Gold und Damaszenerstahl – Klingenkunst aus dem Osmanischen Reich

Autor/en:         Marcus Pilz, Bernd Augustin, Heiner Grieb (Hrsg.)

Verlag:            Kunstverlag Josef Fink

Erschienen:     Lindenberg 2024

Seiten:             391

Buchart:          Hardcover

Preis:               € 44,00                                                               

ISBN:             978-3-95976-498-8

Kommentar:    Michael Buddeberg

Das wohl im 15. Jahrhundert geschaffene fränkische Herzogsschwert gehört heute zu den Kostbarkeiten der Schatzkammer in der Münchner Residenz und ist Gegenstand eines kurios anmutenden Restitutionsstreites. Bis zu den Wirren der Säkularisation war diese Prunkwaffe das Symbol der Herzogswürde der Würzburger Bischöfe und begleitete den herzoglichen Bischof ebenso wie Stab und Mitra bei allen feierlichen Anlässen auf seinem Weg von der Konsekration bis zum Tod. Der gegenwärtige Aufenthaltsort des Schwertes wird aber von manchem fränkischen Politiker als Akt der Geringschätzung des Bezirks Franken angesehen und die Restitution nach Würzburg gefordert. Diese lokale Posse mag hier als ein Beleg dafür dienen, dass Schwerter weit über ihre Funktion als Waffe hinaus seit Jahrtausenden auch als ein Symbol für Macht und Privilegien dienten.

So ist denn auch keine der in einer Ausstellung auf der Veste Coburg versammelten 141 Klingen aus dem Osmanischen Reich – Säbel, Jatagane, Dolche, Messer – als Waffe hergestellt oder je benutzt worden. Es sind kostbarste Preziosen, gefertigt für eine traditionsbewusste Elite und über Generationen hochgeschätzt und sorgfältig verwahrt. Sie sind auch nicht etwa Beutestücke, die europäische Heerführer aus den siegreichen Türkenkriegen des 17. Jahrhunderts als Trophäen in ihre Heimat brachten, wie die Zelte, Reflexbögen, Schilde, Sättel, Zaumzeug und vieles mehr, die man heute in Ingolstadt, Krakau, Karlsruhe oder Dresden bewundern kann. Es sind vielmehr Objekte, die erst mit dem Niedergang des Osmanischen Reiches in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in den Kunstmarkt und damit in westliche Sammlungen gelangten. Marcus Pilz der als Kurator unter anderem die Sammlung historischer Waffen auf der Veste Coburg betreut, ist es gelungen mit Leihgaben aus privaten deutschen Sammlungen einen als geradezu sensationell zu bezeichnenden Überblick über fünf Jahrhunderte osmanischer Klingenkunst zu präsentieren.

Der Katalog – das sei hier als Résumé vorausgeschickt – ist ein gewichtiges, reich und anschaulich illustriertes Handbuch, wie es das bisher nicht gegeben hat und das wohl auch auf lange Zeit nicht übertroffen werden kann. Nicht nur werden die Objekte mit Akribie beschrieben und durch Vergleiche mit verwandten Stücken aus den großen Museen dieser Welt in einen größeren Zusammenhang gestellt, sondern einleitende Essays schaffen den geographischen, politischen, historischen, technischen und kunsthandwerklichen Rahmen für ein umfassendes Verständnis eines Themas, das Marcus Pilz mit den Worten „Orientalische Pracht an kostbaren Klingen“ zutreffend definiert. Die Vielfalt der Dekore und verwendeten Techniken, so sein Facit, spiegelt die Vielfalt des Osmanischen Reiches als eines multiethnischen und multikulturellen Imperiums, dessen Kultur und Kunst das Ergebnis einer Fülle unterschiedlicher Einflüsse war.

Florian Riedler, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Leipzig ist als Koordinator des DFG-Projekts „Transottomanica“, das die gesellschaftlichen und kulturellen Verbindungen und Verflechtungen des Osmanischen Reiches mit seinen nördlichen und östlichen Nachbarn, hier insbesondere Persien aber auch Indien erforscht, schreibt über die Entstehung und Geschichte des Osmanischen Reiches, über seine politische, gesellschaftliche und ökonomische Entwicklung. Zur Zeit seiner größten Ausdehnung und Macht unter Sultan Süleyman war es ein drei Kontinente übergreifender Schmelztiegel zahlreicher Ethnien und Regionen, gewissermaßen ein orientalischer Commonwealth.

Für die zwei Beiträge über Material und Herstellung der Klingen aus Stahl und deren aufwändige Verzierung durch Eisenschnitt und eingelegtes Gold konnten die Herausgeber einen Autor gewinnen, dessen als Autodidakt in jahrzehntelanger Leidenschaft erworbene Kenntnisse an Vollständigkeit und Präzision nicht zu überbieten sind. Bernd Augustins Ausführungen über die metallurgischen Grundlagen des Damaszenerstahls, über den schmiedetechnischen Balanceakt, zwischen letztlich nicht zu vereinbarenden Anforderungen einer Klinge an dauerhafte Schärfe, Bruchfestigkeit und Elastizität den idealen Kompromiss zu finden und über die Unterschiede zwischen dem vor allem in Europa üblichen Schweißdamast und dem im Orient gebräuchlichen Wootz-Damast, sind auf höchstem wissenschaftlichen Niveau. Hier staunt der Laie – und dem Wissenschaftler wird es kaum anders gehen – wie Schmiede ohne über moderne Analysetechniken zu verfügen, über Jahrhunderte oder gar Jahrtausende hinweg, optimale technische Lösungen entwickeln konnten. Entsprechendes gilt für die Dekortechniken der Klingen. Auch hier staunt man, welche vielfältigen Techniken sich unter dem pauschalen Begriff der Tauschierung verstecken und mit welcher grandiosen Kunstfertigkeit und Präzision die osmanischen Meister davon Gebrauch gemacht haben.

Die 136 Klingen werden im Katalogteil je nach Alter, Funktion und Dekorvarianten in 18 Kapiteln vorgestellt und mit ihren weiteren Bestandteilen wie Griff, Parierteil und Scheide ausführlich beschrieben sowie, in Gänze und in Details abgebildet. Die auf vielen der Klingen vorhandenen Inschriften oft Koranverse und Lobpreisungen Allahs sind in Übersetzung wiedergegeben. Im Anhang finden sich die Detailmaße der Klingen, weitere, zum Thema passende Objekte aus den Sammlungen der Veste Coburg, darunter auch sechs weitere Klingen und, neben einer ausführlichen Bibliographie, ein zum Verständnis des Themas eminent wichtiges Glossar. Dass alle Texte mit Ausnahme der Objektbeschreibungen auch in englischer Sprache vorliegen, sichert dem Buch die verdiente internationale Verbreitung.

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