Der Stupa – Kultbau des Buddhismus

Autor/en: Johannes W. Glauche
Verlag: DuMont Buchverlag
Erschienen: Köln 1995
Seiten: 142
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: DM 98.–
Kommentar: Michael Buddeberg, April 1997

Besprechung:
In der gesamten Welt des Buddhismus, von Indien bis Japan, von Thailand bis in die Mongolei, in Tibet, Burma und Java, begegnet man dem geheimnisvollen Kultbau dieser Religion. Vom zentimetergroßen tibetischen Tsa-Tsa bis zur monumentalen Tempelanlage, vielstöckige Pagoden in China, Felsenzeichnungen entlang der Seidenstraße, goldene Träume in Burma, Chörten im Himalaya – die Vielfalt der Stupa ist so groß wie die Zahl der Völker und Nationen, die der Lehre Buddhas anhängen. Der Stupa, gebaut von Buddhisten seit mindestens 2300 Jahren, ist der weitesten verbreitete und vielfältigste Bautyp des Buddhismus. Aber nicht nur Bautyp oder Bauwerk, der Stupa ist das Symbol des Buddhismus schlechthin, er ist sichtbarer Ausdruck des spirituellen Gehalts dieser Religion. So ist denn das Buch von Glauche kein Architekturbuch sondern der zweifellos gelungene Versuch über den Symbolgehalt des Stupa die Wurzeln und Inhalte des Buddhismus zu erschließen. Der Stupa ist ein Gebäude ohne einen von Menschen nutzbaren Innenraum. Dieser Verzicht auf Innenraum und Öffnungen wie Fenster und Türen ist einer seiner zentralen Aspekte. Der Stupa erfüllt einzig und allein eine symbolische Funktion. Er hat ein eindeutiges Zentrum, eine Achse, und er ist an den Himmelsrichtungen ausgerichtet; seine Geometrie ist klar und präzise, sie besteht aus elementaren geometrischen Formen wie Quadrat und Kreis, Würfel und Kugel. Diese geometrisch-mathematische Begrifflichkeit, deren sich auch die buddhistische Lehre bedient, ist ein Schlüssel zum Verständnis des Symbolgehalts des Stupa. Die fünf Elemente, Erde, Wasser, Feuer, Luft und Äther, die Weltachse als axiales Bindeglied zwischen der göttlichen Sphäre und der Welt der Menschen, der Berg Meru, der Weg zur Buddhaschaft, der Aufstieg zu höheren Bewußtseinsstufen, die Abfolge von Sterben und Wiedergeburt, der Weg Buddhas von der Geburt über die Lehre und Erleuchtung bis zur endgültigen Erlösung, der Eintritt ins Nirvana, all das ist in der Stupa enthalten. Der Stupa ebenso wie das Mandala schlägt die Brücke zwischen dem Sichtbaren und dem Unsichtbaren, zwischen der physischen Welt und der Welt des Spirituellen, er ist Symbol der inneren und äußeren Welt, Abbild des Pfades zur Erleuchtung, des Pfades der Initiation und zugleich der psychischen und physischen Beschaffenheit des Menschen. Neben diesem zentralen Teil der Studie ist bemerkenswert die Fülle an Information über das Bauwerk Stupa, beginnend mit den ältesten heute noch existierenden Stupas in Südindien und Sri Lanka mit ihren archisch einfachen Formen und den auf das Swastika zurückzuführenden Grundriß. Dann, zusammen mit dem Buddhismus der Weg des Stupa über den Himalaya nach Zentralasien und über die Seidenstraße nach China, Korea und Japan, seine Wandlung zur Pagode und die Integration traditioneller Baustile und lokaler Formensprache in die stets gleichbleibende Symbolik. Einzigartig die Tempelanlage von Borobodur in Java, Mandala und Stupa zugleich, die Tempelstadt von Pagan in Burma und die vergoldete, himmelstürmende Shwedagon-Pagode, das Wahrzeichen von Rangun. Über Nepal mit dem Stupa von Bodnath, dessen vier Augenpaare Sinnbild des allsehenden Buddha sind, führt der Weg nach Tibet, zu seinen unzähligen Chörten, zum Kloster Samye, zum Kumbum von Gyantse, der in seinen Schreinen das gesamte buddhistische Pantheon enthält, bis zum Berg Kailash im fernen unzugänglichen Westen Tibets der für mehrere asiatische Religionen als das Zentrum, als Nabel und als Achse des spirituellen Universums gilt, der Berg Meru oder Sumeru. Der Stupa schlechthin, ohne Anfang und ohne Vergänglichkeit. Ein sehr anspruchsvolles und für jeden am Buddhismus Interessierten empfehlenswertes Buch.

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