Kailash – Pilger am heiligsten Berg der Welt

Autor/en: Helmut Burisch (Fotos), Hans-Peter Stauber (Text)
Verlag: Verlag Christian Brandstätter
Erschienen: Wien 2001
Seiten: 112
Ausgabe: Hardbound mit Schutzumschlag
Preis: 29.– Euro
ISBN: 3-85498-115-5
Kommentar: Michael Buddeberg

Besprechung:
Im entlegensten Westtibet, in einer der höchstgelegenen, einsamsten und vielleicht schönsten Landschaften der Erde steht eine erhabene Pyramide aus Fels und Eis, der Berg Kailash. Seit unvordenklichen Zeiten, sicher seit tausenden von Jahren, ist dieser Heilige Berg das Ziel von Pilgern, von Gläubigen aus verschiedenen Religionen, die sich von dieser Pilgerfahrt, von der rituellen Umwandlung des heiligen Berges spirituelle Reinigung, Verinnerlichung und Erlösung erwarten. Schon im alten Indien, vor mehr als dreitausend Jahren hatte der Kailash im Zusammenhang mit mythischen Weltschöpfungsvorstellungen eine sakrale, wenn nicht mythologische Bedeutung. Seine Erwähnung im großen, volkstümlichen Heldenepos Mahabharata belegt seine Bedeutung für den Hinduismus. Die Legende über den Berg Kailash als Wohnstätte Shivas und seiner göttlichen Gemahlin Parvati ist bis heute lebendig und für die vielen hinduistischen Pilger, die diesen Platz Jahr für Jahr besuchen, ein Anlaß für die beschwerliche Pilgerfahrt. Dabei ist die strahlende Schneekuppe des Kailash auch ein sichtbarer Ausdruck des hinduistischen Phallus-Kultes, der populärsten Form der Verehrung Shivas, ein ganzer Berg als eindeutig tantrisches Symbol. Auch für die Jainas, die Angehörigen der Jain-Religion Indiens ist der Kailash der Mittelpunkt der Welt und wichtigstes Ziel ihrer Pilgerreisen. Es liegt dann nahe, daß dieser mythische Platz auch für Tibeter und ihre vorbuddhistische Religion eine zentrale Rolle gepielt hat, umso mehr als der Kailash wohl in der Mitte jenes geheimnisvollen Königreichs vom Zan-Zun im Westen Tibets lag, das dem animistischen Bön-Glauben anhing. „Seelenberg des weißen Schnees“ nannten und nennen die Bön den Kailash noch heute und auch bei ihnen ist der Kailash eng verbunden mit ihren Weltschöpfungsmythen. Es ist eine Besonderheit des tibetischen Buddhismus, daß er die schamanistischen Vorstellungen und Gebräuche vorgefundener Religionen integrierte und mit neuen Inhalten versah. Padmasambhava, Naropa oder Milarepa, um nur einige zu nennen, verstanden es, animistische Gottheiten und Plätze dem neuen Glauben nutzbar zu machen. Die Geschichte, wie der große Yogi Milarepa am Kailash den machtvollen Bön-Magier Naru bezwungen hat und damit den heiligen Berg als Meditationsplatz für die buddhistische Lehre beanspruchte, ist wohl die bekannteste der Legenden um den Berg Kailash. Buddhisten aus allen Regionen Tibets, auch aus den chinesischen Provinzen Sechuan, Qinhai und Kansu, stellen heute den Großteil der Kailah-Pilger. Für Europäer ist der Kailash seit 1982 mittels des chinesischem Landcruiser-Tourismus erreichbar, in der Regel ein kleines Abenteuer und immer ein großes Erlebnis. Bis zur Öffnung Tibets für einen kontrollierten Tourismus haben allerdings nur ein Handvoll Europäer das „Schneejuwel“ gesehen: Sven Hedin vor allem (1907), der österreichische Abenteurer Herbert Tichy (1935), Giuseppe Tucci (1935) und Anagarika Govinda (1948). Heute ist der Kailash Bestandteil des Katalogangebotes vieler Reiseveranstalter und nur die hohen Kosten und die Beschwerlichkeiten der wochenlangen Reise halten den Strom von Touristen gering. Auch Bücher über den Kailash gibt es natürlich, Bildbände, Reisebeschreibungen und – im berühmten Tibet-Handbook von Victor Chang – genaue Anweisungen für eine Pilgerfahrt. Das vorliegende Buch über Pilger am Heiligen Berg ist etwas Besonderes. Es zeigt nur am Rande die inzwischen sattsam bekannten landschaftlichen Höhepunkte der Region.

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