Frank Kingdon Ward´s Riddle of the Tsangpo Gorges

Autor/en: Kenneth Cox (Hrsg)
Verlag: Antique Collectors Club
Erschienen: Woodbridge Suffolk 2001
Seiten: 320
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: 35.– englische Pfund
ISBN: 1-85149-371-9
Kommentar: Michael Buddeberg, Juni 2001

Besprechung:
Pflanzenjäger: Robert Lembkes „Heiteres Beruferaten“ hätte mit diesem Beruf seine Attraktion gehabt. Doch als dieser berühmte Fernsehhit aktuell war, war der letzte Pflanzenjäger längst im Ruhestand. Vornehmlich in der Zeit zwischen 1850 und 1950 reisten zumeist britische Botaniker und Abenteurer – häufig im Auftrage adeliger Landhaus- und Parkbesitzer – in die Dschungel Südamerikas, Afrikas und Asiens, nicht um getrocknete Blumen für europäische Herbarien zu sammeln, sondern um lebendige exotische Pflanzen oder deren Samen zu entdecken und nach Europa zu bringen. Keine Region erwies sich dafür so ergiebig wie der östliche Himalaya. Es war die Zeit, als sich China und Tibet und die Himalayaländer allmählich dem Westen öffneten und als bekannt geworden war, daß sich die dort in über 3000 Meter wachsenden Pflanzen ideal für eine Kultivierung in Schottland, Irland, Wales, in Cornwall oder für den Lake District eigneten. Robert Fortune und Joseph Hooker sind bekannte Namen aus dem goldenen Zeitalter der Pflanzenjäger aber auch der Österreicher Joseph Rock oder der Russe Nikolai Prschewalski bereicherten europäische Pflanzensammlungen mit neuen Primeln und Lilien und mit immer wieder neuen Magnolien und Rhododendren. Primus inter pares aber war zweifellos Frank Kingdon Ward (1885-1958), Pflanzenjäger, Abenteurer und Entdecker, den in der Zeit zwischen 1910 und 1957 mehr als zwanzig Expeditionen nach Yunnan, Burma, Indien, Sri Lanka und nach Tibet führten. Seine Bücher, weit mehr als ein Dutzend, sind allesamt Klassiker der Expeditionsliteratur, lebendig, spannend und poetisch, voll mit Information und aufregenden Erlebnissen und mit Hintergrundwissen über die bereisten Länder. Frank Kingdon Wards Beruf war das Sammeln von Pflanzen aber seine wahre Leidenschaft war die Entdeckung und Erforschung des Unbekannten. Der Höhepunkt seiner Expeditionen war zweifellos die Erforschung der Tsangpo-Schlucht, die er 1924/25 zusammen mit seinem Financier und Gefährten, Lord Cowdor, 5th Earl of Cowdor, unternahm. Die Neuherausgabe von Wards berühmten und natürlich längst vergriffenen Buch „The Riddle of the Tsangpo Gorges“ ist für den Herausgeber Kenneth Cox Anlaß, nicht nur die Geschichte der Pflanzenjäger im Himalaya zu berichten, sondern auch den aktuellen Stand der Erforschung der Tsangpo-Schlucht, eine der unzugänglichsten Regionen dieser Welt. Der Yarlung Tsampo ist der große Strom Tibets. Von seinen Quellen am Heiligen Berg Kailash im fernen Westen Tibets strömt er 1600 Kilometer ostwärts durch Tibet, zuletzt, immerhin noch in einer Höhe von 3500 Metern. Dann wendet er sich nach Süden und verliert sich im Himalaya zwischen eisbedeckten Gipfeln, die über 7000 Meter aufragen. Lange Zeit war es ein Rätsel, wohin die Reise geht. Konnten der schäumende Yarlung Tsangpo, der sich in dunklen, tiefen Schluchten verlor, und der in Assam in 150 Meter Seehöhe aus den Bergen heraustretende und gemächlich strömende Brahmaputra ein und derselbe Fluß sein? Heute wissen wir das, doch von dem 240 Kilometer langen Weg durch den Himalaya, von der tiefsten Schlucht der Welt, von den kaum vorstellbaren Wasserfällen, die es dort gibt und von den Naturwundern, die die Gewalt des Wassers dort geschaffen hat, wissen wir nur wenig. Bekannt und eine spannende Geschichte für sich, ist der erste Versuch, das Rätsel zu lösen. 1880 hatte der britische Captain Harmon die Idee, nach einem genau verabredeten Zeitplan markierte Baumstämme dem Tsangpo anzuvertrauen und in Assam am Brahmaputra ein Netz von Beobachtungsstationen zu errichten. Die Idee war genial und niemand konnte ahnen, daß diese Geschichte eines der außergewöhnlichsten Kapitel der Entdeckungen im Himalaya werden sollte. Mit dem tibetischen Teil des Auftrages wurde Kintup, ein tibetischer Schneider aus Sikkim beauftragt, der sich mit seinem Gefährten, einen chinesischen Lama, auf den Weg machte. Doch es ging alles schief. Zunächst hatte der Lama eine mehrmonatige Affäre mit der jungen Frau eines Gastgebers auf dem langen Weg zur Tsangpo-Schlucht. Erst als Kintup die Ehre des Hausherrn mit einer finanziellen Entschädigung wieder hergestellt hatte, konnten die beiden weiterziehen und erreichten nach neun Monaten das Kloster Pemaköchung, hoch über einem legendären Wasserfall – der im übrigen bis heute nicht gefunden wurde. Kintup mußte sich seinen Unterhalt als Schneider für Pilgerkostüme verdienen, geriet in Sklaverei und verlor ein ganzes Jahr, bevor er schließlich, nach einer abenteuerlichen Flucht, seinen Auftrag ausführen konnte. Nach einem revidierten und von ihm nach Lhasa gesandten Zeitplan schlug und markierte Kintup schließlich 500 Baumstämme und übergab sie dem Tsangpo. Sie werden Assam und den Golf von Bengalen auch erreicht haben, aber sie blieben unbemerkt. Die Nachricht mit dem neuen Zeitplan hatte seinen Auftraggeber nicht erreicht. Captain Harmon war bereits ein Jahr vorher gestorben. Nach einer Odysee von vier Jahren war Kintup wieder zu Hause. Eine andere, vorerst die letzte der Geschichten aus der Tsangpo-Schlucht endet tragisch: Eine Gruppe amerikanischer Sportler hatte sich 1998 vorgenommen, die Schluchten des Tsangpo abschnittweise mit dem Kajak zu befahren. Einige Tage ging auch alles gut, bis Doug Gordon in einer riesigen Stromschnelle verschwand und nie wieder gesehen wurde. Neben all diesen Storys, zu denen auch die Geschichte der vielen Heiligen Plätze und Pilgerziele in den Schluchten des Yarlung Tsangpo gehört und neben dem vollständigen Abdruck von Wards berühmten Buch, ist der vorliegende Band opulent illustriert. Den alten, dokumentarischen schwarz-weiß Bildern von Frank Kingdon Ward und Lord Cawdor stehen die aktuellen Farbbilder aus einer der aufregendsten Landschaften dieser Erde gegenüber. Hunderte von Bildern zeigen schließlich die faszinierende Pflanzenwelt der Region, den berühmten Blauen Mohn, seltene Primeln, Rhododendron in allen Farben und viele andere mehr. Der Herausgeber des Buches, Sohn und Enkel bekannter Pflanzenjäger, ist nicht nur selbst Rhododendron-Züchter sondern weltweit anerkannter Experte für die Pflanzen des Himalaya, die er auf zahlreichen Expeditionen in China, Yunnan und Tibet selbst fotografiert hat. Ein ungewöhnliches, interessantes und empfehlenswertes Tibetbuch.

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