Transylvania´s Hidden Treasures – Keramik und Textilien aus der Sammlung von Bartha

Transylvania´s Hidden Treasures – Keramik und Textilien aus der Sammlung von Bartha

Autor/en:        Raphael Suter (Hrsg.)

Verlag:            Kulturstiftung Basel H. Geiger

Erschienen:     Basel 2022

Seiten:            278

Buchart:          Leinenband

Preis:              auf Anfrage

ISBN:              978-3-9525343-4-2

Kommentar:   Michael Buddeberg

 

Transsilvanien, das Land im südlichen Teil des Karpatenbogens, seit 1918 ein Teil Rumäniens ist hierzulande besser bekannt als Siebenbürgen. Es blickt auf eine äußert wechselvolle Geschichte zurück. Über Jahrhunderte markierte es die Grenze zwischen dem Abend- und dem Morgenland, war Durchzugsgebiet und Zankapfel rivalisierender Mächte und musste sich, unterbrochen von Zeiten relativer Autonomie den Magyarenstämmen, den Habsburgern, den Osmanen und schließlich dem Königreich Ungarn unterordnen. Ein stabilisierender Faktor waren die seit dem 12. Jahrhundert überwiegend aus dem Rheinland in dieses Grenzland umgesiedelten Siebenbürger Sachsen, die nicht nur ein Bollwerk gegen Übergriffe aus dem Osten waren, sondern auch deutsche Sprache und Kultur in den Balkan brachten. Von den einst etwa dreihundert von ihnen errichteten Kirchenburgen, die in Krisenzeiten ganzen Dörfern Schutz boten und oft auch Speicher für lebenswichtige Vorräte und Saatkorn vorhielten, sind viele noch erhalten und gelten als Meisterwerke abendländischer Baukunst und bedeutendstes kulturelles Erbe Siebenbürgens. Dass in vielen dieser schmucklosen protestantischen Wehrkirchen seltene anatolische Teppiche aus dem 16. bis 18. Jahrhundert an den Wänden und Emporen hängen, die so genannten „Siebenbürger“, hat natürlich auch mit der Lage zwischen Ost und West zu tun, ist aber eine ganz andere Geschichte (nachzulesen im Archiv der Buchbesprechungen unter dem Autorennamen Ionescu).

Über die Kirchenburgen und den Teppichschatz, den sie bergen hinaus ist siebenbürgische Handwerkskunst, hier vor allem Keramik und Textilien, nahezu unbekannt. So ist die Ausstellung einer bedeutenden Privatsammlung dieser „Hidden Treasures“ in der Kulturstifung Basel und der dazu erschienene Katalog (Texte deutsch und englisch) eine Überraschung und das in zweifacher Hinsicht: Zum einen öffnet sich ein Fenster in eine bäuerliche Volkskunst auf einem erstaunlich hohen ästhetischen Niveau und zum anderen ist der Sammler kein anderer als der namhafte Galerist und Kunsthändler Miklós von Bartha, dessen Galerie in Basel seit Jahrzehnten vor allem Künstler des Kontruktivismus und zeitgenössischer Kunst präsentiert. Von Bartha stammt aus einem kleinen Dorf im Dunstkreis von Kronstadt (heute Brasov) und er hat in fünf Jahrzehnten eine einzigartige Sammlung von ca. sechshundert Keramiken und Textilien zusammengetragen von denen ein repräsentatives Drittel im Katalogbuch abgebildet und beschrieben wird.

Keramikfreunde wissen die Habaner Fayence ob ihrer perfekten Glasur, der klaren Farben und nicht zuletzt wegen ihrer Seltenheit zu schätzen. Es waren Habaner Glaubensflüchtlinge aus Mähren, die es im 17. Jahrhundert nach Siebenbürgen verschlug und die dort eine Keramik-Produktion nach Habaner Art etablierten. Aus diesen Anfängen verbreitete sich dieses Kunsthandwerk rasch in ganz Siebenbürgen und es entwickelten sich für die Teller, Platten und vor allem für die in ihrer Form so typischen schmalen Henkelkrüge mit dem hohen, trichterförmigen Oberteil typische Dekore, die den städtischen Zentren wie Klausenburg., Hermannstadt, Bistritz und anderen zugeschrieben werden. Die Sammlung von Bartha, die von Eniko Szöcsné Gazda vom Szekely National Museum in Sf  beschrieben wird, hat neben einigen frühen Stücken in Habaner Tradition ihren Schwerpunkt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Es ist ein bunter Reigen keramischer Objekte aus bäuerlichen Haushalten, die nicht nur für den täglichen Gebrauch bestimmt waren, sondern auch dazu dienten, die einfachen Bauernhäuser zu schmücken. Sammlung und Katalog machen klar, dass Siebenbürger Töpfer einen wichtigen Beitrag zur europäischen Keramik geleistet haben, dass aber hinsichtlich der Datierung und der Zuordnung der Objekte zu einzelnen Zentren noch viel wissenschaftliche Arbeit zu leisten ist. Vorerst aber ist „Transylvania´s Hidden Treasures“ das maßgebende Handbuch zur Siebenbürgischen Keramik.

Während der keramische Teil von Sammlung und Katalog ganz Siebenbürgen umfasst, beschränkt sich die Sammlung Siebenbürger Textilien auf die Dörfer der Region Kalotawinkel (Kalotaszeg) westlich von Klausenberg (heute Cluj.Napoca). Einst zum Königreich Ungarn gehörend, gilt die Region als Hüterin der Textilkunst und alter siebenbürgisch-ungarischer Volkstrachten. Zu verdanken ist das vor allem der Dame Zsigáné Gyarmathy, die – ganz einer paneuropäischen Entwicklung folgend, altes Handwerk wiederzubeleben – im ausgehenden 19. Jahrhundert die nur noch in Truhen aufbewahrten alten Stücke entdeckte und ein häusliches Kleingewerbe begründete, das die Muster der fast vergessenen Textilkunst wiederaufgriff. Die Stickerei aus Kalotawinkel gewann rasch Ansehen, hatte Erfolg auf internationalen Ausstellungen, und zu den traditionellen Textilien für die bäuerliche Prunkstube, zu den Kissen, Leintüchern und Tischdecken kamen alle Arten von Textilien für die bürgerlichen Haushalte wie Decken, Vorhänge und vieles andere mehr. Die Autorin dieses Beitrages, Edit Katona aus Budapest, erläutert die angewandten Sticktechniken und vor allem die Vielfalt der Motive von rein geometrischen Gestaltungen über Blumenkompositionen und Vasenmotive bis zur Darstellung von Vögeln und Hirschen. Auch für diese Textilien gilt, wie schon für die Keramik: Es ist ein erster und spannender Blick in eine bis heute weitgehend unbekannte Volkskunst, die bei weiterer Forschung, Feldarbeit und sammlerischen Engagement gewiss noch manche Überraschung bereithält.

Nur am Rande sei angemerkt, dass die Sammlung von Bartha, hier die Dekore auf Tellern, Krügen und Textilien, die amerikanische, in Mailand mit ihrem Label „Le DoubleJ“ erfolgreiche Modedesignerin JJ Martin zu einer fantasievollen Kollektion inspiriert hat. Wohl im Bewusstsein, dass Mode ein sehr vergängliches Genre ist, hat die Kollektion keine Aufnahme in den Katalog gefunden; in der Ausstellung in Basel kann sie gleichwohl bis zum 6. November 2022 bewundert werden.

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