Tibet

Autor/en: Jaroslav Poncar
Verlag: Edition Panorama
Erschienen: Mannheim 2000
Seiten: 168
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: DM 198.–
ISBN: 3-89823-130-5
Kommentar: Michael Buddeberg

Besprechung:
Vermutlich sind im vergangenen Jahrzehnt mehr Bücher über Tibet veröffentlicht worden als im ganzen Jahrhundert davor. Und viele, sehr viele davon sind Fotobände, die uns die Menschen und ihre Kultur, vor allem aber die faszinierenden Landschaften vom Dach der Welt vor Augen führen. Was soll also ein weiterer Bildband über Tibet? Hier die Antwort: Weder im vergangenen Jahrzehnt noch im Jahrhundert davor ist ein Buch erschienen, das die Weite, die Kraft, die Einzigartigkeit und die Schönheit tibetischer Landschaft, das die Klarheit und Größe des Himmels, der sich über diesen Landschaften wölbt, das aber auch die Kargheit und Lebensfeindlichkeit dieser Region und die Ausgeliefertheit der Menschen gegenüber der Natur und ihrer Gewalt besser zeigt als dieses Buch. Zu danken ist es dem Auge eines genialen Fotografen, einer russischen Panoramakamera vom Typ FT-2 und der Perfektion, mit der Jaroslav Poncar, dieses ungewöhnliche fotografische Gerät zu handhaben versteht. Für Kenner ist dies freilich nicht ganz neu: Schon 1988 wurden in dem Buch „Tor zum Himmel“ eine Auswahl der Panoramaaufnahmen von J.Poncar veröffentlicht und seit einigen Jahren kann man sie sich auch als großformatigen Kalender der Edition Panorama Jahr für Jahr an die Wand hängen. In dem vorliegenden Buch ungewöhnlichen Formats sind nun 69 dieser Panoramafotografien in Farbe und in schwarz/weiß versammelt und sie zeigen uns Tibet in seiner ganzen Vielfalt, von den grünen, nebelverhangenen Weiden des östlichen Kham bis zur gottverlassenen, wasserlosen und lebensfeindlichen Hochgebirgswüste des Aksai Chin im fernen Nordwesten Tibets. Natürlich sind auch die kulturellen Höhepunkte Zentraltibets vertreten, Shigatse und Gyantse, Lhasa mit Potala und Jokhang, das Staatsorakel Nechung und die Gelugpa-Klöster Ganden und Sera. Die eigentliche Faszination aber geht von den einzigartigen Landschaften des westlichen und nördlichen Tibet aus, Landschaften der alten Königreiche Purang und Guge mit den historischen Plätzen Tholing und Tsaparang, dem heiligen Berg Kailash, dem Zentrum des gesamten Kosmos für Buddhisten ebenso wie für Hindus, den geheimnisvollen Seen Manasarowar und Rakastal und der unendlichen nördlichen Hochebene Changtang mit heißen Quellen, Nomaden, hohen Pässen und Yakkarawanen. Die Panoramaaufnahmen der zuerst von Sven Hedin entdeckten Indusquelle, der Ruinen der verlassenen Residenz Tsaparang, der Dünenlandschaften des Yarlung Tsampo oder der Chiu Gompa, hoch über dem Manasarowar, von Nomaden in der Ebene von Barga oder auch nur vom Spiel von Licht und Schatten, vom Wechsel zwischen Hagelsturm und Sonnenschein und von der Korrosionslandschaft des Sutlej sind von unnachahmlicher Intensität und Eindringlichkeit. Daß man sich durch diese Fotos als Teil der Landschaften empfindet, als sei man wirklich dort, mag wohl daran liegen, daß man sie nicht mit einem Blick erfaßt, sondern daß man sie durchwandern muß, daß Kopf und Augen bewegt werden müssen, genauso wie es eben ist, wenn man inmitten der Landschaft steht. Eine knappe, einfühlsame Einführung zum Thema Tibet von John Keay sowie Daten und Werkverzeichnis von Jaroslav Poncar, der heute an der Fachhochschule Köln im Fachbereich für Fotoingenieurwesen unterrichtet, vervollständigen eine ungewöhnliche und faszinierende Publikation. (- mb -)

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