Buddhismus im Himalaya

Autor/en: Matthieu Ricard, Olivier & Danielle Föllmi
Verlag: Knesebeck Verlag
Erschienen: München 2002
Seiten: 424
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: EUR 51.30
ISBN: 3-89660-131-8
Kommentar: Michael Buddeberg

Besprechung:
Ist Tibet ein Teil Chinas? Diese immer wieder gestellte Frage mit nein zu beantworten ist mit den Argumenten dieses Buches, Argumenten, die sich sowohl aus den Bildern wie aus den Texten ergeben, ein Stück einfacher als vorher. Wer aus den Niederungen Nepals, Indiens oder Chinas nach Tibet reist, erlebt einen abrupten, dramatischen Eintritt in eine andere Welt. Die Tibeter sind damit schon durch das Land, in dem sie leben, so klar definiert wie kaum ein anderes Volk dieser Erde. Die einzigartigen Fotos in diesem Buch beseitigen dann jeden Zweifel: Die von China bestrittene, nationale Identität der Tibeter ist ganz offensichtlich nicht allein durch die Geschichte und die Religion entstanden, sondern tief im Lande selbst verwurzelt. Buddhismus im Himalaya bietet damit weit mehr als der Titel verspricht. Es ist eine Hommage an Tibet und die Tibeter, ein Buch an dessen Fotos man sich nicht sattsehen kann. Die Fotoautoren Danielle und Olivier Föllmi sind im Himlaya seit einem Vierteljahrhundert zu Hause und nur, wer wirklich dazugehört, wer, wie sie, ein Teil jener Welt geworden ist, ist in der Lage, Landschaften, Menschen, Rituale so zu fotografieren, wie wir es hier erleben. Menschen vor allem sind es, Portraits von Männern und Frauen, von Kindern und Alten, von Mönchen, Hirten und Pilgern, Portraits von einer Eindringlichkeit und Nähe, wie sie bisher nicht zu schauen waren. Das Folio-Format dieses gewichtigen Bandes und die sich oft über beide Seiten ertreckenden postergroßen Aufnahmen tun ein übriges, dieses Buch unter die wenigen, wirklich herausragenden Fotobände über Tibet einzuordnen. Aber das Buch ist mehr als ein bloßer Fotoband. Zwar sind die Fotos so dominant, daß man zunächst geneigt ist, die eingestreuten Texte zu überblättern, um nur rasch zur nächsten Bildsequenz zu gelangen. Doch die Botschaft der Bilder wird durch die kompetenten Texte zu allen Bereichen tibetischen Lebens, Denkens und Seins vertieft und erweitert. Engagierten Kennern gelingt es, in kurzen, konzentrierten Beiträgen wesentliches Grundwissen über Tibet zu vermitteln. Matthieu Ricard, französischer Wissenschaftler und seit dreißig Jahren buddhistischer Mönch, informiert über Entstehung und Grundzüge des tibetischen Buddhismus, über wichtige historische und lebende Religionsstifter und Lamas und über heilige Rituale und Tänze. Francoise Pommaret berichtet über den Sonderweg des buddhistischen Königreichs Bhutan, Fernand Meyer gibt eine knappe Einführung in die tibetische Medizin, und David Jackson erklärt, warum Kunst und Religion in Tibet nicht zu trennen sind. Wir erfahren von Jigmé Douche etwas über das kaum bekannte Thema tibetischer Kalligraphie, von Monisha Ahmend vom Leben der tibetischen Nomaden, und von Gene Smith über tibetische Sprache und Literatur. Danielle und Olivier Föllmi schließlich lassen uns einen Abend im Kreis einer Familie in Zanskar erleben. Auch die Probleme der Gegenwart und Zukunft Tibets werden erörtert und hier sind es vor allem Tibeter, die zu Wort kommen: Lobsang Sangyé malt ein erschreckendes, eindrückliches Bild vom dem nun länger als ein halbes Jahrhundert währenden Martyrium Tibets, Jamyang Norbu, einer der herausragenden modernen tibetischen Schrifsteller, plädiert für die Unabhängigkeit Tibets, und seine Heiligkeit, der 14. Dalai Lama, appelliert einmal mehr an Liebe und Gewaltlosigkeit. Sein am Ende des Buches formulierter Wunsch, dem 20., dem „Jahrhundert der Gewalt“ möge mit dem 21. ein „Jahrhundert des Dialogs“ folgen, kann – auch wenn es im März 2003 nicht danach aussieht – noch immer in Erfüllung gehen. Ein sehr empfehlenswertes Buch oder, anders formuliert: Noch nie war soviel Tibet (knapp neun Pfund wiegt das Buch mit seinen 200 Meisterfotos) für so wenig Geld zu haben. (- mb -)

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