Tibet – Buddhas, Götter, Heilige

Autor/en: Clara B. Wilpert, Maria Angela Algar
Verlag: Prestel Verlag
Erschienen: München 2001
Seiten: 160
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: DM 98.–
ISBN: 3-7913-2503-5
Kommentar: Michael Buddeberg

Besprechung:
Die Schweiz beherbergt die größte tibetische Gemeinde außerhalb Tibets, Nepals und Indiens. Etwa 2.500 Tibeter, ein Drittel von ihnen bereits dort geboren, leben heute in dem kleinen Land im im Zentrum Europas. Es mag sein, daß sich die Schweizer dem tapferen Bergvolk verwandt fühlten als Ende der fünfziger Jahre die Kunde vom Unglück und Exodus eines Volkes Europa erreichte, vielleicht hatte auch der rührige Schweizer Entwicklunghelfer Toni Hagen und seine guten Kontakte zum Dalai Lama einen Anteil daran, daß ab 1961 so viele Tibeter in der Schweiz eine neue Heimat fanden. Manche Schweizer hatten wohl auch insgeheim die Hoffnung, daß diese Menschen aus dem Himalaya die „verwaisten Schweizer Bergtäler“ wieder besiedeln. Diese Hoffnung wurde nicht erfüllt. Die Tibeter brachten ihre Religion, ihre Kultur und ihre Überzeugungen mit nach Europa und dazu gehörte, daß im traditionellen Tibet der Bauernstand gesellschaftlich nur wenig angesehen ist. Die Enttäuschung ist längst vergessen. Die Tibeter in der Schweiz haben einen wichtigen Beitrag bei der Begegnung und Verständigung der Kulturen geleistet. Die tibetischen Flüchtlinge haben auf ihrem unfreiwilligen Exodus die Werte einer in mittelalterlicher Form erhaltenen Hochkultur und Hochreligion als Gastgeschenk in den Westen mitgebracht, und mit Erstaunen wurde wahrgenommen, daß die tibetisch-buddhistische Erkenntnislehre keinen Widerspruch zu irgendeinem Glaubensbekenntnis darstellt. Dieses Geschenk wirkt bis heute unvermindert fort, denn für den Tibeter ist seine buddhistische Kultur Teil seiner Identität. Die Schweizer Tibeter haben in Rikon ihr Kloster, das die Bestimmung hat, die in der Schweiz und in Europa lebenden Tibeter geistlich und kulturell zu betreuen. So ist es nur konsequent, daß eine der drei größten Sammlungen tibetischer Kunst im Westen, sicher die bedeutendste Europas, in der Schweiz, im Basler Museum der Kulturen ihre Heimstatt fand. Die Sammlung des Hamburger Religionswissenschaftlers Gerd-Wolfgang Essen gelangte 1998 durch eine großzügige Schenkung der Basler Mäzenin Catherine Oeri in das Museum, das nun aus der über 750 Objekte umfassenden Kollektion eine Daueraustellung präsentiert, die in Europa nichts ihresgleichen hat. Der dazu erschienene Katalog zeigt und beschreibt, geordnet nach den den 5 Themenbereichen „Heilige, Buddhas, Götter, Mönche und Tempel“ leider nur einen kleinen Teil der Exponate und ist damit keine Konkurrenz für den schon 1989 erschienenen zweibändigen und wissenschaftlich von Lama Tsering Tashi Thingo bearbeiteten Bestandskatalog der Sammlung Essen. Die Bedeutung des Begleitbuches zur Ausstellung liegt vielmehr in der Darstellung und Auseinandersetzung zeitgenössischer, in der Schweiz lebender tibetischer Autoren mit ihrer Situation im Exil und mit der Wirkung und dem Wandel des Buddhismus im Westen. So stellt etwa der 1963 in der Schweiz als Sohn des Rakra Rinpoche geborene Wangpo Tethong die Frage, ob angesichts des heute komplett digital abrufbaren buddhistischen Wissens buddhistische Lehrer bald arbeitslos werden? Oder die Frage nach Sinn und Unsinn der wie Pilze aus dem Boden schießenden Dharma-Center und deren Wettbewerb mit immer neuen Esoterik-Angeboten. Seine Antwort, daß das Nirvana immer noch weiter entfernt ist als nur ein paar Mausklicks im Cyberspace verweist auf die Werte tibetisch-buddhistischer Tradition, die auch im Wandel Bestand haben. So gehören die in dem Katalog gezeigten und beschriebenen, herausragenden Beispiele tibetischen Kunstschaffens und tibetischen Kunsthandwerks nicht einer untergegangenen Kultur an, sondern sind lebendige Gegenwart. Unter diesem Blickwinkel entfalten die tibetischen Heiligen und Lehrer, Marpa, Milarepa, Tsongkapa und viele andere, die kaum überschaubare Anzahl der Buddhas – die Buddhas der drei Zeitalter oder die fünf Tathagatas seien hier nur als Beispiele genannt -, Bodhisattvas, Arhats oder zornvolle Schutzgottheiten, eine neue Wirkung und gewinnt das Leben der Mönche im Kloster, ihr Tagesablauf, ihre Gebet, Rituale und Studien und schließlich die ehrwürdige und prachtvolle Ausstattung tibetischer Tempel eine neue Bedeutung. (- mb -)

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