Autor/en: Peter ten Hoopen
Verlag: Fundaҫâo Oriente Museu
Erschienen: Lissabon 2014
Seiten: 144
Ausgabe: Softcover
Preis: USD 37,50
ISBN: 979-989-8651-07-5
Kommentar: Michael Buddeberg, Februar 2015
Besprechung:
„Der Liebeskäfer – Tropische Erzählungen“, erschienen 1986, ist das einzige in die deutsche Sprache übersetzte Werk des 1944 in Enschede geborenen und seit Jahren in Portugal lebenden, holländischen Roman- und Sachbuchautors Peter ten Hoopen. Und nun eröffnen eine Ausstellung indonesischer Ikat-Textilien aus der „Pusaka-Collection“ von Peter ten Hoopen im Museu do Oriente in Lissabon, die vor wenigen Tagen (am 15. Januar 2015) ihre Pforten schloss und der dazu erschienene Katalog einen ganz anderen Blick auf diesen Autor und Sammler.
Es ist eine erstaunliche Tatsache, dass sich frühe indische Textilien, unter ihnen die prachtvollen und in komplizierter Doppel-Ikat-Technik gewebten patolas in nennenswerter Zahl nicht im Land ihrer Herstellung, sondern im indonesischen Archipel erhalten haben. Da die klimatischen Verhältnisse im tropischen Indonesien für Textilien noch um einiges schlechter sind als im indischen Gujarat bedarf dies einer Erklärung. Aus den Annalen der Dutch East Indian Trading Company ist bekannt, dass sich die holländischen Kapitäne und Handelsherren beim Besuch der angesteuerten Gewürzinseln deren Eliten und Dorfältesten durch Geschenke indischer Textilien geneigt zu machen suchten. Durch ihre Seltenheit und Schönheit gewannen diese Textilien, vor allem die patolas, rasch eine Funktion als Amulett, als außergewöhnliche Objekte mit übernatürlichen Kräften, die vor Unheil und vor dem Bösen schützen. Sie galten als Familienschätze, wurden sorgfältig verwahrt, nur zu besonderen zeremoniellen Anlässen hervorgeholt und haben so Jahrhunderte überdauert. Sie haben darüber hinaus die lokale textile Produktion beeinflusst und geprägt und sie haben bewirkt, dass indonesische Ikats in ihrer technischen Qualität, ihrem ikonographischen Gehalt und ihrer kultischen Bedeutung den indischen Vorbildern nicht nachstehen. Mit dieser Historie ist es naheliegend und ein schöner Einstieg in das Thema des kataloges, dass ein prachtvoll erhaltener indischer patola aus dem 18. Jahrhundert, eines der attraktiven „Elefantentücher“, von denen weltweit nur ein Dutzend bekannt sind, den Cover des Kataloges über indonesische Ikats ziert. In seinem Inneren präsentiert sich dann ein Kaleidoskop dieser Ikatstoffe, wie es in dieser Vielfalt und Qualität bisher nicht zu sehen war. Dem Sammler und Autor war es dabei ein Anliegen, nicht nur Indonesien, sondern alle Regionen, konkret also alle Inseln des südostasiatischen Archipels zu erfassen und mit Beispielen vorzustellen, die nach heutigem Wissen als Produktionsstätten von Ikatgeweben in Frage kommen. Wir sehen also nicht nur Ikats aus Sumatra, Borneo, Sumba, Flores oder Bali, sondern auch Gewebe von Inseln und Inselgruppen, die in normalen Atlanten nicht zu finden sind. Wer weiß schon, dass das winzige, nur 5 km lange Inselchen Ndao, das zur Roti-Gruppe südlich von Timor gehört, eine lange Ikat-Tradition aufweist oder dass von einigen der in die hunderte gehenden Inseln der Molukken, von Babar, Kisar oder Tanimbar schöne Ikats bekannt sind. Knapp 80 dieser in aufwändiger Technik gefärbten und gewebten, fast ausschließlich für zeremoniellen und kultischen Gebrauch genutzten Textilien, überwiegend vom späten 19. bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts hergestellt, werden im Katalog seitengroß und dekorativ auf schwarzem Grund abgebildet und beschrieben. Die Muster reichen vom reinen Streifendekor über geometrische und florale Motive bis zu komplizierten Darstellungen von realen oder mythischen Tieren, von Menschen, Geistern und Göttern. Das indische Vorbild, die Musterung der patola, ist häufig zu erkennen, ebenso wie europäischer Einfluss aber auch die regionalen Besonderheiten und Stile. Die begrenzte Anzahl und der Anspruch, alle Herkunftsinseln zu erfassen, bringen es allerdings mit sich, dass stets nur einige wenige, oft nur ein einziges Exemplar, als Beispiel für eine Gruppe stehen und es damit schwer oder gar unmöglich ist, gruppenspezifische Stile und Besonderheiten zuverlässig festzustellen. So bleibt etwa von dem farblich wunderschönen Streifensarong von der Molukkeninsel Lakor, dem weltweit einzigen Ikatgewebe mit dieser Herkunft, die nicht zu beantwortende Frage, ob es ein singuläres Einzelstück oder ein Beispiel für eine gänzlich verschwundene oder noch zu entdeckende Gruppe ist. Mit seinen einführenden und nach den Herstellungsstätten gegliederten Texten legt Peter ten Hoopen die komplexen historischen, ethnologischen und religiösen Grundlagen dieser Textilkunst dar, ihre Entstehung, Entwicklung und Bedeutung in einer sich verändernden Gesellschaft und ihren vermutlichen Untergang in einer Welt, in der Spiritualität und Ritual mehr und mehr Opfer der Globalisierung werden. Auch indonesische Ikats sind damit eine textile Kunst, die der Vergangenheit angehört.
Eine ideale Ergänzung des Kataloges bietet die von Peter ten Hoopen gestaltete Website www.ikat.us. Dort wird die gesamte „Pusaka-Collection“ traditioneller Ikats aus Indonesien mit insgesamt etwa 200 Exemplaren vorgestellt und man findet dort auch alle diejenigen Informationen, die man im Katalog vermisst, wie etwa die technischen Daten und Maße der Stücke, Hinweise auf Literatur und Vergleichsobjekte, auf Sammlungen und Museen und vieles andere mehr.