A History of Tibetan Painting – The Great Tibetan Painters and their Traditions

Autor/en: David Jackson
Verlag: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Erschienen: Wien 1996
Seiten: 456
Ausgabe: Hardcover
Preis: DM 192.–
Kommentar: Michael Buddeberg, September 1997

Besprechung:
Es ist ein oft gehörtes und auch gelesenes Vorurteil, daß alle buddhistische Kunst anonym ist. Es sei allein der Inhalt, der hier zählt, dieser aber sei ikonographisch strikt vorgegeben, für den Künstler bleibe kein Spielraum und keine Entfaltungsmöglichkeit. Jedenfalls für die tibetische buddhistische Kunst ist das schlicht falsch. Und es wäre eigentlich auch erstaunlich, wenn eine Hochkultur mit so großartigen Leistungen in Literatur, Medizin und Philosophie ihre bildenden Künstler nicht kennt und nicht schätzt. Nun – genau das Gegenteil ist der Fall aber es war lange nicht bekannt. Erst 60 Jahre ist es her, daß eine erste Abhandlung über tibetische Malerei erschien (Röhrich: Tibetan Painting). Sie blieb aber recht unbekannt ebenso wie die Werke Tuccis, des großen italienischen Tibetologen. In jüngerer Zeit waren es dann Smith, Pal, Lo Bue, Essen, Thingo und Goepper, die damit begonnen haben, die tibetische buddhistische Kunst, vor allem die Malerei -Thankas und Wandmalerei – wissenschaftlich zu bearbeiten. In Tibet selbst aber war die Malerei schon immer ein Gegenstand der Bewunderung und Verehrung, der Diskussion und Kritik und auch Gegenstand zahlreicher Abhandlungen. David Jackson hat sich vor allem mit diesem tibetischen Quellenmaterial aus alter und neuer Zeit beschäftigt und hat mit der Geschichte der tibetischen Malerei das erste umfassende Werk über die großen tibetischen Maler und die von ihnen begründeten Maltraditionen geschrieben. Entsprechend den verfügbaren Quellen behandelt er den Zeitraum von der Mitte des 15. bis zum 20. Jahrhundert und beschränkt sich geographisch auf Zentraltibet, auf die Provinzen Ü, Tsang und Kham. Der Beginn dieser Kunst liegt natürlich viel früher und viel weiter im Westen des Landes und kann auch noch nicht eigentlich tibetisch genannt werden. Die erste Phase tibetisch buddhistischer Malerei ist noch geprägt von der Übernahme vorwiegend indischer Malstile. Bengalen, Bihar, die mächtige Pala-Dynastie und Kaschmir seien hier genannt. Es folgt, seit etwa dem 12. Jahrhundert die Epoche der Newar-Künstler aus Nepal, die in Zentral-Tibet Klöster, Tempel und große Stupas ausmalten. Aus dem Newar-Stil heraus entwickelt sich dann im 14./15. Jahrhundert unter Integration zentralasiatischer und vor allem chinesischer Einflüsse eine genuine tibetische Malerei mit verschiedenen Malschulen und ihren großen Meistern. Der erste, geboren ca. 1420, war sMan-thang-pa (Menthangpa), der seine ungeliebte Frau verließ, ein Wanderleben begann und so zu seiner Passion, der Malerei, fand. Die Integration der chinesischen Landschaftsmalerei und die Änderung der Farbpalette vom erdigen rot und rot-orange zu blau und grün, war für ihn und die nachfolgenden Generationen kennzeichnend. Er begründete die Maltradition der sMan-ris (Menri), die die tibetische Malerei bis heute prägt, und arbeitete nachweisbar im Kloster Tashilhunpo. Im 16. und 17. Jahrhundert, vor allem zur Zeit des 5., des „großen“ Dalai Lama, dem größten Förderer und Liebhaber religiöser Kunst und Kultur, den Tibet je gehabt hat, dominierten die Künstler dieser Menri-Schule. Sie und viele andere, deren Namen und Werke heute bekannt sind – allein von den Künstlern der großen Stupa von Gyantse sind 29 namentlich bekannt -, wurden geehrt, gefördert und wohl auch gut bezahlt von den großen Äbten und Stiftern tibetisch buddhistischer Kunstwerke. Im Vordergrund tibetisch lamaistischer Kunst steht aber dennoch nicht das Verhältnis zwischen dem Künstler und seinem Werk sondern das zwischen Stifter und Gottheit. Gleichwohl läßt sich die Geschichte tibetischer Kunst und ihrer schönsten Werke wohl nicht vollkommen erschließen oder verstehen ohne das Wissen um die Persönlichkeiten, Schicksale und Eigenheiten der Maler. Die Studie von Jackson ermöglicht mit den Hinweisen auf das Leben, die Arbeitsweise und die Schriften dieser Künstler eine neue Sichtweise tibetischer Kunst. Es ermöglicht Zuschreibungen, Entdeckungen und neue Forschung. Es macht aber auch schmerzlich bewußt, welche schrecklichen Verluste die tibetisch buddhistische Kunst während der schlimmen Exzesse der von China gesteuerten Massenhysterie und Barbarei der Kulturrevolution erleiden mußte. Ein sehr sehr großer Teil der tibetischen Wandmalerei, die Giuseppe Tucci als letzter gesehen und beschrieben hat, ist unwiederbringlich verloren. Und über die oft großartigen in westliche Sammlungen und Museen gelangten Thankas darf man niemals vergessen, wo diese Bilder in ihrer Kultur ihren Platz hatten, eingebettet in eine in Jahrhunderten gewachsene Kultur und Religion. Es versteht sich, daß ein so sorgfältiges und hochwissenschaftliches Werk auch in seinen Anhängen nichts zu wünschen übrig läßt. Neben der vollständigen Bibliographie westlicher und tibetischer Quellen ist hier vor allem die Wiedergabe bislang unzugänglicher tibetischer Quellentexte zu erwähnen.

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