The Cultural Monuments of Tibets Outer Provinces – AMDO – Vol.1 – The Qinhai Part of Amdo

Autor/en: Andreas Gruschke
Verlag: White Lotus Press
Erschienen: Bangkok 2001
Seiten: 284
Ausgabe: Softcover
Preis: US-$ 35.–
ISBN: 974-7534-52-9
Kommentar: Michael Buddeberg, Dezember 2001

Besprechung:
1980 wurde Tibet erstmals im 20. Jahrhundert für den Reiseverkehr geöffnet. Die Zeit davor war Tibet aus mannigfachen Gründen ein verschlossenes Land. War es bis ins 19. Jahrhundert vor allem die abgelegene Lage, die nur vereinzelt Missionare, Gesandte oder Abenteurer bis ins Land des Schnees vordringen ließ, gewannen später politische Gründe an Gewicht. Das Machtstreben der Russen, der Briten aber auch Chinas in Zentralasien ließ Tibet zu einem Spielball der Weltpolitik werden, mit der Folge, dass Tibets Führung allergisch auf jeden Fremden innerhalb seiner Grenzen reagierte. Das blieb so bis 1950 als China seine Chance – die Welt war mit anderen Problemen beschäftigt – nutzte, das Dach der Welt besetzte und die Grenzen hermetisch verschloß. Die Literatur über Tibet ist ein Spiegel dieser Situation. Wenn auch bis 1950 fast jeder, der dieses Land erreichte, hierüber ein Buch veröffentlichte, blieb die Literatur über Tibet spärlich, wenig zuverlässig und oft durch ein vorgeprägtes mythisches Tibetbild verfälscht. Das hat sich seit Anfang der 80er Jahre, seit China in Tibet einen begrenzten Tourismus zuläßt, geändert. Wie bei allen aktuellen Fernreisezielen ist auch die Literatur über Tibet fast unüberschaubar geworden. Neben vielen belanglosen und immer wieder ähnlichen Veröffentlichungen erschienen aber auch Bücher, die sich fundiert mit der tibetischen Kunst und Kultur befassen, wie sie sich heute nach den Zerstörungen der Kulturrevolution und nach 50 Jahren kommunistischer Herrschaft über Tibet im Land selbst präsentiert. Diese Literatur beschränkt sich indessen im wesentlichen auf Zentraltibet, auf die alten tibetischen Provinzen Ü und Tsang, das historische Kernland Tibets, und auf Westtibet. Der Osten von Tibet, die alten tibetischen Provinzen Kham und Amdo, noch heute schwer zugänglich und wenig besucht, blieben weiße Fleken auf der Karte kultureller Stätten. Das soll sich ändern und mit Andreas Gruschkes Band über den in der heutigen chinesischen Provinz Qinhai gelegenen Teil von Amdo ist ein überzeugender Anfang gemacht. Wohl niemand hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten so häufig und so intensiv die entlegenen Regionen im nordöstlichen Teil des tibetischen Plateaus besucht wie der Ethnologe, Geograph und Sinologe Andreas Gruschke. Dies, sein Können als Fotograf, vor allem aber sein tiefes Verständnis und seine Liebe zur tibetischen Kultur, haben ein faszinierendes Buch entstehen lassen und ermöglichen einen Blick auf eine erstaunlich vielfältige und vitale Welt des tibetischen Buddhismus. 100 Jahre nach Wilhelm Filchners detaillierten Berichten über seinen Aufenthalt in dem berühmten Kloster Kumbum und über seine abenteuerliche Reise durch das Land der räuberischen Ngolok, erfahren wir von Klöstern und Tempeln mit jahrhundertealter, bis heute ungebrochener Tradition, von Kunstwerken, die die Kuturrevolution überdauerten und von einer eigenständigen sakralen tibetischen Architektur, die dennoch die Nähe Chinas spüren läßt. Eingebettet sind diese Plätze in die grandiose Bergwelt zwischen dem Qilian-Gebirge und dem Heiligen Berg Amnye Machen, in die Wüstenregionen zwischen Tsaidam-Becken und Kokonor-See und in die gewaltigen Flußlandschaften des Huang Ho oder des Ma Chu. Es ist hier nicht der Platz, die einzelnen Monumente aufzuzählen, das Kloster Qutan etwa mit seiner Mingarchitektur, die Kumbum-Chörten von Achonggya oder die 100 Stupas der Cagri Gompa, es kennt sie ohnehin fast niemand. Hervorzuheben aber ist der Eindruck einer Aktualität und Lebendigkeit tibetischer Kultur, die Hoffnung macht. Es entspricht buddhistischem Grundverständnis, daß sich Gruschke nicht auf einen Überblick noch vorhandener antiker Substanz in Nordost-Tibet beschränkt – wie überall in Tibet hat auch hier nur Weniges der Kulturrevolution standgehalten -, sondern daß er den ewigen Kreislauf von Leben, Tod und Wiedergeburt auf die materielle Welt überträgt. Auch in der Architektur gibt es den fortlaufenden Prozeß von Aufbau, Zerstörung und Wiederaufbau, und ein am alten, heiligen Platz wiedererstandenes Kloster mit hunderten von praktizierenden Mönchen hat einfach mehr kulturelles Gewicht als die westliche Eigenart, den Verlust alter Dinge zu beklagen. Gruschke verwahrt sich denn auch gegen das vielfach gehörte Urteil, daß die tibetische Kultur und Zivilisation in Tibet fast ausgelöscht sei. Mit Bewunderung und Respekt würdigt er die tibetischen Bemühungen und Erfolge im Wiederaufbau von Klöstern und Tempeln, in der Rekonstruktion tibetischer Wirtschaftformen und in der Wiederbelebung traditionellen Lebens in Tibet. Die überall feststellbaren Änderungen gegenüber vergangenen Zeiten, so Gruschke, sind ein universelles und nicht ein tibetisches Problem. Die globalen Veränderungen der modernen Welt machen vor dem Dach der Welt nicht Halt, doch der Autor ist sich sicher, daß eine Zivilisation nicht stirbt, solange der Wille existiert, sie an künftige Generationen weiterzugeben. Die kulturellen Monumente von Amdo sind eine Bestätigung dieses Willens. Die angekündigten weiteren Bände der Reihe dürfen mit Spannung erwartet werden und der Rezensent verbindet diese Spannung mit dem Wunsch, daß sie Kartenmaterial enthalten, das es ermöglichst, die in Wort und Bild gezeigten Denkmäler auch an Ort und Stelle aufzufinden. (- mb -)

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