The Cultural Monuments of Tibets´s Outer Provinces – KHAM – Vol.2 – The Quinghai Part of Kham

Autor/en: Andreas Gruschke
Verlag: White Lotur Press
Erschienen: Bangkok 2004
Seiten: XXII, 312
Ausgabe: illustrierte Broschur
Preis: € 66.–
ISBN: 974-4800-61-5
Kommentar: Michael Buddeberg, August 2005

Besprechung:
Wer es versucht, sich anhand der verfügbaren und gängigen Literatur über Tibet, von den Einführungen in Reiseführern über Ausstellungs- und Sammlungskataloge bis zu kunsthistorischen Monographien, ganz allgemein zu informieren, gelangt wohl zu dem Ergebnis, es gäbe eine einheitliche Geschichte und Kunstgeschichte Tibets. Weit gefehlt. Die Wirklichkeit ist vielmehr äußerst kompliziert. Das fängt schon mit der Frage an, was Tibet eigentlich ist. Die Antwort fällt gänzlich verschieden aus, je nachdem, ob man versucht, hier eine Antwort von einem geographischen, ethnischen, kulturellen oder politischen Standpunkt zu geben. Und aus jeder dieser Sichtweisen ist Tibet ein äußerst komplexes Gebilde, geographisch vom tropischen Bergwald bis zur ariden Hochgebirgswüste reichend, ethnisch ein bunter Vielvölkerstaat, kulturell und kunsthistorisch das Ergebnis zahlloser Einflüsse von außen und politisch ein Gebilde, das vom Großmachtstatus bis zur gewaltsamen Besetzung durch ein fremdes Militärregime schon alles hat erleben müssen. Das gilt nicht nur für Tibet als Ganzes, wie immer man „Tibet“ definieren mag, sondern auch für einzelne Landesteile, ganz besonders für den zwischen Zentraltibet und den chinesischen Kernland gelegenen Landesteil, das alte Kham. Heute aus chinesischer Sicht nur zu einem kleinen Teil zu Tibet, das heißt zur Autonomen Region Tibet gehörend, sondern überwiegend Teil der Provinzen Qinghai und Sichuan, war Kham schon immer in zahlreiche, von der tibetischen Zentralregierung oder auch von China mehr oder weniger abhängige oder auch gänzlich unabhängige Königreiche, Fürstentümer und monastische Staatswesen zersplittert. So ganz genau weiß man das allerdings nicht, denn die Geschichte Khams wurde nie aufgeschrieben. Nur wenig von Forschern und Entdeckern besucht, waren weite Teile Khams bis vor gar nicht langer Zeit weiße Flecken auf den Karten Tibets. Das hat sich nun drastisch geändert und daran hat Andreas Gruschke, der deutsche Ethnograph, Geograph und Sinologe wesentlichen Anteil. Nach seinen beiden Bänden über das nördlich von Kham gelegene Amdo und dem ersten Band der Kham-Trilogie, der den in der Autonomen Region Tibet gelegenen Landesteil beschreibt, liegt nun der Band über denjenigen Teil Khams vor, der in der Provinz Qinghai liegt. Die unbedingt lesenswerte Einleitung ist, wenn auch mit anderen historischen Fotos versehen, von Band 1 übernommen, so dass hier auf dessen Besprechung (Sie finden diesen Beitrag im Archiv unter „Tibet/Himalaya“) verwiesen werden kann. Nur so viel: Gruschke gibt dort nicht nur den bisher fehlenden Abriß über die Geschichte Khams, sondern er setzt sich ganz allgemein mit der Frage auseinander, was „Tibet“ eigentlich ist, wie schon erwähnt, ein Frage mit vielen Antworten. Der eigentliche Textteil – und natürlich auch der Tafelteil mit 196 Farbaufnahmen – ist dann eine echte Überraschung. Der Reichtum bedeutender klösterlicher Zentren übertrifft alle Erwartungen. Vor allem die Präfektur Yushu, das ist das alte tibetische Jyekundu erweist sich als eines der bedeutenden kulturellen Zentren Tibets mit einer wahren Fülle von Klöstern, Tempeln und historischen Plätzen aller tibetischer Orden, der Gelugpa, der Sakyapa, der Kagyupa und der Nyingmapa. Gruschke schätzt den Bestand der in der beschriebenen Region heute wieder aktiven Klöster auf 200 und inzwischen werden es schon wieder ein paar mehr sein. Und es ist auch durchaus nicht der Fall, dass all dies aus dem Nichts, also aus der totalen Zerstörung heraus wieder erstanden ist. Wer es zu sehen und zu unterscheiden vermag, was mitunter angesichts der traditionellen Bautechniken und dem raschen Entstehen typisch tibetischer Patina gar nicht leicht ist, entdeckt auch manches Alte und Erhaltene, das die Zerstörungsstürme des 20. Jahrhunderts überstanden hat. Noch ein wenig exotischer und noch weniger bekannt ist die Region südlich von Yushu, das alte Königreich Nangchen, weites Grasland zwischen den Tälern der noch jungen Ströme Yangtse und Mekong und auch hier wieder eine erstaunliche Dichte von Klöstern und kulturellen Monumenten. Ein ganzer Abschnitt widmet sich schließlich dem traditionellen tibetischen Brückenbau. Da gibt es einmal die nur aus Holzstämmen errichteten, freitragenden Auslegerbrücken, die mehr und mehr durch moderne Konstruktionen ersetzt werden, aber in diesem Teil Tibets noch zu finden sind und, in ganz wenigen Exemplaren, Hängebrücken, aufgehängt an schmiedeeisernen Ketten, die auf den berühmten tibetischen Heiligen und Brückenbauer Thangton Gyalpo (ca. 15. Jhrdt) zurückgehen. Es gilt, was schon für den Kham-Band 1 gesagt wurde: Wer sich je auf die beschwerliche Reise in diesen Teil Khams aufmacht, für den ist das neue Buch Gruschkes schlicht unentbehrlich. Ja mehr noch als das: War ein Besuch dieser Region bisher eine schwer planbare Reise ins Ungewisse, so liegt nun ein Kunst- und Kulturführer vor, der zugleich Anreger und Begleiter für ein solches Vorhaben ist. Band 3 wird mit Spannung erwartet.

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