Indian Cotton Textiles – Seven Centuries of Chintz from the Karun Thakar Collection

Indian Cotton Textiles – Seven Centuries of Chintz from the Karun Thakar Collection

Autor/en:         John Guy

Verlag:            ACC Art Books

Erschienen:     Woodbridge, Suffolk 2015

Seiten:             172

Buchart:          Leinen mit Schutzumschlag

Preis:               GBP 40,00

ISBN:             978-1-85149-809-3

Kommentar:    Michael Buddeberg

 

Schon Jahrhunderte vor der Entdeckung des Seeweges nach Indien waren indische Baumwollstoffe ein wichtiger Handelsartikel im indisch-südostasiatischen Raum. Gewürze gegen Textilien lautete die Formel für einen blühenden Handel, der die begehrten Gewürze wie Pfeffer, Nelken und Muskatnuss nach Indien und China und den Produzenten dieser Spezereien in Java und auf den so genannten Gewürzinseln ansehnlichen Reichtum brachte. Dieser wiederum ermöglichte ihnen den Import luxuriöser und aufwändig dekorierter Baumwollstoffe aus Indien, die dann als verehrter und kostbarer Familienbesitz von Generation zu Generation vererbt und sorgfältig verwahrt wurden. So ist erklärbar, dass sich Beispiele dieser Textilien aus dem 13. und 14. Jahrhundert nicht am Ort ihrer einstigen Herstellung, in Gujarat oder an der indischen Koromandelküste gefunden haben, sondern im weit entfernten Südostasien und in Ceylon, dem heutigen Sri Lanka. Gewürze gegen Textilien, diese Formel hatten Jahrhunderte später auch die Portugiesen und Niederländer nach der Entdeckung des Seewegs nach Indien rasch begriffen und nutzten indische Textilien als Tauschware gegen die in Europa mit Gold aufgewogenen exotischen Gewürze. Indische Textilien wurden in Europa nicht vor dem 17. Jahrhundert populär und erst als indische Produzenten das Design ihrer Baumwollstoffe dem europäischen Geschmack angepasst hatten, wurde sie als Chintz zum Exportartikel. Beide, also die frühen für Sri Lanka und Südostasien bestimmten, bedruckten und bemalten Baumwolltextilien und die nach Europa exportierten Chintze, allesamt von höchster Qualität, sind Gegenstand des Buches über „Indian Cotton Textiles“ aus der Sammlung von Karun Thakar.<br><br>

Mit John Guy, Kurator am Metropolitan Museum of Art hat sich Karun Thakar eines kongenialen Autors für diese Publikation versichert, der in seinem Essay „Patterns from the Past“ versucht, aus den wenigen frühen Spuren von Textilien in anderen Medien eine Geschichte dieser indischen Baumwollstoffe und ihrer Dekore zu erzählen. Die Anfänge liegen im Dunkel ferner Vergangenheit doch schon aus dem klassischen Griechenland sind erste schriftliche Hinweise auf Baumwolle aus Indien bekannt. In Rom der ersten Jahrhunderte unserer Zeitrechnung zählte dann nicht nur Seide aus China, sondern auch Baumwolle aus Indien zu den begehrten Luxusgütern. Römische Münzen, Siegel und römisches Glas, die in durchaus beachtlichen Mengen an frühen indischen Handelsplätzen gefunden wurden, belegen einen damals schon schwunghaften Handel. Wandmalereien in den bis ins 5. Jahrhundert zurückreichenden Höhlentempeln im indischen Ajanta sind erste visuelle Zeugnisse für den Reichtum und die Vielfalt indischer Textilien, der auch in der indischen Literatur und sogar in den Berichten des chinesischen Pilgers Xuangzang aus dem 7. Jahrhundert gepriesen wird. Architektur und Miniaturmalerei, vor allem aber die im ägyptischen Fostat gefundenen Fragmente blockbedruckter indischer Baumwolle sind dann weitere Quellen mittelalterlicher indischer Textilkunst. Die bedeutendsten dieser Quellen, die John Guy auswertet, finden sich im Sumtsek und in der Manjushri-Kapelle des buddhistischen Heiligtums Alchi in Ladakh. Achtzig hervorragend erhaltene, mit Textilmustern bemalte hölzerne Deckenpaneele sind so etwas wie ein Musterbuch mittelalterlicher indischer und zentralasiatischer Textilien des 13. Jahrhunderts. Ergänzt werden sie durch die Darstellungen von Gottheiten und adeligen Stiftern auf den Wandmalereien der Tempel, deren Tuniken, Umhänge ebenso wie der Schmuck ihrer Reittiere zeigen, was die Schneider jener Zeit aus den Stoffen zu zaubern wussten. Von einfachen Plangi-gefärbten Textilien über gebeizte Muster bis zu aufwändigen Seidenbrokaten in Lampastechnik mit gegenständigen Löwen oder mit Pfeil und Boden nach rückwärts schießenden Reitern im Perlkreis findet sich hier reichstes Anschauungsmaterial und natürlich kann John Guy Parallelen und Verbindungen zu einzelnen Textilien der Sammlung von Karun Thakar herstellen.<br><br>

Die 63 im Buch mit ausführlichen Beschreibungen und mit Detailvergrößerungen optimal dargestellten indischen Baumwolltextilien aus der Karun Thakar Collection sind eine Sammlung, die weltweit nichts ihresgleichen hat. Die extrem seltenen Exemplare aus dem 13. bis 15. Jahrhundert aber auch die späteren Beispiele, zum Teil mit narrativen figürlichen Darstellungen, mit floralen Mustern im Rapport oder solchen, die von Patolas abgeleitet wurden, sind entweder Unikate wie der „Kräuter-Sammler“ aus dem 17 Jahrhundert oder es sind die jeweils besten ihrer Gattung. Mit relativ einfachen Techniken, mit Blockdruck oder mit dem Farbauftrag in Beiz- und Reservetechniken wussten die anonymen indischen Künstler außergewöhnliche Textilkunstwerke herzustellen, die, wie etwa der Chintz-Behang mit Szenen aus dem britisch-kolonialen Alltag des 18. Jahrhunderts nicht nur ästhetisch befriedigen sondern darüber hinaus Geschichten erzählen. Mit einer eigenartigen und seltenen Gruppe von Baumwolltextilien aus dem 19. Jahrhundert, die in Sri Lanka gefunden wurde und deren Herkunft aus Europa vermutet wird, schließt das ungewöhnlich interessante Textilbuch.

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