Ladakh – Culture at the Crossroads

Autor/en: Monisha Ahmed, Clare Harris (Hrsg)
Verlag: Marg Publications
Erschienen: Mumbai 2005
Seiten: 124
Ausgabe: Gebunden mit Schutzumschlag
Preis: US-$ 74.–
ISBN: 81-85026-71-8
Kommentar: Michael Buddeberg, Januar 2006

Besprechung:
Ladakh, das ist zunächst einmal Himalaya pur; schroffe vegetationslose Gebirgsszenarien, tief eingeschnittene und von schneebedeckten Achttausendern gerahmte Schluchten, eine weglose Einöde, in der die tiefstehende Sonne aus schwarzen Schatten verlassene Kloster- oder Burgruinen wie verlorene Juwelen hervorleuchten lässt. Erst bei genauem Hinsehen entdeckt man schmale Pfade, kleine grüne Inseln terrassenartig angelegter Felder, an steile Hänge geschmiegte Siedlungen, meist überragt von einem Kloster, kleine Spuren menschlicher Präsenz im fast unendlichen Raum, Spuren aber auch von Kultur und Geschichte. Ladakh, oft auch „Klein-Tibet“ genannt, das ist aber auch ein Hort eines lebendigen tibetischen Buddhismus. Mani-Mauern, Tschörten, Felsbilder, Schreine und religiöse Monumente aus alter Zeit, ein praktiziertes Mönchstum und bunte buddhistische Klosterfeste mit Maskentänzen sind heute Ziele eines wachsenden Tourismus. Weit weniger bekannt ist, dass dieses so abgelegen in einem schwer zugänglichen Teil der Welt gelegene Land tatsächlich über eine Zeitspanne von mehr als tausend Jahren eine Schlüsselposition an den zentral- und südasiatischen Handels- und Reiserouten inne hatte. Ladakh, ein Königreich seit dem frühen 10. Jahrhundert war ein Umschlagplatz nicht nur für Waren, sondern auch für Ideen, für Religionen, für Handwerkstechniken und künstlerische Fertigkeiten und Stile. Und von all dem blieb in Ladakh etwas zurück und formte eine eigene, reiche kulturelle Tradition. Das in der von Pratapaditya Pal betreuten Reihe von Essaybänden zur asiatischen Kunst erschienene Buch über Ladakh ist dieser bisher in der Literatur kaum berücksichtigten, reichen kulturellen Tradition gewidmet. Monisha Ahmed, bekannt durch ihre großartige Arbeit über die Webkunst ladakhischer Nomaden, und Clare Harris, Kuratorin des Pitt Rivers Museum in Oxford, haben ihr Anliegen, Ladakh nicht als eine buddhistische Monokultur, sondern als ein Land darzustellen, dessen Einzigartigkeit auf seiner Vielseitigkeit beruht, mit diesem Essayband glänzend erreicht. Das beginnt mit dem Beitrag von John Harrison über die traditionelle Architektur in Ladakh. Bemerkenswert etwa ist, dass Senge Namgyals im frühen 17. Jahrhundert in Leh entstandener, 9-stöckiger Königspalast, bis zur Fertigstellung des Potala in Lhasa immerhin das größte Gebäude im Himalaya, von dem islamischen Baumeister Chandan Ali Singge errichtet wurde. Es ist kaum bekannt, dass traditionell etwa die Hälfte der Einwohner Ladakhs Muslime sind, und so ist es nur konsequent, dass ein weiterer Beitrag von Abdul Ghani Sheik der islamischen Architektur, vor allem den zahlreichen Moscheen in Ladakh gewidmet ist. Architektur ist stets ein Wegweiser in die Geschichte und so erfährt man, dass die Lage von Siedlungen, Klöstern und Burgen auf schroffen Graten und schwer zugänglichen Erhebungen nicht der schönen Aussicht oder des pittoresken Anblicks wegen gewählt wurde, sondern aus einem dringendem Sicherheitsbedürfnis in gefährlichen Zeiten. Es war wohl nicht vor dem 19. Jahrhundert, dass die Menschen begannen, auch in der Nähe ihrer Felder in den Flussniederungen zu siedeln, zu arbeiten und Handwerke auszuüben. Die Essays von John Clarke über die Metallhandwerker Ladakhs und von Monisha Ahmed über die ladakhische Textilkunst führen aus alter Tradition bis in die heutige Zeit und heben hervor, dass trotz der Änderungen der Materialien, der Lebensgewohnheiten und der zunehmenden Mobilität alte Traditionen bis heute lebendig geblieben sind. Wie seit hunderten von Jahren ist das Dorf Chiling am Zanskar noch immer das Zentrum der Metallhandwerker, die, ganz im Gegensatz zu ihren Kollegen in Tibet, in Ladakh stets hoch angesehen waren und es heute noch sind. Von Monisha Ahmed erfahren wir viel über die Mythen und Legenden, die sich um das Spinnen und Weben ranken, und dass Textilien weit über ihren praktischen Gebrauch hinaus auch religiöse und symbolische Bedeutungen und Funktionen hatten und heute noch haben. Zwar haben sich frühe Textilien auch in Ladakh so gut wie nicht erhalten, aber den vielseitigen und hochinteressanten Textilmustern, die kaschmirische Künstler im 12./13. Jahrhundert an die Decke des Sumtsek in Alchi gemalt haben, dürften sicherlich reale Vorbilder zugrunde gelegen haben. Eine andere, bedeutende Tradition Ladakhs aber wird wohl keine lebendige Fortsetzung finden, wie Ravina Aggarval bedauernd feststellen muss. Es sind die berühmten Peraks, der einzigartige Kopfschmuck ladakhischer Frauen. Diese schweren, mit vielen Reihen von Türkisen besetzten, mit silbernen oder vergoldeten Gaus (Amulettbehältern) verzierten und zusätzlich noch mit Korallen, Karneolen, Kaurimuscheln und silbernen Anhängern geschmückten, weit über den Rücken hinabreichenden und mit seitlichen Klappen aus Lammfell versehenen Gebilde, waren einst Symbol für den ökonomischen und sozialen Rang der Frau und wurden vor allem ständig getragen. Die fortschreitende Modernisierung des Lebens auch im entlegenen Himalaya hat dieser Ikone des traditionellen Ladakh die Grundlage entzogen. Umso mehr verdient der Beitrag über diesen Kopfschmuck, übrigens der erste seiner Art, der die historische Entwicklung, die Bedeutung als Reichtums- und Rangabzeichen und die symbolische, rituelle und natürlich religiöse Bedeutung des Perak untersucht, ganz besondere Beachtung. Clare Harris schließlich widmet sich dem Leben und Werk von Nawang Tsering, dem 1937 geborenen und weit über die Grenzen Ladakhs hinaus bekannt gewordenen Bildhauer traditioneller Lehmfiguren, während Erberto Lo Bue die Biographie des 1944 geborenen Malers Tsering Wangdu vor uns ausbreitet. Beide Künstler stehen tief in der buddhistisch indo-tibetischen Tradition, beherrschen Ikonographie, Technik und Material auf das Beste und widerlegen mit der Schönheit und Ausdrucksstärke ihrer Werke die These, dass buddhistische Kunst durch ihre ikonographischen Vorgaben keinen Spielraum für künstlerischen Freiraum und Entfaltung habe. Im abschließenden Beitrag untersucht David Jackson den Stil der ladakhischen Malerei und den Einfluß tibetischer Malschulen. Seine Festellung, dass in der Geschichte tibetischer Malschulen und Stile die letzten 200 Jahre unterrepräsentiert sind, gilt auch für Ladakh. Zählt man zu diesen informativen Essays noch hinzu, dass die umfangreiche Einleitung der beiden Herausgeberinnen wertvolle Informationen zur Topographie, zur Bevölkerung und zur Geschichte bis hin zur Entdeckungsgeschichte Ladakhs durch westliche Forscher und Reisende im 19. und erneut in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts enthält, bleibt nur noch die Feststellung, dass hier ein großartiges und wichtiges Buch über Ladakh gelungen ist.

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