Bhutan – Königreich der Donnerdrachen

Autor/en: Franz Binder, Winfried Rode
Verlag: Hirmer Verlag
Erschienen: München 2002
Seiten: 224
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: EUR 51.–
ISBN: 3-7774-9140-3
Kommentar: Michael Buddeberg

Besprechung:
Ein Land, in dem Fortschritt und Reichtum nicht nach dem Bruttosozialprodukt gemessen werden, sondern wo das geistige Wohlergehen der Bewohner, ihr Bruttoglücksprodukt, der allen materiellen Überlegungen vorangestellte Maßstab ist, muß etwas besonderes sein. Wenn dann noch ein König darüber wacht, daß technische und wirtschaftliche Modernisierung nicht überhand nehmen, daß die Natur und ihre Schätze, daß religiöse und kulturelle Werte bewahrt werden, dann klingt das so, als sei dies ein irdisches Paradies. Bhutan, das letzte selbständige buddhistische Königreich an den Südhängen des Himalaya ist ein solches Paradies. Eine wilde, unberührte Natur, unangetastete Bergwälder mit reicher ursprünglicher Flora und Fauna, eine von Zerstörungen und zerstörerischen Einflüssen weitgehend bewahrte Kultur, trutzige Klosterburgen und idyllische Bauerndörfer mit einzigartiger Architektur und eine Bevölkerung, die noch ihre traditionelle Nationaltracht trägt, lassen Bhutan fast als das legendäre Shanri La erscheinen. Doch der Schein trügt. Das über Jahrhunderte in seinen Berg-Urwäldern versunkene Königreich konnte sich nicht länger der modernen Welt verschließen – Bhutan befindet sich im Umbruch. In der Hauptstadt Thimpu haben neben moderner Architektur auch moderne Lebensformen Einzug gehalten. Discos und Internet-Cafes sind entstanden, Supermärkte und Kinos, seit 1999 gibt es Fernsehen, die Zahl der zugelassenen Motorfahrzeuge nähert sich 20.000 und Themen wie Aids, Drogen und Prostitution sind aktuell und werden diskutiert. Dennoch hat sich Bhutan dank der besonnenen Regierung, vor allem dank der weisen Politik des jungen Königs Jigme Singye Wangchuk, seine einzigartige buddhistische Drukpa-Kultur erhalten. Obwohl die Entwicklung des Landes rasch voranschreitet, sind die überlieferten Bräuche, Feste und Traditionen nicht wie vielerorts zur bloßen Folklore herabgesunken, sondern nach wie vor Bestandteil einer authentischen Lebensart und einer intakten kulturellen Identität, an der die Veränderungen und Umwälzungen der neuen Zeit hoffentlich nur wenig ändern werden. Ein Teil dieser Politik ist der extrem eingeschränkte Tourismus. Im Jahre 2000 durften nur knapp über 7000 Touristen ins Land – gegen hohe Gebühren, versteht sich -, die zwar die wichtigsten Sehenswürdigkeiten zu sehen bekamen, aber meist nur von außen. Umso mehr ist zu begrüßen, daß mit dem vorliegenden Buch nun ein Text- und Bildband vorliegt, der einen vorzüglichen Überblick über das Land, seine Menschen und seine besondere Kultur ermöglicht. Geschichte, Religion und Kunsthandwerk werden ebenso eingehend behandelt wie die großartige Architektur der Dzongs, der machtvollen mittelalterlichen Klosterburgen oder die Tänze und Mysterienspiele, die buddhistische Gedankenwelten mit Mythen und Vorstellungen aus der alten Volksreligion verweben. Vor allem erhalten wir mit diesem Buch Zugang zu den sonst verschlossenen Klöstern und Tempeln, nehmen am Ritual der Mönche teil und sehen Schönheit und Reichtum von Statuen und Wandmalereien. Ein gut recherchiertes, kenntnisreiches Buch mit klarem Text und schönen Bildern. Zu bedauern ist allein, daß der für Bhutan so wichtigen und hoch entwickelten Kunst des Webens und Färbens von Stoffen nur 4 Zeilen gewidmet sind. (- mb -)

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