Vergessene Götter Tibets – Wiederentdeckung buddhistischer Klosterkunst im Westhimalaya

Autor/en: Peter van Ham, Aglaja Srirn
Verlag: Belser Verleg
Erschienen: Stuttgart 1997
Seiten: 160
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: DM 98.–
Kommentar: Michael Buddeberg, September 1997

Besprechung:
Wegen der Zerstörungen tibetischer Kulturdenkmäler durch China in den vergangenen 40 Jahren, die auch den fernen Westen Tibets, (Tholing Tsaparang) nicht verschonten, kommt den erhaltenen Klöstern und Tempeln in den an Tibet grenzenden Ländern Bhutan, Sikkim, Nepal, Mustang, Zanskar und Ladakh große Bedeutung zu. Zwei weiteren Grenzregionen, die bis vor kurzem unzugänglich und daher auch nahezu unbekannt waren, widmet sich dieses Buch. Das Spitital und Kinnaur, am Oberlauf des Sutlej, unmittelbar an der Westgrenze Tibets, gehört heute zum indischen Unionsstaat Himachal Pradesh im westlichen Himalaya. Das Kloster Tabo im Spitital, das 1996 sein tausendjähriges Bestehen feierte, ist eines der bedeutendsten erhaltenen Monumente früher westtibetischer Kunst. Gegründet vom Religionsstifter Rinchen Zangpo unter der Ägide des Guge-Königs Yeshe Ö, ist Tabo ein Abbild der Glaubenslage während der zweiten buddhistischen Bekehrung Tibets, ein unverfälschtes Zeugnis dessen, was in jener Zeit seinen Weg aus den buddhistischen Zentren Indiens nach Tibet gefunden hat. Malerei und Skulptur, unverändert, nie übermalt und für das hohe Alter erstaunlich gut erhalten, repräsentieren den Stil jener Zeit. Die frühe westtibetische Wandmalerei wurde vornehmlich vom eleganten Stil Kaschmirs beeinflußt. Dieser im 10. Jahrhundert bereits sehr verfeinerte Stil vereinte in sich die typischen Merkmale der indischen Spätguptakunst mit Anleihen aus der zentralindischen Höhlenmalereien und aus dem hellenistisch-persisch-sassanidische Erbe der Gandharazeit ebenso wie zentralasiatische Elemente sowie Züge der bengalischen Pala- und Sena-Periode, die über Nepal nach Kaschmir gekommen waren. Hauptzüge dieses Stils sind die elegante Linienführung und gezierte Haltung der Figuren, die detaillierte Stoffgestaltung, das Ausfüllen der Fonds mit Miniaturfigürchen und floraler Ornamentik, liebevoll gestaltete Details, die verschwenderische Verwendung von Schmuckdekors (Perlenketten, Gehänge, filigrane Goldranken) und üppiges florales Schlingwerk, mit denen beispielsweise Schmuckbänder verziert sind. Höfische Szenen erinnern in den dargestellten Trachten (Pluderhosen, Turbane, nach oben gebogene Schuhe) an die Kunst der Seidenstrasse. Der Perfektion der Malerei entspricht der einzigartige Skulpturenschmuck von Tabo. Seine Ursprünge liegen weniger in Indien sondern gehen vielmehr zurück auf die Gandharaepoche in Afghanistan in der Zeit vom 1. bis zum 4. Jahrhundert. Außer Tabo werden noch die Klöster und Tempel von Dhangkar, Lhalung, Nako und Pooh vorgestellt. In einem einführenden Teil wird die eng mit Tibet verbundene Geographie und Geschichte Spitis behandelt ebenso wie Grundlagen des tantrischen Buddhismus und die philosophisch-religiösen Konzepte tibetischer Kunst. Die Wichtigkeit dieser ersten, reich illustrierten Monographie über Tabo tröstet leicht über den nicht immer leicht zu erfassenden Zusammenhang zwischen Text, Bildern, Bildunterschriften und herausgelösten Textteilen hinweg.

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