Byzantine Silk on the Silk Roads – Journey between East and West, Past ad Present

Byzantine Silk on the Silk Roads – Journey between East and West, Past ad Present

Autor/en:         Sarah E. Braddock Clarke, Ryoko Yamanaka Kondo (Hrsg.)

Verlag:            Bloomsbury Visual Art

Erschienen:     London New York Oxford New Delhi Sidney 2022

Seiten:             XX/376

Buchart:          Softcover

Preis:               GBP 30,00

ISBN:             978-1-350-09933-3

Kommentar:    Michael Buddeberg

 

Unter dem Eindruck dieses bemerkenswerten Buches ist eines klarzustellen: Seide wurde lange vor der Zeitenwende in China erfunden und auch der Webstuhl, mit dem figürliche Brokate in vielen Farben gewebt werden können, ist eine chinesische Erfindung aus der Zeit der Han-Dynastie. Klar ist ferner, dass sich die Seidenstrasse von China bis ans östliche Mittelmeer erstreckte und dass Japan oder das islamische Spanien nicht eigentlich Bestandteil dieses Handelsweges waren. Dies vorausgeschickt ist „Byzantine Silk on the Silk Roads“ eine wahre Fundgrube an Information und Wissen über Brokat von Japan bis Al-Andalus und – das besagt schließlich der Titel – aus Byzanz und den von Byzanz beherrschten Regionen.

Zuallererst ist hier die Übersicht über dreißig der bedeutendsten Museen, Sammlungen und Kirchenschätze zu erwähnen, die mit ihren wichtigsten textilen Objekten des 6. bis 11. Jahrhunderts vorgestellt werden, eingeleitet meist von den für diesen Bereich zuständigen Kuratoren und versehen mit Informationen über Maße und Struktur. Vorgestellt werden die Objekte der Vatikanischen Museen, des Victoria & Albert, des Musée de Cluny, der Abegg Stiftung, des Smithsonian Design Museum, des Diözesan Museums in Brixen und viele andere mehr. Silvia Saladrigas Chengs Beitrag über die in Lampastechnik gewebten Textilien aus Al-Andalus ist ebenso hervorzuheben wie Louise Mackies Artikel über islamische Textilien aus dem Cleveland Museum of Art, hier natürlich besonders der „Prince´s Coat“ des 8. Jh. aus dem östlichen Iran oder aus Sogdien. Ryoko Yamanaka Kondo als Mitherausgeber und Autor hat gleich mehrere Beiträge geschrieben, von welchen der mit Dutzenden von Illustrationen und Zeichnungen versehene Essay über die höfischen Kostüme in Byzanz besonders zu erwähnen ist. Sassanidische und sogdische Seidengewebe oder Brokate aus Zentralasien bilden weitere Themen und ein sehr detaillierter Beitrag über die verschiedenen Techniken der Brokatweberei, über Samit, Lampas Taqueté und andere runden das Thema ab.

Byzanz, das oströmische Reich, existierte, wenn man die Regierungszeit Konstantins des Großen als Beginn ansetzt etwa vom Jahr 330 n.Chr. über mehr als eintausendeinhundert Jahre bis 1453 der Osmane Mehmet II Konstantinopel eroberte. Die größte Ausdehnung erreichte das byzantinische Reich allerdings schon im 6. Jahrhundert, als es nahezu den gesamten Mittelmeerraum kontrollierte, sich dann aber mehr und mehr auf dessen östliche Regionen beschränkte. Wann die Seidenproduktion Byzanz erreichte und von wo, ob aus China oder aus dem Reich der Sassaniden ist nicht wirklich geklärt. Klar ist indessen, dass sich Konstantinopel, vor allem aber Bursa relativ früh, vielleicht schon im 9. oder 10. Jahrhundert zu Zentren der Seidenweberei entwickelten. Es dauerte dann noch einmal Jahrhunderte, bis die Seide über Lucca, Florenz und Genua Italien und – auf dem Umweg über Nordafrika – das islamische Spanien, Al-Andalus, erreichte. Es mag dem japanischen Blick nach Westen geschuldet sein, dass die überwiegend japanischen Autoren figürliche Seidenbrokate gleichsam pauschal dem byzantinischen Reich und dessen Einflusssphäre zuschreiben und zu dem gewiss anfechtbaren Ergebnis gelangen, dass die byzantinische Seide den Glanz von Byzanz repräsentierte und allen sonstigen Geweben überlegen war. Fast ein Jahrtausend, so schreibt R. Y. Kondo in seinem zentralen Essay, waren die Seidenbrokate, die unter der Herrschaft der byzantinischen Kaiser gewebt wurden kräftiger, freier und intelligenter als das, was in der gleichen Technik aus China, aus Zentralasien, aus dem Iran oder aus Japan kam.

„Past and Present“ ist im Untertitel zu lesen und will behaupten, dass das byzantinische Erbe der Seidenweberei bis heute nachwirkt. Zum Beleg werden von der Mitherausgeberin Braddock Clarke Models von Dolce & Gabbana, Lagerfeld, Versace, Valentino  und anderen Couturiers in prachtvollen Roben gezeigt, welche indessen Anleihen an den Musterschatz byzantinischer Seiden kaum erkennen lassen. Auch die genannte Robe von Dolce und Gabbana mit einem Motiv aus der Kathedrale Monreale in Palermo verweist auf das normannische Sizilien und nicht auf das damals längst nach Osten abgedriftete Byzanz. Einen ganz anderen Weg gehen hier in Japan die Firmen Takata (Institute of Japanese Imperial Classical Costume) und Tatsumura, die die in dem berühmten Schatzhaus Shoso-in und dem Tempel Horyu-ji verwahrten Brokate, japanisch nishiki genannt, originalgetreu nachweben. Das Design der „Four Mounted Lion Hunters“ (aus der chinesischen Sui- oder Tang-Dynastie) ist hier das bekannteste und seit Jahrzehnten hergestellte und vertriebene Produkt von Tatsumura.

Dem Textteil folgt ein umfangreicher Anhang, wobei eine achtspaltige, chronologische Übersicht über Zivilisationen und ihre Textilien ebenso hervorzuheben ist wie ein recht vollständiges Glossar und eine Bibliographie.

Kurzum: Man muss nicht mit allem einverstanden sein, was dort geschrieben steht; dennoch ist die Summe der Informationen und die schiere Anzahl der abgebildeten frühen Brokate, die sonst nur mühsam aus teils entlegenen Quellen zusammengesucht werden müssen, die Investition in dieses Buch allemal wert.

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