Jewelry of Nepal

Autor/en: Hannelore Gabriel
Verlag: Thames & Hudson
Erschienen: London 1999
Seiten: 210
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: £ 36
ISBN: 0-500-01920-7
Kommentar: Michael Buddeberg, Juli 1999

Besprechung:
Nepal, kaum größer als die Schweiz und Österreich zu­sammen, ist ein kleines Land mit erstaunlichen Superlativen. Kein Land der Erde etwa hat größere Höhenunterschiede aufzuweisen. Nur wenig über Meereshöhe liegen die Malaria­sümpfe im Süden des Landes, im Norden türmt sich der Himalaya und nicht weniger als acht der wenigen Acht­tausender der Erde liegen allein in Nepal. Alle Klimazonen reihen sich auf engem Raum aneinander, von den Tropen bis zu den arktischen Regionen des Hochgebirges. Dieser topographischen entspricht eine unglaubliche ethnische und kulturelle Vielfalt. Zwischen 45 und 60 verschiedene ethni­sche Gruppen und mindestens 36 verschiedene Sprachen sind in Nepal bekannt. Durch die schwere Zugänglichkeit des Landes – 90% der Fläche sind unwegsames Bergland – und durch die politische Abgeschlossenheit bis in die zweite Hälfte dieses Jahrhunderts haben sich in den nepalischen Volksgruppen Traditionen länger erhalten als sonstwo. Während in vielen Teilen Asiens der Volksschmuck längst verschwunden ist, blieb er in Nepal, in den schwer zugänglichen Bergregionen zumal, schier überreich erhalten. Hannelore Gabriel, Goldschmiedin, Schmuckdesignerin und Sammlerin, hat 1979 bei einem ersten Besuch in Nepal diese Vielfalt entdeckt und hat seither auf 16 Reisen, die sie in die entlegensten Täler des Landes führten, phantastisches Material für dieses Buch zusammengetragen. So kann das Buch getrost als eines der besten Bücher über ethnischen Schmuck bezeichnet werden. Vor allem wird hier der Schmuck nicht herausgelöst aus seinem kulturellen Umfeld gezeigt, sondern an den Frauen Nepals, die ihren traditionellen Schmuck noch heute tragen, im täglichen Leben oder zu besonderen Anlässen. Es sieht so aus, als hätten die Frauen nur darauf gewartet, sich und ihren Schmuck fotografieren zu lassen, doch wer um die Schwierigkelten weiß, Kontakte herzustellen, Unbefangenheit als Voraussetzung für gute Portraits, der wird der Autorin neben all ihrem Wissen über Schmuck ein weiteres Attribut zuerkennen müs­sen: sie ist eine ausgezeichnete Fotografin, und wir erfahren über die Bilder sehr viel mehr über dieses Land, vor allem über seine Menschen, als es der bloße Schmuck vermitteln könnte. Dasselbe gilt für den Text, der nicht nur den Schmuck selbst, seine Symbole, seine Materialien und seine Ge­schichte beschreibt, sondern auch das Land, die Religiosität der Menschen und das Nebeneinander der verschiedenen Volksgruppen. Von den fünf nach ethnographischen und schmucktypologischen Gesichtpunkten von der Autorin gebildeten Gruppen möchte ich hier zwei herausgreifen: Die Newari, seit Jahrhunderten schon die besten Handwerker der Region und die Tibeter in Nepal, die wohl eigenständigste Gruppe in diesem Land. Kulturell und auch für die Bedeutung von Schmuck ist der Kult der Kumari ein eigenartiges Phänomen der Newari: In einem guten Dutzend von Gemein­den im Kathmandu-Tal manifestiert sich die Hindu-Göttin Durga in einem kleinen Mädchen, das im Alter zwischen drei und fünf Jahren ausgewählt und dann für einige Jahre als lebende Göttin hochverehrt wird. Der Schmuck der Kumari, reicher Gold- und Silberschmuck höchster Qualität, ist Bestandteil dieses Kultes und nur wenn die Kumari das vollständige, heilige Set von Schmuckgegen­ständen trägt, sind ihre übernatürlichen Kräfte aktiv, vermag sie Schutz und Wohlergehen zu vermitteln. Diese Schutzfunktion von Schmuck ist neben der Absicht nur einfach zu „schmücken“ und der Bedeutung als Statusymbol sicher der herausragende Zweck, warum die Tibeter Schmuck tra­gen. Uns erscheint der tibetische Schmuck mit seinen Türkisen und Korallen, mit Bernstein, Achat und Silber, der formale Reichtum der Amulettbehälter oder die Vielfalt des Kopfschmuckes vor allem dekorativ. Für Tibeter aber hat jede Zusammenstellung, jede Farbnuance, Form und Größe der Steine, jede Schmuckvariante eine Bedeutung, Schutz vor bösen Geistern, vor Krankheit und vor allem Unheil dieser Welt. Die ungleich stärkste Kraft haben dabei die eigenartigen „dzi“-Steine, längliche Achate mit geheimnisvoller Zeichnung, die für Tibeter von übernatürlichem Ursprung sind, auf mythische Weise versteinerte Erdwürmer oder Insekten, ausgestattet mit magischen Kräften. Aber auch für westliche Schmuckwissenschaftler ist die Herkunft dieses Schmucksteines ungewiß. Man weiß zwar, daß die Zeichnung dieser Steine durch einen komplizierten chemisch-thermischen Vorgang künstlich herbeigeführt wurde, aber wann und wo, ist nicht bekannt. Sie sind zweifellos sehr alt, wohl mehrere tausend Jahre, ähnliche Steine gab es in Mesopotamien und im Indus-Tal um 2.700 v.Chr. und so mag die Theorie, daß die tibetischen „dzi“-Steine aus dem mythischen tibeti­schen Königreich ZhangZhung stammen vielleicht richtig sein. Für die besten Exemplare, die Tibeter unter der Kleidung oder nur zu besonderen Anlässen tragen, werden fünfstellige Dollarbeträge bezahlt. Diese und hunderte weiterer Informationen, Geschichten und Fakten, 360 Illustrationen, davon 320 in Farbe, Tips für den Sammler schließlich und eine Bibliographie machen Jewelry of Nepal zu einem Bucherlebnis allererster Güte.

Print Friendly, PDF & Email