hergestellt wurde. Er gehört wohl zu den frühesten Exemplaren chinesischen Porzellans, die Europa erreichten. Ob sich diese Kostbarkeit, wie behauptet wird, im Gepäck von Marco Polo befand, als er nach einem vieljährigen Aufenthalt im fernen Osten im Jahre 1295 wieder in seiner Heimatstadt Venedig eintraf, ist nicht gesichert; diese Legende ist aber ein Hinweis auf die bedeutende Rolle, die Porzellan und andere Waren aus dem fernen, aber auch dem mittleren oder Nahen Osten für die Funktion Venedigs als eine der wichtigsten Handelsmetropolen im ausgehenden Mittelalter und in der Renaissance gespielt haben. Aus Archiven und Inventaren weiß man, dass Adel und Klerus, aber auch Handelsmagnaten, schon lange vor der Eröffnung des Seeweges nach China eines oder gar mehrere dieser seltenen, prestigeträchtigen und geheimnisvollen Objekte aus Porzellan besaßen.

Was hat das mit dem Thema venezianischer Majolika in der Zeit der Renaissance zu tun, wird sich mancher Leser fragen. Eine ganze Menge, denn der reich illustrierte Katalog einer Ausstellung des Gardiner Museums in Toronto (14. Oktober 2021 bis 9. Januar 2022) nimmt die Präsentation der von Helen Gardener dem Museum überlassenen, bedeutenden Majolika-Sammlung zum Anlass, Aufstieg und Blüte Venedigs zur Zeit der Renaissance darzustellen, als die Lagunenstadt zu einer Drehscheibe des Handels mit der Welt des Orients und des Fernen Ostens wurde. Von dort kam nicht nur das weiße Gold aus Sinan über die Seidenstraße nach Europa sondern es erreichten Venedig aus dem Orient auch kunstvoll verzierte Metallobjekte, Glas mit buntem Emailledekor, goldglänzende Stoffe, schillernde Samte, Teppiche als der Inbegriff des Luxus und – wenn auch auf dem Umweg über das maurische Spanien – Steinzeug mit weißen oder metallisch glänzenden Glasuren, wie man sie zuvor noch nie gesehen hatte.

Der Ursprung dieser mit Zinnglasur versehenen Keramik, die als Majolika oder Fayence seit dem 14. Jahrhundert einen Siegeszug durch ganz Europa antrat, dem erst im 18. Jahrhundert durch die Entdeckung des Porzellanrezepts in Meißen Einhalt geboten wurde, liegt im 8. Jahrhundert im Gebiet des heutigen Irak. Über Nordafrika, das maurische Spanien, Mallorca (daher der Name Majolika) erreichte diese Technologie Italien. Manufakturen entstanden zunächst in Urbino, Deruta und Faenza, bald aber auch in Venedig, das sich als aufstrebende Metropole für Handel und Luxus zum Magnet auch für Kunsthandwerker entwickelte. Die Serenissima unterstützte die einheimische Wirtschaft durch Importverbote, Majolika-Dynastien wie die der Familie Jacomo de Pesaro entstanden und venezianische Majolika, oft auch mit Mustern, die sich am chinesischen Blau-Weiß orientierten, waren in ganz Europa hochbegehrt. So orderten zum Beispiel Nürnberger Patrizierfamilien über ihre Handelsniederlassungen  in Venedig mit ihren Familienwappen versehene Prunkplatten.

Über diesem zentralen Thema des Kataloges werden die vielfachen weiteren Verbindungen mit dem Orient und dessen Einflüsse nicht vergessen. So ist das venezianische Glas, das mit den berühmten Manufakturen in Murano bis heute Weltgeltung besitzt, ohne die technisch perfekten Vorbilder aus Syrien oder Ägypten nicht denkbar. Die ersten in Venedig nach den Mustern aus dem Osmanischen Reich auf komplizierten Webstühlen hergestellten Samte können auch von Fachleuten nur schwer von den Originalen aus Bursa und anderen Webzentren Kleinasiens unterschieden werden. Die Zahl und Qualität der in venezianischen Schatzkammern gefundenen orientalischen Teppiche aus dem mamlukischen Ägypten oder dem osmanischen Reich belegen, dass Venedig der wohl wichtigste Umschlagplatz für diese Luxuswaren war. Arabesken und andere orientalische Muster in geklöppelter Spitze oder als mit Silber eingelegtem Dekor auf Platten und Leuchtern aus Messing, vor allem aber die Darstellung orientalischer Objekte – hier sind besonders Teppiche als Hinweis auf Reichtum und Luxus zu erwähnen – auf den Bildern venezianischer Maler wie Bellini, Tizian, Lotto oder Veronese, zeigen die enge Verbindung Venedigs mit dem Orient  und dem fernen Osten zur Zeit der Renaissance. Kurzum: Ein Buch – und eine Ausstellung – das weit mehr bietet als der Titel verheißt.

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