Divine Presence – Arts of India and the Himalayas

Autor/en: Jane Casey, Naman Parmeshwar Ahuja, David Weldon
Verlag: Casas Asia and 5 Continents Edition
Erschienen: Barcelona and Mailand 2003
Seiten: 180
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: 35.– englische Pfund (Vertrieb über Antique Collectors Club UK)
ISBN: 88-7439-022-X
Kommentar: Michael Buddeberg, November 2004

Besprechung:
Seit Indien und seit die Länder des Himalaya in das Bewußtsein des Westens getreten waren haben sie eine ungeheure Faszination ausgestrahlt und die Phantasie von Forschern und Entdeckern, von Schriftstellern und Künstlern angeregt. Es waren die Berichte von märchenhaftem Reichtum und nie gesehener Prachtentfaltung oder die Legenden von der Existenz eines Paradieses hinter unüberwindlichen Gebirgsbarrieren, die dafür sorgten, daß Indien und der Himalaya zu einem Ziel der Sehnsucht wurde – und für viele bis heute geblieben ist. Doch die Kunst dieser Region wurde lange nicht zur Kenntnis genommen und blieb noch länger unverstanden. Noch im Jahre 1910 sah Sir George Birdwood in einer indischen Buddha Statue eine langweilige, geistlose, ja schamlose Darstellung, die die Ideale hingebungsvoller Leere und die Klarheit der Seele nicht besser symbolisiere als ein „gekochter Pudding aus Rindertalg“. Die Ideologie von der Überlegenheit europäischer Kultur und christlicher Religion hat die Wahrnehmung dieser Kunst lange verhindert. Es war dem 20. Jahrhundert, insbesondere der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg vorbehalten, die Bedeutung buddhistischer, hinduistischer und jainistischer Bildwerke zu verstehen, ihre Ästhetik wahrzunehmen und ihre Schönheit zu bewundern. Die im Westen zunehmende Toleranz, die Akzeptanz anderer religiöser Systeme und das Verständnis ihrer Praktiken und Ziele machten den Zugang zu dieser Kunst möglich. Denn die künstlerischen Kulturen Indiens, Nepals und Tibets sind eng verbunden mit religiöser Praxis. Kunstwerke haben dort den primären Zweck, die Gegenwart und Kraft des Göttlichen zu vermitteln. Die Verbindung von Ästhetik und Bedeutung, von künstlerischer Ausdruckskraft und spiritueller Transzendenz ist das große Thema indischer und himalayischer Kunst. Das Sichtbarmachen einer Gottheit in ihrer ikonographischen Form ist ein Schritt auf dem Weg zur spirituellen Erleuchtung, zum Nirwana der Buddhisten oder zum moksha der Hindus. „Divine Presence“, 60 der schönsten Kunstwerke indischer und himalayischer Kunst aus 26 führenden privaten Sammlungen und öffentlichen Museen in Europa und USA, ist gewissermaßen eine Essenz dieses Prozesses der Akzeptanz einer der aufregendsten ästhetisch-künstlerischen Traditionen dieser Welt. „Divine Presence“ ist der Katalog der Eröffnungsausstellung der Casa Asia, der von der spanischen Regierung im Jahre 2000 in Barcelona gegründeten Institution zum kulturellen Austausch zwischen Asien und Europa. Es war gewiß nicht leicht, diese repräsentative Auswahl der schönsten und bedeutendsten Bildwerke jener Region (Skulpturen, Thangkas und einige wenige Ritualgegenstände) aus berühmten Sammlungen zusammenzubringen und so ist der schön gestaltete Katalog ein bleibendes Kompendium herausragender Meisterwerke aus anderthalb Jahrtausenden. Der berühmte stehende Buddha der Rockefeller Sammlung aus der Gupta-Zeit (ca.6.Jh.), eine hinreißend erotische Devi-Skulptur aus einer indischen Privatsammlung oder eine komplexe Yogini-Darstellung aus dem San Antonio Museum of Art sind Beispiele aus dem indischen Teil. Die Himalaya Kunst reicht von Nepal – auch hier wieder ein stehender Buddha aus dem 9. Jahrhundert, der durch seine Anmut bezaubert – über bedeutende tibetische Thangkas aus dem 13. Jahrhundert bis zu mongolischen Skulpturen aus dem Umkreis von Zanabazar. Natürlich steht die Schönheit dieser Kunstwerke, das handwerkliche Können der durchweg anonymen Künstler, im Vordergrund der Betrachtung. Doch gerade diese Schönheit, Harmonie und Perfektion sind ein wirksamer Appell an den Betrachter, über diese westliche Art der Kunstbetrachtung hinauszugehen, innezuhalten und über die Bedeutung dieser Bildnisse nachzudenken und ihren Wert für den Weg zur Erleuchtung zu verstehen. Einführende Essays zur indischen Skulptur von Naman P. Ahuja und zur Kunst des Himalaya von Jane Casey vervollständigen das Buch zu einer empfehlenswerten und sicher immer wieder gern zur Hand genommenen Lektüre.

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