Schritte zur Erkenntnis – Neuzugänge der Tibet-Sammlung Berti Aschmann im Museum Rietberg, Zürich

Autor/en: Heidi von Schroeder-Imhof
Verlag: Museum Rietberg
Erschienen: Zürich 2006
Seiten: 120
Ausgabe: Hardcover illustriert
Preis: CHF 58.–, € 41.60
ISBN: 3-907077-22-9
Kommentar: Michael Buddeberg, September 2006

Besprechung:
Seit 1995 nimmt das Museum Rietberg in Zürich, was seinen Bestand an Skulpturen aus dem tibetischen Kulturkreis anlangt, im internationalen Vergleich einen der vordersten Ränge ein. Zu verdanken ist das der Großzügigkeit einer Züricher Sammlerin. Berti Aschmann hat bereits zu einer Zeit ihre Liebe für diese Kunstwerke entdeckt als diese meist noch als Kuriosität, bestenfalls als exotisches Kunsthandwerk angesehen wurde. Seit den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts hat Berti Aschmann mit Kennerschaft, außerordentlichem Geschmack und einem untrüglichen Sinn für Schönheit und Qualität eine Sammlung von weit über 100 buddhistischen Bronzen aus der Himalaya-Region zusammengetragen, die einen umfassenden Überblick über die Entwicklung und Verbreitung tibetischer Bronzeplastik vom 7. bis zum 18. Jahrhundert vermittelt. Diese bedeutende Sammlung ist seit Herbst 1995 als Berti-Aschmann-Stiftung ein Schwerpunkt und ein internationaler Anziehungspunkt des Museums Rietberg. Der 1995 erschiene Katalog von Helmut Uhlig, „Auf dem Pfad der Erleuchtung“ (der im Museum noch zu haben ist, CHF 48.—oder € 32.–) gehört seither zu den Standardwerken dieser Kunstform. Berti Aschmann ist am 27.08.2005 im Alter von 88 Jahren gestorben. Ihre Liebe galt bis zu ihrem Tod der tibetischen Kunst und sie hat nach Errichtung der Stiftung weitergesammelt. Diese 39 Objekte, wiederum überwiegend Skulpturen und einige wenige Thangkas erweitern und ergänzen nun die Berti Aschmann-Stiftung im Rietberg Museum. Der soeben erschienenee Katalog wurde im Andenken an Berti Aschmann publiziert. Es war der Wunsch der Sammlerin, dass ihre langjährige Freundin Heidi von Schroeder-Imhof die einleitenden Texte und die Beschreibung der Kunstwerke verfasst. Wie schon im Katalog aus dem Jahre 1995 steht dabei die kultische Bedeutung der Figuren, ihre ikonographische Bestimmung und ihre Funktion im religiösen Ritual im Vordergrund. Sie wurden nicht als Kunstwerke geschaffen, sondern als Kult- und Meditationsgegenstände. Sie gelten als personifizierte Manifestationen geistiger und psychischer Kräfte und dienen dem Praktizierenden als Hilfsmittel zur Visualisierung und Meditation. Für ihn sind es Werkzeuge und Instrumente, die er bei seinen spirituellen Übungen als Vorbild und Energiequelle nutzt. Dem entspricht die Präsentation im einleitenden Essay und die Ordnung im Katalogteil. Dem historischen Buddha und den Bodhisattvas als sterblichen Wesen, die die Erleuchtung erlangt haben, folgen der Urbuddha und die Adibuddhas oder Thatagatas als Symbole für kosmische Vorstellungen und Prinzipien, bevor dann tantrische Gottheiten in ihrer friedvollen oder zornigen Erscheinungsform das männliche und das weibliche Prinzip und die Vereinigung der Gegensätze zu einem höheren Ganzen darstellen. Lehrer und Übermittler, Lamas und Mahasiddhas, folgen in diesem Pantheon, der mit dem Stupa als kosmisches Mandala wieder zu den Grundlagen der buddhistischen Heilslehre zurückführt. Liegt auch der Schwerpunkt der Texte und Beschreibungen in der exakten Zuordnung zum buddhistischen Pantheon und der Bedeutung der Figuren in Ritual und Kult, so kommen Ästhetik und Kunstwert keineswegs zu kurz. Die hervorragenden und großformatigen Abbildungen bringen die Schönheit und künstlerische Individualität zur Geltung und es wird bewusst, dass trotz der engen ikonographischen Vorgaben ein schöpferischer Freiraum besteht, aus dem vollendete Kunst entstehen kann. Dies ist keineswegs eine ausschließlich aus westlichem Kunstverstand gewonnene Erkenntnis. Auch für den Buddhisten besteht zwischen der ästhetischen Vollkommenheit und der Heilswirksamkeit des Bildes eine unmittelbare Verbindung. Je schöner die Ausführung des Bildes, umso stärker ist seine Wirkung auf den Betrachter. Damit wird klar, dass die ästhetische Beurteilung des Bildes nicht nur für westliche Betrachter, sondern auch für den Gläubigen ein wichtiger Aspekt sein kann. Die Bedeutung und Qualität der Sammlung ist aus dem tiefen Verständnis Berti Aschmanns über den Zusammenhang zwischen der spirituellen Wirksamkeit und der ästhetischen Schönheit vollendeter tibetischer Skulpturen zu erklären. (Ab 18. Februar 2007 wird die Sammlung Berti Aschmann im wiedereröffneten Rietberg Museum an prominenter Stelle zu sehen sein).

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