The Sculptural Heritage of Tibet – Buddhist Art in the Nyingjei Lam Collection

Autor/en: David Weldon, Jane Casey Singer
Verlag: Laurence King
Erschienen: London 1999
Seiten: 208
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: 45.– engl.Pfund
ISBN: 1-85669-178-0
Kommentar: Michael Buddeberg

Besprechung:
Um einen naheliegenden Irrtum gleich klarzustellen: Nyingjei Lam ist nicht der Name des Sammlers. Nyingjei Lam ist tibetisch und steht für den Pfad des Mitleids, für das Leitmotiv des Sammlers, für die spirituelle Bedeutung nicht nur der ganzen Sammlung, sondern auch jeder einzelnen der wundervollen Skulpturen. Der Sammler selbst bleibt anonym. Wir erfahren aber aus dem engagierten Vorwort aus seiner Feder, daß er Amerikaner irischer Herkunft ist und – gläubiger Christ. Wie kommt nun ein praktizierender Katholik dazu, buddhistische Kunst zu sammeln? Daß er den größten Teil seines Lebens unter Chinesen gelebt hat ist natürlich nur die vordergründige Erklärung. Was ihn jedoch am meisten beeindruckte und in zwanzigjähriger Sammeltätigkeit gefangen nahm, war das mitfühlende Lächeln, das von den vielen Statuen von Buddha, Bodhisattvas und Lamas ausging, ein Lächeln als Ausdruck innerer Freiheit, Ausdruck von Frieden und Fröhlichkeit. Es erinnerte den Sammler an seine frühen Begegnungen mit christlichen Bildern von Jesus und Maria, von Heiligen und Engeln, deren Gesichter ebenfalls diesen Ausdruck zeigten. Schon als Kind lernte der Sammler so die Liebe, die selbstlose, allumfassende Liebe, die bedingungslose Hingabe an Gott als die zentrale Botschaft des Christentums kennen. Und in der Begegnung mit dem Buddhismus fand er sie wieder, die Liebe als Quelle und Weg zu Freiheit, Freude und Erlösung. Die Buddhisten sprechen allerdings nicht von Liebe. Für sie steht der Begriff Mitleid, das aktive Bemühen, alle Wesen einschließlich des eigenen vom Leiden zu befreien. Es ist Nyingjei Lam, der Weg des Mitleids, der zu wahrer Freude und Erleuchtung führt. Die Sammlung, in diesem Buch erstmals veröffentlicht und im Herbst 1999 im Ashmolean Museum der Universität Oxford gezeigt, ist von dieser christlichen Sicht auf den Buddhismus geprägt. Es dominieren hier nicht die zornvollen Gottheiten, tantrische Darstellungen, oft in der ekstatischen Vereinigung mit ihrer weiblichen Emanation, sondern die friedvollen Abbilder Buddhas, Maitreyas oder Taras. Die Sammlung enthält darüber hinaus eine eindrucksvolle Gruppe von Portraitskulpturen früher buddhistischer Lehrer und Religionsstifter, Abbilder der unvergessenen Vertreter der buddhistischen Ideale in Tibet. Auch sie werden, wie stets, in traditioneller Haltung dargestellt, zeigen die bekannten Insignien und Gesten und tragen doch die individuellen Züge historischer Persönlichkeiten mit individuellen Gesichtszügen und ganz persönlichen Besonderheiten. Diese Figuren symbolisieren das Lehrer-Schüler-Prinzip des indischen und des tibetischen Buddhismus, sie stehen für die Zeit, als Tibeter den beschwerlichen und gefährlichen Weg über den Himalaya wagten, um in Nordindien, damals das Zentrum der buddhistischen Welt, ihren Meister zu finden. Marpa (1012 -1097) war einer von ihnen, und die Portraitstatue aus dem 14. Jahrhundert zeigt einen selbstbewußten, in sich ruhenden Meister der Lehre. Milarepa, sein Schüler, als Dichter und Asket die vielleicht bekannteste Figur aus der tibetischen Geschichte, ist mit zwei zauberhaften Portraits vertreten. Manche dieser Figuren wurden schon zu Lebzeiten des Dargestellten angefertigt wie etwa die Statue des Thangtong Gyalpo, des berühmten Ingenieurs und Brückenbauers aus dem 14./15. Jahrhundert, der mit geschmiedeten Eisenketten dutzende von Brücken über die reißenden Flüsse Tibets schlug, von denen manche bis heute in Benutzung sind. Wir sehen ihn eingehüllt in eine kostbare, exotische Robe aus chinesischer Seide mit gestickten Tiermedaillons. Die Autoren David Weldon und Jane Casey Singer, beide erfahrene Kenner tibetischer Kunst betten die schöne Sammlung in den kunsthistorischen Rahmen. Sie zeigen an Beispielen der Nyingjei Lam Collection frühe buddhistische Skulpturen aus Nepal und Kaschmir, aus dem Swat-Tal und natürlich aus Ost-Indien. Anhand dieser seltenen, nur in tibetischen Tempeln und Klöstern erhaltenen Statuen, lassen sich die vielfältigen Einflüsse studieren und nachvollziehen, aus denen sich in der Zeit von 1000 bis 1400 die eigenständige tibetische Kleinplastik entwikelte, eine Bildhauerkunst, die in den herausragenden Werken der Sammlung Nyingjei Lam glänzend repräsentiert und im vorliegenden Buch prachtvoll und kenntnisreich vorgestellt wird. (- mb -)

Print Friendly, PDF & Email