The Circle of Bliss – Buddhist Meditational Art

Autor/en: John C. Huntington, Dina Bangdel
Verlag: Columbus Museum of Art – Serindia Publications
Erschienen: Columbus – Chicago 2003
Seiten: 560
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: US-$ 95.–
ISBN: 1-932476-01-6
Kommentar: Michael Buddeberg, Januar 2004

Besprechung:
Jahrzehnte mußte die Welt ohnmächtig die einem Völkermord nahekommende Zerstörung der tibetischen Nation, Kultur und Natur durch chinesische Kommunisten mit ansehen. Gleichzeit bewunderte die Welt – und sie tut es noch – die nicht nachlassenden Bemühungen des Dalai Lama, das Leiden seiner Nation durch die Idee friedvollen Ertragens zu lindern. Die Ausstel-lung und das hier vorgestellte Buch waren als eine Hommage an diese humanitäre Leistung gedacht und als eine Ehrung des gelungenen Versuchs der Tibeter, ihre kulturellen Werte und spirituellen Ideale im Exil zu bewahren. Es ist ein schicksalhafter Zufall, daß diese Hommage mit ihrem Erscheinen eine unerwartete und hochaktuelle Bedeutung gewonnen hat. Seit ein bis zwei Jahren zeichnet sich in Nepal eine ganz ähnliche zerstörerische Entwicklung ab. Ma-oistische Rebellen und Al Qaida Terroristen versuchen, das einstmals so friedliche nepalische Königreich mit einem Netz von Gewalt, Chaos und Zerstörung zu überziehen. Die Konzentra-tion von Ausstellung und Buch auf die bisher eher wenig beachtete buddhistisch spirituelle Tradition der Newari im Tal von Kathmandu und ihre exquisiten künstlerischen Schöpfungen kann und soll die öffentliche Symphatie auf die Situation eines Volkes lenken, dessen sanftes und mitfühlendes Wesen und dessen einzigartige Kultur es wert sind, zu überleben. Dieser Schwerpunkt auf der Kultur der Newari bedeutet natürlich nicht, daß sich der geographische Rahmen des Buches auf diese Region beschränkt. Es stellt vielmehr die meditative Kunst des Buddhismus durchaus überregional dar, wie ja auch der Buddhismus eine panasiatische Reli-gion ist. Die etwa 160 Kunstwerke repräsentieren nicht nur den Buddhismus der Newari im Kathmandu Tal sondern reichen von Indien über Kaschmir und die verschiedenen Regionen Tibets bis ins eigentliche China und bis in die Mongolei. Buddhistische Kunst hat in den ver-gangenen Dekaden, auch durch eine Anzahl wichtiger Ausstellungen eine wachsende Beach-tung und ein zunehmendes Verständnis gefunden. Auch wenn dabei meist der ästhetische As-pekt westlicher Kunstbetrachtung im Vordergrund stand – P.Pals Ausstellung „Himalayas“ in Chicago etwa war ganz bewußt der Schönheit dieser Kunst gewidmet – so war doch nie zu übersehen, daß die buddhistische Kunst primär als Ausdruck religiöser, spiritueller Überzeu-gungen und Praktiken zu verstehen ist. Neu ist dieser Zugang zum Verständnis dieser Kunst also nicht. Neu aber ist es, einen wichtigen Aspekt des Buddhismus herauszugreifen und ihn – unter anderem – mit Kunstwerken zu erläutern. Die Ausstellung ist also keine Kunstausstellung, so wie auch das Buch nicht als ein Werk über buddhistische Kunst verstanden werden möchte. Im Zentrum steht hier vielmehr eine der wichtigsten meditativen, rituellen Praktiken und Erfahrungen des Buddhismus, das Chakrasamvara Tantra. Auswahl und Präsentation der Werke ebenso wie deren Erläuterung und begleitende Texte folgen tantrischen buddhistischen Konzepten und Kategorien, folgen den meditativen und rituellen Techniken und Zielen der Chakrasamvara Tantra Tradition. Ziel dieser Tradition ist es, und darin stimmen alle Formen des Buddhismus überein, das eigene Ich zu überwinden, die damit verbundenen Eigenschaften, Begierden, Obsessionen und Neurosen, also alles, was Leid und Leiden verursacht, hinter sich zu lassen, den Pfad der Erleuchtung zu beschreiten, um dann im Nirwana die Freiheit von allen egozentrischen Bedürfnissen erlangt zu haben. Tantra ist der Weg vom endlosen Leiden in die erleuchtete Welt von Liebe und Mitgefühl und das Chakrasamvara Tantra ist das archetypische Mutter-Tantra, der „Circle of Bliss“, der „Kreis der Wonne“. Diesen Weg zu gehen und ihn zu beschreiben, die Kontrolle über die dunklen Seiten des Ich zu erlangen um es schließlich überwunden zu haben, ist schwer und kaum in Worte zu fassen. Auch das Chakrasamvara Tantra gehört daher grundsätzlich zu den Geheimlehren, deren Vermittlung dem spi-rituellen Lehrer, dem Guru, vorbehalten sein sollte. Dennoch datieren die frühesten schriftli-chen Zeugnisse dieser Tradition aus dem Indien des 8. Jahrhunderts, und der Dalai Lama selbst hat es für gut befunden, daß etwa die Meditationspraxis des Yoga-Tantra, die Dzogchen Lehre, in Wort und Bild veröffent wurden (Der Geheime Tempel von Tibet, München 2000). Hier wie dort hat die Kunst, haben Kunstwerke die Funktion, religiöse Praktiken zu spiegeln und zu begleiten und den Weg zum erleuchteten Dasein zu erleichtern. Ist also The Circle of Bliss doch ein Buch über die Kunst? Ja und nein. Es ist einmal eine außerordentlich fundierte und vollständige Darstellung der Entwicklung und Bedeutung des Tantra in Indien, Nepal, Tibet und China, der Texte und Bedeutung des Chakrasamvara Tantra, der meditativen Praxis und der Ikonographie von Chakrasamvara und der weiblichen Entsprechung Vajravarahi so-wie des tantrischen Umfeldes von Hevajra bis Kalachakra Tantra. Es zeigt aber auch 160 der ästhetisch bedeutendsten und kraftvollsten Meisterwerke indischer, nepalischer, tibetischer, chinesischer und mongolischer Künstler aus 13. Jahrhunderten. Viele davon – vor allem aus dem Besitz nepalischer Museen – sind hier erstmals veröffentlicht. Sie zeigen die künstleri-sche Kraft des esoterischen Buddhismus und lehren die Entstehung und Funktion dieser Kunst. Die einzigartigen, vergoldeten Statuen von Chakrasamvara und Vajravarahi aus der Schule des Zanabazar, Mongolei um 1700, gewinnen durch ihre Einbettung und Erklärung durch das Tantra einen weit über die künstlerische Ästhetik hinausreichenden Wert. Gleiches gilt für die Ritualgegenstände, Schädelschalen, Ritualmesser, eine Knochenschürze, Damaru und Phurbu, allesamt herausragende Exemplare. Es gilt für die zahlreichen Thankas, für die das berühmte Bild Ratnasambhavas aus dem Los Angeles County Museum of Art, Tibet 13./14 Jahrhundert, das ganz am Anfang der Entdeckung der Schönheit der Kunst des Budd-hismus steht, ein Beispiel sein mag. Es gilt schließlich – neben vielen anderen – für zwei bedeutende Objekte aus Nepal, eine goldene Zeremonialkette (19.Jh.) und eine mit buddhisti-schen Gottheiten bestickte Weste (15.Jh.) für eine Kumari, jener Kindgottheit, wie sie von den Newari in Kathmandu, Patan und Bakthapur noch heute und hoffentlich noch lange Zeit ver-ehrt wird. Glossar, Bibliographie und Index runden das Buch zu einem fundamentalen wissenschaftlichen Standardwerk über den Buddhismus und seine Kunst. Die Ausstellung, zur Zeit im Columbus Museum of Art, Ohio, ist noch bis zum 9.Mai 2004 zu sehen. Das Buch bleibt eine Quelle für Schönheit, intelektuelle Anregung und spirituelle Erneuerung auch dann, wenn die Kunstwerke längst an die etwa 40 Leihgeber aus der ganzen Welt zurückge-gangen sind.

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