Ruthless Compassion – Wrathful Deities in Early Indo-Tibetan Esoteric Buddhist Art

Autor/en: Rob Linrothe
Verlag: Serindia Publications
Erschienen: London 1999
Seiten: 354
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: 35.– engl.Pfund
ISBN: 0-906026-51-2
Kommentar: Michael Buddeberg

Besprechung:
Der esoterische oder tantrische Buddhismus, das diamantene Fahrzeug, wird fälschlicherweise oft ausschließlich mit Tibet in Verbindung gebracht und er wird genauso oft gründlich mißverstanden. Die wilden, furchtbaren, oft monströsen, machmal hocherotischen Darstellungen zahlloser Gottheiten formen einen Pantheon, den manche als eine entstellte Form des Buddhismus ansehen. Dieses Mißverständnis durch den Nichteingeweihten ist im Tantrismus vorprogrammiert denn er trägt alle Züge einer Geheimlehre. Der Gebrauch verschlüsselter Sprachen und Gebete, die Notwendigkeit der Einführung durch einen erleuchteten Meister, die zentrale Bedeutung mysthischer Erfahrung und eine vielschichtige Symbolik schufen ein System von Glauben und Praxis, das sich einem wissenschaftlichen Verständnis entzieht. Der Tantrismus, so schrieb 1974 der bedeutende holländische Buddhologe de Jong, ist der am meisten vernachlässigte Bereich buddhistischer Studien. Zudem wurde er bisher nahezu ausschließlich aus Texten erschlossen, die aus späterer Zeit stammen, Quellen aus zweiter Hand also, eine Folge der Grundsätze von Geheimhaltung und Mündlichkeit. Bildwerke wurden mehr als Illustration denn als Träger von Information angesehen. Die bedeutende Studie des Kunsthistorikers Rob Linrothe über zornvolle Gottheiten in der frühen indo-tibetischen buddhistischen Kunst ist ein gänzlich neuer und unmittelbarer Weg zum Verständnis dieser wichtigen, verehrungswürdigen, religiösen Tradition. Linrothe geht von der These aus, daß Kunstwerke sehr verläßliche Instrumente bei der Rekonstruktion von Geschichte sind, auch von Geistesgeschichte. Wenn Ideen so stark werden, daß sie in Kunstwerken Ausdruck finden, dann werden diese Kunstwerke zu unwiderlegbaren Beweisen für das Vorhandensein dieser Ideen an bestimmten Orten zu bestimmten Zeiten. Und wenn auch der esoterische Buddhismus auf die Prinzipien von Geheimhaltung und Mündlichkeit gründete, so fand die Erleuchtungserfahrung stets auch materiellen Ausdruck, wo immer sich das diamantene Fahrzeug in Asien ausbreitete. Es wurde modelliert, gemalt, gegossen und in Stein gehauen und diese Bildwerke hatten nicht nur eine dekorative Funktion sondern sie waren visueller Auslöser meditativer Zustände und Ausdruck von Erfahrungen, die sich einer verbalen Beschreibung entzogen. Natürlich waren diese Kunstwerke zu ihrer Zeit einer nicht eingeweihten Öffentlichkeit nicht zugänglich, doch heute befinden sie sich in Museen und Sammlungen und sind für Studienzwecke auch in Tempeln, Höhlen und Ausgrabungsstätten zugänglich. Linrothe versammelt und untersucht hunderte dieser inzwischen über die ganze Welt verstreuten Bildwerke, bringt sie in eine chronologische Ordnung und entwickelt daraus ein schematisches Modell der Entwicklung des esoterischen Buddhismus in Indien in der Zeit vom 6. bis zum 12. Jahrhundert. Objekt der exzellenten Studie sind die „krodha vighnantaka“, die zornvollen Zerstörer der Hindernisse, und Linrothe teilt sie in drei wesentliche Entwicklungsphasen ein, zugleich Stadien der Ausbildung und Fortbildung der tantrischen Lehre. Die erste Phase begann im späten 6. Jahrhundert und entwickelte sich aus dem orthodoxen Mahayana-Buddhismus. Zu ihren wichtigsten Gottheiten gehören Hayagriva und Yamantaka, und diese Phase übergreift des gesamten Zeitraum bis zum zwölften Jahrhundert. Phase zwei vom achten bis zum zehnten Jahrhundert entspricht der traditionellen tibetischen Lehre vom Yoga-Tantra und hier mag als Repräsentant Vajrapani genannt werden. Phase drei schließlich (zehntes bis zwölftes Jahrhundert) identifiziert sich mit den wichtigsten Gottheiten des tantrischen Buddhismus wie Heruka, Hevajra oder Samvara. Die Untersuchung dokumentiert damit die zunehmende Bedeutung der zornvollen Gottheiten, ihre Entwicklung von untergeordneten Göttern mit Wurzeln in der nicht-buddhistischen Vorstellungswelt bis zu ihrer höchsten Entfaltung und Wirksamkeit in Ritual, Praxis und Lehre. Orte dieser Entwicklung waren die buddhistischen Klöster im Nordosten Indiens, in Bihar, Bengalen und in Orissa, und wir erfahren, daß der Vajrayana-Buddhismus, als er im Zuge der zweiten Bekehrung Tibets von Richen Zangpo oder von Atisha nach Tibet gebracht wurde, als eine voll ausgebildete religiöse Tradition angesehen werden kann. Damit endet dieses Buch, die erste visuelle Geschichte des tantrischen Buddhismus in Indien. (- mb -)

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