Himalayas – An Aesthetic Adventure

Autor/en: Pratapaditya Pal
Verlag: Art Institute of Chicago – Californis Press – Mapin Publishing
Erschienen: Chicago – Berkeley – Ahmedabad 2003
Seiten: 308
Ausgabe: illustrierte Broschur (softcover)
Preis: US-$ –.–
ISBN: 0-520-23099-8
Kommentar: Michael Buddeberg

Besprechung:
Bergregionen, Gebirge und hohe Gipfel prägen das Antlitz dieser Erde in allen Kontinenten. Nirgendwo jedoch sind sie größer, höher und majestätischer als im Himalaja, jenem mächtigen Gebirgszug, der sich vom östlichen Afghanistan bis zur indischen Provinz Arunachal Pradesh hinzieht. Und überall auf der Erde werden Berge als heilig verehrt, begegnen die Menschen ihnen mit Furcht und Ehrfurcht, gelten sie als Sitz von Geistern und Göttern. Nirgendwo aber ist die religiöse Inbrunst, mit denen die Menschen zu den Bergen aufblicken größer als im Himalaja. 3000 Kilometer misst dieses größte Gebirge der Erde von West nach Ost und die Vielfalt der in dieser riesigen Region lebenden Gruppen, Stämmen und Kulturen kann sich durchaus mit der Zahl der majestätischen Gipfel messen lassen. Doch ungeachtet aller ethnischen und kulturellen Differenzen sind allen Bewohnern des Himalaja seine Berge und Pässe und seine Seen und Flüsse heilig. Der magische Berg Kailash im fernen Westen Tibets ist den Tibetern, den Buddhisten und Anhängern der Bön-Religion ebenso heilig wie den Hindus oder Jain aus Indien. Als Residenz von Shiva und Berg Meru zugleich ist der Kailash die zentrale Weltachse in der Kosmologie von Hindus, Buddhisten, Bön und Jain. Beinahe zwangsläufig stellt sich hier die Frage ob es die Macht der Bergwelt gewesen ist, die religiöse Vorstellungen geprägt hat oder ob die Berge als ideale Projektionsflächen für das Übernatürliche dienen. Wie dem auch sei, auch die Kunst des Himalaja ist untrennbar mit Natur und Religion verwoben. Nirgendwo auf der Erde sind Religion und Kunst eine so enge Verbindung eingegangen wie im Himalaja und nirgendwo – das sei hier als These aufgestellt – hat die Schönheit und Erhabenheit der Berge so unmittelbar Eingang und Ausdruck im Kunstschaffen seiner Menschen gefunden. Die von Pratapaditya Pal, dem wohl intimsten Kenner der Himalaja-Kunst, seit langem geplante und sorgfältig zusammengestellte Ausstellung, ist zuallererst der Schönheit dieser Kunst gewidmet, und der Gang durch die Ausstellung ebenso wie durch den Katalog ist genau das, was der Untertitel verheißt: Ein ästhetisches Abenteuer. Die Schönheit der Kunst des Himalaja, die Ausdruckstärke der Bildwerke aus Stein, Lehm und Holz, der Statuen aus vergoldeter Bronze, der Gebrauchs- und Ritualgegenstände und der feinen, miniaturhaften Malerei, war hier das maßgebende Auswahlkriterium. Das unterscheidet „Himalayas“ von der beinahe schon legendären Ausstellung (nebst Katalog) „Wisdom and Compassion“ oder „Weisheit und Liebe“, die im letzten Jahrzehnt des vergangenen Jahrhunderts mit überwältigendem Erfolg um die Welt zog. Standen dort die religiösen Inhalte im Vordergrund, ist es hier die schier unglaubliche künstlerische Kreativität anonymer nepalischer und tibetischer Handwerker, unter deren Händen einzigartige Kunstwerke entstanden. Natürlich gilt auch für die knapp zweihundert Exponate dieser Ausstellung, dass sie fast ausschließlich religiösen Zwecken dienten. Sie zeigen aber, und das ist das erklärte Ziel des Autors, sowohl im Detail wie auch in der gesamten Zusammenstellung, die Vielfalt und Qualität ästhetischen Schaffens, den Erfindungsreichtum und die Sensibilität der Künstler im Gebrauch ihrer formalen Sprache und die Individualität bei der Darstellung spiritueller Visionen und Sehnsüchte. P. Pal hat sich auf drei geographische Bereiche konzentriert, an denen er die Entwicklung und Höhepunkte der Himalaja-Kunst darlegt. Er beginnt mit Nepal, mit der Kunst des begnadeten Stammes der Newari, dessen Einfluss auf die Kunstentwicklung des ganzen Himalaja nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. 51 Meisterwerke decken einen Zeitraum von mehr als 1000 Jahren ab und es fällt schwer, hier einzelne der Werke herauszugreifen: Ist es der lässig stehende Buddha Shakyamuni aus dem 7. Jahrhundert mit einem in eleganten Falten fallenden Gewand, das monumentale Thanka von Gaganshim Baro, einem militärischen Machthaber des 15. Jahrhunderts mit seinen beiden Frauen oder die kleine Bronzestatue des Gottes Indra, dem hier die Krone gebührt? Bei all der Schönheit wird jeder seinen Favoriten finden. Das zweite Kapitel behandelt den wesentlichen Einfluß von Jammu und Kaschmir und damit auch der westlich geprägten Kunstwerke von Gandhara auf die ästhetische Entwicklung tibetischer Kunst. Ästhetik und Ikonographie Kaschmirs waren die Basis für die künstlerische Entwicklung im westlichen Himalaja, die in Tholing, Purang und schließlich in Tsaparang einen ersten Höhepunkt erreichte. Eine harmonisch komponierte Schieferstatue des dreiköpfigen Shiva mit Ganesha, Kumara und Vrishabha als Stier aus dem 8 Jahrhundert und zwei Buddhastatuen aus Lehm, vergoldet und bemalt, Originale aus den Tempeln von Tsaparang, mögen hier für den Gang dieser Entwicklung stehen. Aus newarischen und kaschmirischen Einflüssen, nicht ohne Befruchtungen aus Zentralasien und der Mongolei entwickelte sich dann in den Jahrhunderten nach der Jahrtausendwende der eigenständige tibetische Stil, dem das dritte und umfangreichste Kapitel über Zentral- und Osttibet und Bhutan gewidmet ist. Einzigartige Thankas sind hier hervorzuheben aber auch meisterhafte Plastiken wie die kleine silberne Statue des Dichters Milarepa oder das portraithafte Abbild des in prachtvollen chinesischen Brokat gewandeten Brückenbauers Thangton Gyalpo. Die Kunst Tibets offenbart hier einen Reichtum an Phantasie, eine Vielfalt von Form und Farbe, die unübertroffen ist, nicht nur im Himalaja, sondern in der ganzen buddhistischen Welt. Kurzum: Ein ästhetisches Abenteuer der allerhöchsten Qualität und ein Buch auf das zu warten sich gelohnt hat. (- mb -)

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