Deities of Tibetan Buddhism – The Zürich Paintings of the Icons Worthwhile to See

Autor/en: Martin Willson, Martin Brauen
Verlag: Wisdom Publications
Erschienen: Sommerville (USA) 2000
Seiten: 604
Ausgabe: Leinen
Preis: 450.– Schweizer Franken (Völkerkunde Museum der U
ISBN: 0-86171-098-3
Kommentar: Michael Buddeberg

Besprechung:
Im Jahre 1810 wurde in der Mongolei eine große Einweihungszeremonie abgehalten. Der vierte Panchen Lama, Seine Heiligkeit Tenpei Nyima, war aus Tibet zu Besuch gekommen. Tag für Tag versammelten sich Hunderte, Tausende von Menschen, hohe Lamas, kaiserlich-chinesische Beamte und klösterliche Würdenträger ebenso wie einfache Mönche, Laien und Pilger, um von ihm die vier großen Einweihungen vom Mandala des Ursprünglichen Buddha entgegenzunehmen. Zur Feier dieses Ereignisses wurde ein Satz von Blockdrucken mit Darstellungen von Gottheiten von drei großen Einweihungszyklen angefertigt. Zusammen ergeben diese Blockdrucke, 507 an der Zahl und jeweils drei auf einem Blatt, ein Buch aus losen Blättern, wie es in Tibet seit jeher üblich war. Nur eine Handvoll Exemplare dieses Buches mit den Blockdrucken haben sich erhalten. In den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts tauchte im Handel ein einzigartiges Unikat auf: Ein vierbändiges Exemplar jedoch nicht in Blockdruck, sondern mit den 507 Darstellungen (und drei weiteren) in feinster Miniaturmalerei – eine Rarität sondergleichen. Es konnte vom Völkerkundemuseum der Universität Zürich erworben werden, dem es zu danken ist, daß dieses einzigartige Studienobjekt tibetischer Ikonographie nun einem breiteren Publikum in einer prachtvollen, wissenschaftlich bearbeiteten Publikation vorliegt. Kein Superlativ reicht aus, die Bedeutung der „Icons“ zu beschreiben: Es gibt in der ganzen Welt keine zweite authentische und auch nur annähernd so vollständige, farbig gestaltete Darstellung des tibetischen Pantheons. Die Darstellungen sind – im Gegensatz zu der in Holz geschnittenen Blockdruckvorlage – von höchster maltechnischer Qualität, unglaublicher Detailtreue und leuchtender, harmonischer Farbigkeit. Das Studium von Haltung, Mudras, Ausdruck und Attributen tibetischer Gottheiten hat mit diesem Werk eine neue Grundlage erhalten. Die Wiedergabe und Übersetzung der den einzelnen Darstellungen zugeordneten Mantras, sowie die Veröffentlichung der übersetzten Quellentexte, die den wesentlichen Umfang der Publikation ausmacht, tragen dazu bei, dieses Buch für den Kunsthistoriker, Wissenschaftler und jeden am tibetischen Buddhismus ersthaft Interessierten unentbehrlich zu machen. Ein solches Unikat birgt natürlich Geheimnisse, von denen durch die langjährige wissenschaftliche Untersuchung nur ein Teil gelöst werden konnte. Klar ist, daß die Blockdrucke aus dem Jahre 1810 nicht nur Vorbild sondern Grundlage der Malerei sind. Die Bilder sind also keine frei gemalten Miniaturen sondern genau genommen Aus- oder Übermalungen der Blockdrucke. Doch wer hat sie gemacht und wo und wann? Die Miniaturen entsprechen ikonoghraphisch voll und ganz der Tradition des tibetischen Buddhismus doch sprechen einige Umstände dafür, daß sie nicht in Tibet sondern in China oder in der Mongolei entstanden sind. Chinesische Band- und Seitenzahlen, die Montage der einzelnen Blätter zu einer Art Faltbuch und der zum Schutz des Buchblocks verwendete chinesische Brokatstoff aus der Ching-Dynastie sprechen für China. Die neben den vom Blockdruck vorgegebenen tibetischen Unterschriften seitlich beigefügten Bezeichnungen in mongolischer Schrift verweisen auf die Mongolei. Das gilt auch für die Miniaturen selbst, die so gut wie keine Einflüsse chinesischer Malweisen zeigen und die daher sehr wohl in der hohen Schule der mongolischen Miniaturmalerei enstanden sein können. Ebensowenig wie die Herkunft läßt sich Zeitpunkt der Entstehung exakt angeben. Nach 1810 ist so ziemlich das Einzige, was man sicher weiß, und wenn Martin Brauen meint, „um 1850“ sei eine Möglichkeit, dann ist das ein Vorschlag, der mehr dem Gefühl folgt, als daß er irgendwie belegt werden könnte. Auch die Frage nach dem oder den Künstlern wird niemals beantwortet werden können, denn diese Art von Malerei war, ob sie nun in Tibet oder in der Mongolei ausgeführt worden ist, stets anonym. All diese offenen Fragen mindern selbstverständlich nicht die Bedeutung des Buches und vielleicht sind die Geheimnisse um Alter, Herkunft und Schicksal dieses Werkes Teil der Faszination, die es ausstrahlt. Bleibt noch anzumerken, daß etwa ein Viertel des Buches umfangreichen Indices gewidmet ist, die, gleichgültig in welcher Sprache gestellt, ob in in der englischen, tibetischen, mongolischen oder in Sanskrit, keine Frage offen lassen. Selbst ein Bildindex ist vorhanden und es war eine glänzende Idee der Herausgeber, hier die unvergleichlichen Pinselzeichnungen von buddhistischen Symbolen und Attributen aus der Hand von Robert Beer zu veröffentlichen, die die Miniaturen kongenial ergänzen. (- mb -)

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