From the Sacred Realm – Treasures of Tibetan Art from the Newark Museum

Autor/en: Valrae Reynolds
Verlag: Prestel-Verlag
Erschienen: München London New York 1999
Seiten: 264
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: DM 98
ISBN: 3-7913-2148-x
Kommentar: Michael Buddeberg, Juli 1999

Besprechung:
Wie so oft stand ein Zufall am Anfang einer großen Sammlung, hier der bedeutenden Sammlung tibetischer Kunst und Kultur des Newark Museums bei New York. Als im Jahre 1910 der Dampfer „Mongolia“ das japanische Yokohama in Richtung USA verließ befanden sich zwei Personen an Bord, die bis dahin noch nie etwas voneinander gehört hatten. Es waren Edward N. Crane, einer der Gründer und Sponsoren des Newark Museums und der Missionsarzt Dr. Albert L. Shelton, der von einer langjährigen Missionsarbeit in China und Osttibet zu einem Heimaturlaub zurück­kehrte. Das allein macht noch nicht den großen Zufall, doch hatte Dr. Shelton in seinem Gepäck eine große Anzahl tibetischer Artefakte, die er gesammelt hatte und die er zur Finanzierung seines Missionskrankenhauses verkaufen wollte. Es waren ungewöhnliche, im Westen noch nie gesehene Gegenstände einer fremdartigen Kultur und sie waren dank des Gespürs und des sammlerischen Instinkts von Dr. Shelton durchweg von hoher und höchster Qualität. Die Begeisterungsfähigkeit und das Mäzenatentum von Edward Crane taten ein übriges und so gab es im Jahre 1911 im Newark Museum eine denkwürdige und vielbeachtete Ausstellung von 150 tibetischen Objekten aus der Shelton-Sammlung – es war wohl überhaupt die erste bedeutende Ausstellung tibetischer Kunst und Kultur. Die Erben des 1911 verstorbenen Edward Crane erwarben die Sammlung und stifteten sie dem Museum. Dieser Grundstock der Sammlungen enthält umfangreiches Material höchster Qualität, behandelt vor allem aber auch alle Aspekte tibetischer Kultur, und dies wurde zum Leitmotiv dieser Tibet-Sammlung. Die Breite dieser Sammlung, die nicht nur Kunst aus Klöstern und Tempeln zeigt, sondern auch in das Leben und das Brauchtum aller tibetischen Gesellschaften einführt, ist ihre Besonderheit und hebt sie aus anderen Sammlungen deutlich heraus. Der andere unschätzbare Vorzug ist der frühe Entstehungszeitpunkt und das Glück, daß ein Sammler wie der Missionar Dr. Shelton zur richtigen Zeit am richtigen Ort war. Batang im Osten Tibets war sein Missionssitz, damals zwar eine rein tibetische Stadt in der tibetischen Provinz Kham, politisch jedoch ein Zankapfel zwischen Tibet und China. Batang und die ganze Region war Schauplatz ständiger lokaler Auseinandersetzungen zwischen tibetischen Fürsten, chinesischen Warlords, räuberischen Nomadenstämmen und wechselnden Statthaltern. Zerstörung, Wiederaufbau und erneute Zerstörung – das muß ganz zynisch festgestellt werden – sind ideale Voraussetzungen für den Aufbau einer Sammlung und Dr. Shelton nutzte sie. 1913 ging er mit seiner Frau und seinen zwei kleinen Töchtern zurück nach Batang und setzte seine Tätigkeit als Missionsarzt und Sammler fort. Enge freundschaftliche Kontakte zu den religiösen und politischen Führern der Region, zu Lamas und Fürsten, und schließlich die Fortdauer der bewaffneten tibetisch­-chinesischen Grenzwirren, ließen die Sammlung um bedeutende Objekte wachsen. 1922 befand sich Sheldon auf dem Weg nach Lhasa, um dort mit Zustimmung des modern denkenden und auf­geschlossenen 13. Dalai Lama junge Tibeter in westlicher Medizin auszubilden, als er von Räubern erschlagen wurde – ein damals gar nicht so seltenes Missionarsschicksal. Die bis Mitte des Jahr­hunderts mit weiteren Missionssammlungen ausgebaute Museumssammlung wird in diesem Buch der langjährigen Kuratorin für asiatische Kunst am Newark Museum erstmals repräsentativ vor­gestellt. Es ersetzt die von 1950 bis 1971 erschienenen, vergriffenen und schwer auffindbaren fünf kleinen Heftchen, die bisher den Sammlungkatalog darstellten. Auf 142 Farbtafeln werden geordnet nach Themenkreisen die bedeutendsten Objekte vorgestellt, und es sind die Dinge aus dem täglichen Leben, von denen wohl die größte Faszinaton ausgeht. Kostüme, modisches Zubehör, Bierkrüge und Teekannen, Amulettbehälter und Schmuck, Banknoten und Münzen, Teeschalen und Möbel, Butterlampen und Gebetsmühlen und immer wieder kostbare Textilien – ein buntes Panorama des Lebens auf dem Dach der Welt zieht an uns vorüber. Die Texte – darunter ein Beitrag über die tibetische Geschichte und Religion von Amy Heller – sind ergänzt durch historische Aufnahmen aus der ersten Hälfte des Jahrhunderts. Kurzum: Das derzeit beste Buch über die „material culture“ des alten Tibet.

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