History of the Caucasus, Volume II – In the Shadow of Great Powers

Autor/en:         Christoph Baumer                                             

Verlag:            I.B.Tauris – Bloomsbury

Erschienen:     London New York 2024

Seiten:             384

Buchart:          Leinen mit Schutzumschlag

Preis:               ca. € 45,00

ISBN:             978-0-75563628-0

Kommentar:    Michael Buddeberg

Die im November 2021 auf der Website der Preetorius Stiftung publizierte Rezension von Band I der Geschichte das Kaukasus ist mit ihren Hinweisen auf die Qualifikation des Autors und die Qualität seiner Forschung und deren Niederschlag in einem großartigen Buch geradezu eine Pflichtlektüre zur Einstimmung auf den nun vorliegenden Band II. Zeitlich endete Band I um das Jahr 1050 als die Eroberungszüge der Seldschuken das Machtgefüge der Region verändert haben. Für Band II und die Darstellung weiterer tausend Jahre kaukasischer Geschichte, sollten vor allem die jüngst vergangenen Jahrzehnte, der Zerfall der Sowjetunion und die aktuellen Konflikte um Bergkarabach, Südossetien und Abchasien einen spannenden Abschluss bilden.

Band II beginnt mit Georgiens goldenem Zeitalter, einer politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Blüte vom späten 11. bis zum frühen 13. Jahrhundert. Das war dann aber auch schon die einzige längere Friedenszeit und der Rest des zweiten Jahrtausends bis zum heutigen Tage war im Kaukasus geprägt durch Eroberung, Krieg, Vertreibung, Aufstände und Genozid. Zunächst fegte der Mongolensturm über die Region und zurück blieb ein Flickenteppich von kleinen und kleinsten Sultanaten, Königreichen und Khanaten, stets bedroht von den Eroberungsgelüsten der umgebenden Mächte wie Byzanz, dem Osmanischen Reich, den Safawiden, den Mamluken und den Horden aus dem Norden. Auch dem christlich-armenischen Königreich Kilikien war trotz der Begabung seines Volkes für den Handel und seiner kulturellen Leistungen keine Dauer beschieden. Als die verhängnisvollste Bedrohung der Region sollte sich dann das Russische Zarenreich erweisen, das im 16. Jahrhundert mit Expansionsbestrebungen im nördlichen Kaukasus begann und für manche der Kleinstaaten als Schutzmacht sogar willkommen war. Aus diesen eher zaghaften Bemühungen des Russischen Reiches erwuchs spätestens im 18. Jahrhundert die Vision, den Machtbereich nach Süden, zum Schwarzen Meer, gar bis zum Golf von Persien und zum Indischen Ozean zu erweitern. Georgien galt hier als das Tor zum Süden und wurde schon 1801 russisches Gouvernement. Schwieriger waren die Bergvölker des Großen Kaukasus und die südlichen Sultanate und Khanate zu erobern, ein Vorgang, der sich als Kaukasuskrieg über ein halbes Jahrhundert, von 1817 bis 1867 hinzog. Kurz und gar nicht gut: am Anfang des 20 Jahrhunderts war der Kaukasus komplett unter russischer Herrschaft.

Die russische Revolution und der Untergang des Zarenreiches bescherten der Region ein Machtvakuum, aus dem neben einigen kleineren Ländern vor allem die unabhängigen Staaten Georgien, Armenien und Aserbeidschan einen vielversprechenden Anfang nahmen. Doch spätestens 1922 war die russische Übermacht, nun als Sowjetunion, wieder zurück und der Traum  der  Eigenstaatlichkeit beendet. Die Sowjetisierung mit der Kollektivierung von Landwirtschaft, Handel und Industrie nahm ihren Lauf, überstand den Zweiten Weltkrieg und fand ihr Ende mit dem Kollaps der Sowjetunion im Jahre 1991. Seither suchten und suchen Armenien, Georgien und Azerbaidjan mit wechselndem Erfolg ihren politischen Standort in dem an Schärfe zunehmenden Konflikt zwischen Ost und West. Aktuellen Zündstoff, der seine Wurzeln fast immer in der ethnischen, sprachlichen und religiösen Vielfalt und damit der seit jeher bestehenden kaukasischen Problematik hat, gibt es genug. So haben sich die völkerrechtlich zu Georgien gehörenden Gebiete Abchasien und Südossetien als autonome Republiken unter den Schutz Russlands gestellt; mehrere Kriege waren die Folge. Am aktuellsten ist hier wohl der Konflikt zwischen Armenien und Aserbeidschan um die inmitten des aserbaidschanischen Staatsgebietes gelegene armenische Enklave Bergkarabach. Sollten die nach der letzten kriegerischen Auseinandersetzung begonnenen Bemühungen um einen Kompromiss scheitern, „… a renewed military  confrontation may well take place“.

Mit diesen Worten endet Christoph Baumers Band II der Geschichte des Kaukasus, eine Geschichte, so vielfältig, überraschend und komplex, wie sie sich nur an diesem hot spot der Weltgeschichte, wo zwei Kontinente aufeinandertreffen, denkbar ist. Christoph Baumers penibel recherchierte und detailliert dargestellte und kommentierte History of the Caucasus ist natürlich trotz des spannenden Themas kein Buch, das man wie einen Kriminalroman konsumieren kann, sondern mehr eine Enzyklopädie, die über jede Frage Auskunft gibt. Dazu dienen vor allem drei jeweils vielseitigen Register, die alle im Text behandelten Themen, Personen und Orte auffinden lassen. Nicht weniger hilfreich sind die 12, oft doppelblattgrossen Karten, die das Gelesene in den geographischen Rahmen stellen.

Nicht nur wichtig und hilfreich sondern geradezu hinreißend ist die Illustrierung dieses Buches, die schon das bloße Blättern zu einem Erlebnis macht. Neben historischen Fotos und einigen Kunstobjekten sind es aktuelle Aufnahmen von religiösen und profanen Bauwerken, von Kirchen, Moscheen und Festungen, zerstört oder verlassen und verfallen oder intakt und gepflegt, von Regierungsgebäuden, Skulpturen und Wolkenkratzern in den modernen Metropolen des Kaukasus. Faszinierend sind vor allem die Landschaften, die sich um und hinter den Burgen, Festungen, Verteidigungstürmen und Ruinen erstrecken, ursprünglich, wild und von keinerlei touristischer Infrastruktur belastet, verschneite Bergriesen, undurchdringliche Wälder, Almwiesen und schroffe Felsformationen, ein Paradies für Reisende, die die Einsamkeit und Schönheit suchen – wären da nicht die Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes.

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