The Encyclopedia of Tibetan Symbols and Motifs

Autor/en: Robert Beer
Verlag: Serindia Publications
Erschienen: London 1999
Seiten: 374 Seiten mit 169 Tafeln
Ausgabe: Leinen mit Goldprägung und Schutzumschlag
Preis: 30.– engl.Pfund
ISBN: 0-906026-48-2
Kommentar: Michael Buddeberg

Besprechung:
Auf dem Gebiet tibetischer Kunst gibt es eine ganze Anzahl wundervoll illustrierter Bücher über tibetische Thankas mit besten Farbreproduktionen und fundierten Untersuchungen über Alter, Stil, Herkunft und kulturelle Bedeutung. Diese kunsthistorische Betrachtung aber wird den ikonographisch-symbolischen, den wirklichen spirituellen Inhalten dieser Malerei nur selten gerecht. Die Thankas sind oft falsch, im besten Falle unvollständig interpretiert, und selbst die zutreffende Identifikation der dargestellten Gottheiten ist wenig sinnvoll ohne das Verständnis ihrer Qualitäten. Das aber hat wenig mit Kunstgeschichte zu tun und sehr viel mit der Lehre Buddhas. So leicht wie sich diese Feststellung treffen läßt so schwer ist es, den richtigen Zugang zu dieser Malerei zu finden, ist doch der Vajrayana-Buddhismus eines der komplexesten metaphysischen Systeme mit einem symbolischen, sehr versteckten und vielfach verschlüsselten Gehalt. Das Buch von Robert Beer, das keine einzige der zahllosen Gottheiten beschreibt oder abbildet sondern nur das Umfeld, in dem sie sich befinden und agieren, die Landschaften, ihre Kleidung, die Throne auf denen sie sitzen, ihre Gesten und Attribute, ihre Waffen und Opfergaben, ist eine hervorragende Möglichkeit, sich den Inhalten tibetischer Malerei zu nähern. Doch davon, von diesen Inhalten, später. Zunächst einmal kann nicht genug bewundert werden, daß und wie dieses einzigartige Buch entstanden ist. 1969 im Alter von 21 Jahren hatte Robert Beer ein spontanes meditatives Erlebnis. Visionen zornvoller Gottheiten erschienen ihm als Spiegel seiner psychischen Situation. Intuitiv begann er sie zu malen. Jahre in Indien, Nepal, Dharamsala, waren dann die Stationen seiner Ausbildung in tibetischer Malerei. Tibetische Meister lehrten ihn die Techniken, Stile und Inhalte dieser Kunst aber auch Meditation und Praxis des Dharma. 1980 begann Robert Beer mit dem Korpus ikonographischer Zeichnungen, ein, wie er selbst sagt, gewaltiges und völlig verrücktes Projekt, von dem die nun veröffentlichten „tibetischen Symbole und Motive“ nur ein kleiner Teil sind. Doch was für ein Teil! Die 169 ganzseitigen Tafeln enthalten viele tausende minutiöser Pinselzeichnungen, eine im Westen wenig bekannte, von Beer meisterhaft beherrschte Technik mit feinem Pinsel aus Zobelhaar. Jede einzelne Zeichnung ist das Ergebnis eines langen Schaffens- und Erkenntnisvorganges und es ist sicher keine Übertreibung von Beer, daß jede der Tafeln ihn zwischen 50 und 200 Stunden Zeit gekostet hat. Das Buch ist die Frucht einer 8 Jahre währenden ununterbrochenen Arbeit an diesem Projekt, eine Zeit, in der sich Einsamkeit und Verzweiflung mit Phasen der Inspiration und Intuition abwechselten. Weder in der tibetischen noch in der westlichen Literatur gibt es ein Referenzwerk für diese Arbeit. Literatur über Traditionen, Geschichte und Entwicklung des Hinduismus und Buddhismus, das Studium tausender von Thankas, Intuition und der spirituelle Aspekt des Verstehens sind die Quellen für diesen Korpus an Zeichnungen und ihre fundierte Erklärung. In 12 Kapiteln wird das gesamte Spektrum tibetischer buddhistischer Symbole und Motive behandelt. Beginnend mit den Landschaftelementen, mit Wasser, Feuer, Wolken und Regenbögen folgt im zweiten Kapitel die Flora, Blumen, Bäume, Früchte, hier auch der Lotusthron. Mythische und wirkliche Tiere, Windpferd und Garuda, Makara und Kirtimukha, die Welt der Nagas, Tiger und Schneelöwen, Vögel, Schildkröten und Elefanten bilden das umfangreiche dritte Kapitel, bevor erzählende Illustrationen, etwa die der sechs Symbole des langen Lebens zu den Darstellungen der tibetischen Kosmologie überleiten. Wir finden hier den Berg Meru, astrologische Symbole, das Kalachakra Mantra und die acht großen Stupas. Robert Beer versucht hier die tantrischen Theorien vom Werden und Vergehen, von Empfängnis, Tod und Wiedergeburt, die tiefe innere Symbolik des Vajrayana-Buddhismus, schwierigste und komplexe Zusammenhänge, einfach und leicht zu erklären. Die weiteren Kapitel sind den Mudras gewidmet, den Handhaltungen und Gesten, den sieben wertvollen Besitztümern, den verschiedenen Gruppen glückbringender Symbole und den zahlreichen friedvollen Opfergaben, Juwelen bis hin zu den tibetischen Musikinstrumenten, bevor im zehnten und umfangreichsten Kapitel das Thema der „Scharfen Waffen“ behandelt wird, die Attribute der zornvollen Gottheiten. Vajra und Ghanta, Phurbu und Dhamura bilden hier den Auftakt und man findet von der Schädelschale bis zum Ritualmesser, vom Zepter bis zur Axt, vom Flammenschwert bis zu Pfeil und Bogen alle tantrischen Waffen, die zum Sieg über den Unglauben und das Böse benötigt werden. Weitere tantrische Motive, Ketten von Schädeln, Geisterfallen, feurige und zornvolle Opfergaben folgen im vorletzten Kapitel, bevor das Buch mit geometrischen Motiven, hier in erster Linie mit dem Swastika und dem endlosen Knoten in allen denkbaren Varianten ausklingt. Dieser geraffte Überblick mag zeigen, daß das Verständnis tibetischer Symbole und Motive nicht nur ein Schlüssel zum Erkennen der tibetischen Gottheiten ist, sondern ein Weg zu den Inhalten des diamantenen Fahrzeugs. Die Enzyklopädie tibetischer Symbole und Motive von Robert Beer ist mit ihrem Erscheinen zum Klassiker und Standardwerk geworden.

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